So setzt du Ideen auch wirklich um

(Bild: Shutterstock)
Die Idee für die Umsetzung vorbereiten
Eine Idee hat je nach vorgelagerten Prozessen einen unterschiedlich ausgeprägten Reifegrad. Manche sind auf einem Klebezettel beschrieben, andere auf einem Business-Modell-Canvas ausformuliert. Um einen optimalen Absprungpunkt für die Umsetzung zu gewährleisten, sollte die Idee folgende Informationen aufweisen, um sie wirkungsvoll und erfolgreich auf die Straße zu bringen:
- Attribute der Idee
Das klassische Business-Model-Canvas oder auch individuelle Varianten helfen, die wichtigen Aspekte der Idee darzustellen. Vor allem für eine interne Freigabe des Prozesses sollten Informationen zu den adressierten Bedürfnissen, Nutzen und Nutzergruppen, Geschäftsmodell sowie interne Stakeholder definiert werden. - Beschreibung der Idee
Um in der Umsetzung ein klares Bild der Idee zu bekommen, muss die Idee ausführlich im Nutzenkontext beschrieben werden. Hier bieten sich entsprechende User-Storys als Vorlage an. Sie werden priorisiert, um den Umfang der ersten Umsetzung klar zu definieren. Die Beschreibung liefert auch den Rahmen für das Minimum-Viable-Product (MVP). Es definiert, was für den ersten offiziellen Marktstart gegeben sein muss. - Technologische Grundlage
In der ersten Phase gilt es, ein Gefühl für die umgesetzte Idee zu bekommen, nicht für die Technologie. Daher ist die Wahl der zu nutzenden Technologie weitestgehend frei. Wird beispielsweise eine sensorbasierte Lösung für die Idee benötigt, kann der Hersteller frei gewählt werden. Es geht nicht darum, den günstigsten Anbieter zu finden, sondern die Grundlage mit einer relativ reifen Technologieauswahl zu legen. Für den ersten Schritt gilt, dass der technologische Reifegrad möglichst hoch und die Technologie standardisiert sein soll. Andernfalls haltet ihr euch zu sehr mit unnötigen technischen Herausforderungen auf.
Prototyping – das erste Bauen der Idee
Steht das Konzept der Idee für die Umsetzung, startet die erste Prototyping-Runde. Jeder Durchlauf wird in vier Phasen unterteilt, die aufeinander aufbauen:
1. Umsetzungsphase
In der ersten Phase startet das handwerkliche Bauen der Idee. Es werden die priorisierten und selektierten Use-Cases der Idee in einen ersten Prototyp übertragen. Da die Zahl der möglichen Prototyp-Varianten umfangreich ist, beschränken wir uns hier auf die drei Grundvarianten, die je nach Komplexität und Zielstellung der Idee sinnvoll sind:
- Visueller Prototyp
Bei komplexen Ideen mit hohen Anforderungen an die Technologie, sowohl bezogen auf Software als auch Hardware, bietet sich im ersten Schritt ein visueller Prototyp oder auch Mockup an. Der Fokus liegt auf einem visuellen Erlebnis, sodass die Nutzer in ersten Tests ein Gefühl für die Idee bekommen und den Umgang damit ausprobieren können, um erstes Feedback zu geben. Die richtigen Tools können hier etwa Sketch, Adobe XD oder auch Invision sein. Neben diesen Tools gibt es auch eine wachsende Anzahl an Onlineplattformen, die für bestimmte Prototypen sehr gut geeignet sind. Bei Ideen mit umfangreichem Hardware-Anteil sollten Software und Hardware getrennt betrachtet werden. - Funktionaler Prototyp
Bei Prototypen, die beispielsweise durch eine hohe Anzahl an Funktionalitäten aufwendig gestaltet sind, liefert der funktionale Prototyp die Möglichkeit, diese Funktionen schnell zu integrieren und zu testen. Das Design steht dabei im Hintergrund. In den Tests wird vorrangig Wert auf den Nutzen der einzelnen Funktionalitäten gelegt. Je nach Schwerpunkt der Idee müssen bei funktionalen Prototypen unterschiedliche Tools eingesetzt werden. Oft kommt bereits individuell entwickelte Soft- und Hardware zum Einsatz. - Interaktiver Prototyp
Nahe am MVP bringt der interaktive Prototyp Visualisierung und Funktionalität zusammen, um ein möglichst fertiges Konzept in das Testing zu bringen. Bei niedriger Komplexität der Idee und geringem Hardwareaufwand ist dieses Vorgehen schnell möglich. Dies bedeutet nicht, dass der Prototyp nach einer Iteration bereits final ist. Interaktive Prototypen sind relativ aufwendig. Wichtig ist vor allem, dass für die Erprobung unwichtige Eigenschaften vernachlässigt werden. Das sind oft Sicherheit, Wartbarkeit und auch Materialeigenschaften bei Hardwareprototypen. Komponenten, die aus Stahl und Aluminium gefertigt werden müssten, können für einen interaktiven Prototypen etwa mit ABS-Kunststoffen umgesetzt werden.

