Bäume pflanzen fürs Klima – Greenwashing oder eine gute Idee?
„Mache einen Unterschied, fahre CO2-neutral“, so lautete ein Claim des Ölkonzerns Shell. Die Botschaft: Mit einem kleinen Cent-Betrag kann man ohne schlechtes Gewissen tanken, denn die CO2-Emissionen seines Verbrenners werden ja durch das Pflanzen von Bäumen ausgeglichen. Shell suggerierte damit, dass sein Produkt klimafreundlich oder zumindest nicht klimaschädlich ist.
Thomas Fischer von der Deutsche Umwelthilfe nennt solche Kampagnen unter der Flagge des Klimaschutzes Greenwashing. Aktuell sei es schwierig, gegen Greenwashing-Aktionen vorzugehen, denn die Rechtslage zu Klima-Claims sei noch nicht so klar geregelt wie beispielsweise bei den Health Claims. Stand heute sei nur klar, dass ein nicht klimaneutrales Produkt nicht als klimaneutral beworben werden darf. Es müsse immer auf die Kompensationsmaßnahmen hingewiesen werden.
Wie sinnvoll sind Bäume gegen die Erderwärmung?
Dabei machen Aufforstungsprogramme natürlich Sinn. Bäume und Wälder spielen als CO2-Senken eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Erderwärmung. Denn die Pflanzen nutzen den in Kohlendioxid enthaltenen Kohlenstoff zusammen mit Licht und Wasser zum Wachsen und binden ihn so (wir erinnern uns an den Biologieunterricht in der Schule, Fotosynthese, hust). Eine 2019 im Magazin Science veröffentlichte Studie schätzt, dass durch ein weltweites Aufforstungsprogramm 25 Prozent aller menschengemachten Treibhausgase aus der Atmosphäre beseitigen könnte – eine Zahl, die selbst die Forscher als „mind blowing“ bezeichnen.
Aber: CO2-Kompensationen durch Aufforstungsprogramme sind immer eine Wette auf die Zukunft. Denn die Bäume, die jetzt gepflanzt werden, werden erst in einigen Jahren CO2 kompensieren können. Die Emissionen passieren aber jetzt. „Hier geht die Rechnung nicht auf, denn der Klimawandel wartet nicht auf nachwachsende Bäume“, sagt Thomas Fischer.
Das Problem muss bei der Wurzel gepackt werden
Es geht also nicht um den Sinn und Unsinn von Aufforstungsprogrammen. Das „ob“ sei klar. Aufforstungsprogramme dürfen nur nicht zulasten eigentlicher Innovation gehen und echten Fortschritt ausbremsen. „Die Ursache für CO2-Emissionen müssen behoben werden. Es reicht nicht aus, sich nicht nachhaltig und klimaschädlich zu verhalten und das dann mit dem Pflanzen von Bäumen kompensieren zu wollen“, sagt Thomas Fischer. Der erste Schritt müsse ihm zufolge immer die Vermeidung von CO2 sowie das Lösen bestehender Probleme sein. Bei der Kompensation sollte der Fokus auf unvermeidbare CO2-Emissionen gelegt werden.
Klimaschutz fängt beim Mindset an
Auch das Unternehmen Activegiving beschäftigt sich mit Aufforstungsprogrammen. Ihr Konzept: Mit sportlicher Aktivität, sprich Bewegung, die digital aufgezeichnet wird, können Nutzer:innen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem sie Bäume für verschiedene Aufforstungsprojekte pflanzen lassen. Im November 2021 feierte das Berliner Startup die Baumgrenze von einer Million gepflanzter Bäume. Die Bäume werden dabei von Unternehmenspartner:innen wie On Running oder Your Superfoods gesponsert.
Dem Activegiving-Gründer Laurent Petit ist die Greenwashing-Kritik von Aufforstungsprogrammen bewusst. Er sagt: „Es geht nicht nur um CO2-Kompensation. Man muss holistischer denken und auf alle Nachhaltigkeitsziele einzahlen.“ Damit meint er die 17 Ziele für eine nachhaltige Zukunft der Vereinten Nationen, auch bekannt als Sustainable Development Goals (SDG). Dazu gehören neben Maßnahmen zum Klimaschutz, der Nummer 13, auch die Bekämpfung von Armut und Hunger, bessere Bildungsmöglichkeiten, Geschlechtergleichheit und Frieden. „Mit Activegiving adressieren wir aktuell hauptsächlich acht der SDG, das ist uns wichtig“, sagt Petit. „Für uns gibt es nur das komplette Paket.“
Mit seinem Startup möchte Petit Menschen dazu inspirieren, insgesamt bewusster und nachhaltiger zu leben und weniger zu konsumieren. Er ist überzeugt: „Wenn man sich selbst gut fühlt, verhält man sich auch der Umwelt gegenüber freundlicher.“ Um das zu tun, bietet Activegiving regelmäßig gemeinsame Charity-Runs, Yoga-Sessions oder sogenannte „Clean-ups“ an, bei denen gemeinsam öffentliche Orte von Müll befreit werden.
EU-Maßnahmenpaket gegen Greenwashing
Damit Startups wie Activegiving nicht allein gegen die schmutzigen Goliaths dieser Welt kämpfen, muss auch die Politik endlich ins Handeln kommen und verstärkt gegen Greenwashing vorgehen, forderten Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe schon seit langem. Endlich scheint etwas zu passieren: Am 30. März 2022 hat die Europäische Kommission ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgelegt, um den Green Deals zu erreichen. Mit dem Green Deal haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Europäische Union bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen und die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Einer der wichtigsten Bausteine dabei ist der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft.
Das Maßnahmenpaket enthält auch einen Vorschlag für eine Ökodesign-Verordnung, mit dem die Kommission Ökolabels nicht nur für Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen und Kühlschränke, sondern auch für andere Produkte wie Textilien, Möbel oder Bauprodukte verpflichtend machen möchte. Zudem sollen Produkte auf dem EU-Markt haltbarer werden und einfacher repariert, wiederverwendet oder recycelt werden können, denn das Design eines Produkts bestimmt bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen während seines Lebenszyklus.
Wer sich dafür interessiert, wir kompliziert Aufforstung ist, welche Flächen geeignet sind, welche Probleme entstehen und was aktuell gemacht wird, dem empfehle ich den Waldwunschdenken Artikel von Deutschlandfunk: https://www.deutschlandfunk.de/waldwunschdenken-kann-aufforstung-das-klima-retten.740.de.html?dram:article_id=458726