Dieses Startup will das globale Plastikproblem lösen
Plastik ist überall. Ob in Sportkleidung, Einkaufstüten, Strumpfhosen, Spielzeug, Verpackungen – der Einsatzbereich synthetischer Kunststoffe ist groß. Und so auch die Müllberge, auf denen unser Plastikmüll landet. Dabei wird Plastik für die Produktion von Alltagsgegenständen erst seit den 50er Jahren verwendet.
In diesen rund 70 Jahren haben wir es geschafft, insgesamt mehr als 8,3 Milliarden Tonnen Plastik zu produzieren, wie Forscher:innen in einer Studie im Magazin Science Advances veröffentlicht haben. Das Problem entsteht dabei vor allem am Ende des Lebenszyklus der Plastikprodukte: Nur ein Bruchteil der weggeworfenen Plastikprodukte wurde bislang recycelt (neun Prozent). Zwölf Prozent des Plastikmülls wurden verbrannt. Und rund 80 Prozent landeten schließlich auf Mülldeponien. Oft in Entwicklungsländern.
In Deutschland sieht es mit der Wiederverwertung von Plastik zwar etwas besser aus, doch auch bei uns wurden 2018 nur rund 50 Prozent der Kunststoffverpackungen recycelt. Die restlichen 50 Prozent werden entweder verbrannt oder exportiert. Aus den Augen aus dem Sinn.
Das Exist-geförderte Startup Precycle will das ändern. Precycle wurde 2021 remote von vier Gründer:innen gestartet und hat nichts weniger vor, als das globale Plastikproblem zu lösen. Inzwischen beschäftigt das Startup zehn Mitarbeiter:innen.
Eine der Gründer:innen ist Vrinda Kabra. Aktuell arbeitet sie aus Sri Lanka. Im Zoom-Call sagt sie: „Das Plastikproblem wurde bislang zu wenig global gedacht. Die Plastikverschmutzung der Meere entsteht vor allem deswegen, weil die Entwicklungsländer, in denen der Plastikmüll der Industrienationen landet, keine entsprechenden Abfall-Aufbereitungs-Anlagen haben. Es mangelt an Technik, Geld und Wissen. Das wollen wir ändern.“
Sind „Plastic Credits“ die Lösung?
Die Lösung von Precycle ist ein Punkte-System, das ähnlich wie Carbon Credits funktioniert. Analog dazu spricht Precyle von „Plastic Credits“. Das Konzept: Mit Precycle können E-Commerce-Anbieter:innen in einem B2B2C-Modell ein Plug-in in ihren Online-Shops installieren, mit dem Kund:innen beim Einkauf ihren „Plastik-Fußabdruck“ ausgleichen können. Die Credits werden dann dazu verwendet, die Waste-Management-Systeme sowie die Arbeitsbedingungen der Menschen in den Entwicklungsländern zu verbessern. Ein Credit entspricht dabei einem Kilogramm Plastikmüll. Als erste Partner:innen konnte Precycle Shopify und Woocommerce gewinnen. Der Launch des Plug-ins soll diesen Februar erfolgen.
Bislang hat sich das Startup durch das Exist-Programm sowie Angel-Investor:innen finanziert. In einem nächsten Schritt ruft Precycle nun in einer Crowdfunding-Kampagne auch Privatpersonen dazu auf, ihren Plastikfußabdruck zu kompensieren und Teil der Lösung des weltweiten Plastikproblems zu werden. Für 32 Euro können Unterstützer:innen dabei ein Jahr ihres Plastikkonsums von durchschnittlich 65 Kilogramm kompensieren. Für 55 Euro gibt es noch ein CO2-neutrales T-Shirt dazu.
Insgesamt sollen bei der Crowdfunding-Kampagne 100.000 Euro zusammenkommen. Mit dem Geld will Precycle 160 Tonnen Plastikmüll aus unserer Umwelt zurückgewinnen und recyceln. Zudem soll eine bislang „informelle“ Müllsammelstelle in Indien zu einer registrierten Abfall-Aufbereitungs-Anlage aufgewertet werden – mit fairen Arbeitsbedingungen und neuen Stellen für Waste-Worker:innen. Das Ganze soll als Pilotprojekt dienen und exemplarisch zeigen, was mit der Precycle-Idee möglich ist. Bis zum 14. Februar 2022 kann man die Precycle-Crowdfunding-Kampagne noch unterstützen.
Ist das nicht Greenwashing?
Das Konzept von Precycle klingt vielversprechend. Aber setzt es nicht falsche Anreize, wenn sich Unternehmen (und Konsument:innen) einfach von ihren Plastiksünden „freikaufen“ können? Stichwort: Greenwashing? Kabra sagt dazu: „Das ist eine gute Frage. Natürlich wird es mittelfristig nachhaltigere Alternativen zu Plastik geben müssen. In der Realität wird Plastik jedoch nicht so schnell zu ersetzen sein. Bis dahin wollen wir an dem akuten Problem der Müllbeseitigung arbeiten und eine entsprechende Infrastruktur bauen.“