(Grafik: Sven Tollmien)
2. Interner Pitch
Das wiederholte interne Präsentieren der Idee zielt auf das Einbeziehen der Stakeholder ab. Die Entscheider von Anfang an in den Prozess zu integrieren, ist sehr wertvoll, da einerseits die Bindung zur Idee gestärkt wird, andererseits Herausforderungen frühzeitig antizipiert werden. Entscheider liefern oft relevante Erkenntnisse, da sie die Idee aus einer anderen Perspektive beleuchten.
3. Testen am Kunden
Der wichtigste Test bleibt der Nutzer-Test. Hier gibt es zwei Unterschiede zu beachten: Der Test des ersten Prototyps sollte ein sogenannter Friendly-User-Test sein. Die Nutzer wissen, dass es sich um einen Prototyp handelt. Mit diesem Feedback optimiert, können die weiteren Versionen der Prototypen direkt in reale Nutzertests gehen (https://t3n.de/magazin/user-experience-ux-testing-im-247978/).
4. Feedback einfließen lassen
Das beste Feedback nützt nichts, wenn ihr es nicht beachtet. Die Ergebnisse aus dem Nutzertest, aber auch aus dem Feedback der Stakeholder, werden zunächst aufgegliedert, in Gruppen sortiert und priorisiert. Die Gruppen orientieren sich beispielsweise an den Dimensionen „Mindestanforderung“, „Verbesserung“, „Neues Feature“. Es ist nicht erforderlich, alle Wünsche umgehend in die Umsetzung zu bringen. Vielmehr ist hier eine klar priorisierte Struktur wichtig, etwa in Form eines Multi-Generationen-Plans, der eine Roadmap aufzeigt. Die hoch priorisierten Änderungen fließen in ein neues Briefing für die nächste Prototyping-Runde ein.
Den Go-to-Market rechtzeitig berücksichtigen
Damit ihr euch nicht in unzähligen Runden verliert und permanent neue Prototypen entwickelt, sollte in jeder internen Pitch-Phase (siehe 2.) überprüft werden, ob das Ergebnis die Kriterien für ein MVP erfüllt. Die Kriterien ergeben sich aus der zu Beginn formulierten Idee. Für diesen Schritt ist es notwendig, den Prototyp nach den Technologien und Marktvorgaben auszurichten. Welche Zertifizierung erfordert beispielsweise der Einsatzort? Gibt es Hardware-Restriktionen, die zu beachten sind? Ab dem Start der Go-to-Market-Phase geht es nicht mehr um kreative Entwicklung, sondern um den klaren Weg in den Markt. Gilt in den kreativen Schaffensprozessen noch „Funktion vor Technologie-Anbieter“, so steht in der MVP-Phase klar die Art der Technologie und der Anbieter im Vordergrund. Habt ihr beispielsweise für die ersten Prototypen einen Raspberry Pi eingesetzt, gilt es, für das MVP zu prüfen, ob es bessere, massentaugliche Alternativen gibt.
Umsetzung wird komplexer gesehen, als sie ist
Wird die Umsetzung einer Idee durch einen sauberen Prozess gestützt, der interne Stakeholder und Nutzer aktiv einbindet, ist dieser Weg weniger kompliziert als gedacht. Zudem sind die technologischen Vorlagen für die Erstellung von Prototypen mittlerweile soweit ausgereift, dass vermeintlich große Technologien schnell und einfach in einen ersten Prototyp übertragen werden können. Aber auch komplexere Themen lassen sich durch einen strukturierten und iterativ aufgebauten Prozess schrittweise umsetzen und weiterentwickeln.
Die größte Herausforderung bleibt, wie bei vielen Themen, der erste Schritt. Also legt einfach los!