Kein Greenwashing: So schaffen Unternehmen nachhaltige Geschäftsmodelle
Das Thema Klimawandel ist in aller Munde und Nachhaltigkeit ist ins Zentrum der gegenwärtigen Debatten gerückt. Das hat auch Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Menschen. Laut einer Capgemini-Studie vom März 2021 sind 72 Prozent der befragten Verbraucher besorgt über den ökologischen Fußabdruck und 66 Prozent kaufen gerne umweltfreundlich. Unternehmen haben heute kaum eine andere Wahl als diesem Bedürfnis nachzukommen. Um Kunden zu gewinnen, verpassen sie sich daher immer öfter ein grünes Image. Leider steht dahinter oftmals nicht mehr als als Greenwashing, ein oberflächliches „Vergrünen“ zwecks Imagepolitur, ohne die Unternehmenssubstanz wirklich nachhaltig zu machen. Auf Greenwashing deutet insbesondere hin, wenn das jeweilige Kerngeschäft eines Unternehmens in seinem Charakter schon umweltschädlich ist und auch bleibt. Ein Geschäft also, das für seine Existenz nicht erneuerbare, nicht rezyklierbare Ressourcen verwendet, sondern aus fossilen Materialien hergestellte oder nicht abbaubare Werkstoffe.
Viele Nachhaltigkeitsmodelle sind nur Greenwashing, weil sie den Interessen des Kerngeschäfts zuwiderlaufen
Ein extremes, aber anschauliches Beispiel hierfür liefern Mineralöl-Konzerne. Diese präsentieren sich mittlerweile alle als grün. Traurigerweise hat aber gerade diese Industrie über mindestens fünf Jahrzehnte systematisch Greenwashing betrieben und dabei echt nachhaltige Technologien sogar aktiv vom Markt ferngehalten. Die Vorläufer-Firmen von Exxonmobil haben zum Beispiel schon in den 1960er Jahren eine Vielzahl von Technologien für Elektrofahrzeuge und Brennstoffzellen entwickelt, patentiert und dann unter Verschluss gehalten. BP war in den 1990er Jahren die Firma mit den meisten Patenten auf Solarenergie weltweit. Die wurden für die Öffentlichkeitsarbeit ausgeschlachtet und dann ebenfalls weggeschlossen.
Nun präsentieren sich im Licht des globalen Besinnungswandels all diese Firmen als Kämpfer für den Planeten. Deren Nachhaltigkeitsmodelle sind aber nur Greenwashing, weil sie immer noch den direkten Interessen des Kerngeschäfts zuwiderlaufen. Im allerbesten Fall sind solche Initiativen ein halbherziger Versuch, neue Ertragsströme zu erschließen oder offensichtliche Probleme zu korrigieren (etwa die Förderung fossiler Brennstoffe weniger schmutzig zu machen). Da diese Modelle aber alle das Kerngeschäft nach wie vor kannibalisieren oder verteuern, werden sie auch heute noch einen äußerst schweren Stand gegen die Interessen der intern mächtigen Manager haben. Denn mächtig sind letztlich diejenigen, die Umsatz machen. Das wird schnell klar, wenn man sich die Geschäftsberichte anschaut: Das allermeiste Geld wird immer noch in die Verbesserung des Kerngeschäfts investiert, zum Beispiel in die Verbesserung der Fördertechnologien – also Dinge, die nach wie vor im großen Stil den Planeten seiner fossilen Ressourcen berauben und die Umwelt verpesten. Das grüne Schauspiel trägt also rein gar nichts zur Verbesserung der desaströsen Situation bei. Im Gegenteil: Grüne Innovation in den falschen Händen hat über mehr als 50 Jahre dazu beigetragen, die Situation so schlimm zu machen, wie sie heute ist.
Natürlich gibt es viele Unternehmer, die sich bemühen nachhaltig zu handeln. Gleichzeitig sind sie aber auch äußeren Zwängen unterworfen: Sie müssen profitabel sein und Aktionärserwartungen erfüllen. Unter diesem Druck ist es schwierig, ein echt nachhaltiges Geschäft zu schaffen, aber es ist nicht unmöglich.
Unsere einzige Chance ist es, ökologisch und ökonomisch nachhaltig zu vereinen
Es ist nahezu auszuschließen, dass irgendjemand auf der Welt seinen Lebensstandard freiwillig zum Wohle der Umwelt zurückschrauben wird. Gleichzeitig müssen wir grüne Innovationen schaffen, die die Erderwärmung reduzieren, allein schon, um das Wohlstandsniveau zu halten.
Unsere einzige Chance dafür ist, Wirtschaft und Umwelt in Einklang zu bringen. Das bedeutet: Wir müssen mit Neugeschäft Profit machen können, ohne dabei zur Erhitzung des Klimas oder der Umweltverschmutzung beizutragen. Leider widerspricht aber jedes Geschäftsmodell, das Kundennutzen durch einen Preisvorteil schafft, im Kern einer Nachhaltigkeitsoptimierung. Die Ergänzung um den ökologischen Aspekt würde das Geschäftsmodell meist an der Wurzel bedrohen, da die Kosten und damit der Preis steigen würden.
Nachhaltige Modelle zu erfinden, ist sehr anspruchsvoll
Etwas Nachhaltiges zu erfinden, ist erstmal simpel. Sobald man jedoch die oben beschriebenen realen Zielsysteme und die inhärenten Geschäftslogiken der bestehenden Geschäftsmodelle der Firmen in den Blick nimmt, wird es extrem anspruchsvoll. Die Augen vor dieser Realität zu verschließen, ist naiv.
Bei rein digitalen Geschäftsmodellen ist Nachhaltigkeit in der Regel erstmal einfach, denn bis auf ein bisschen Rechenleistung haben diese Geschäftsmodelle zumeist einen geringen ökologischen Fußabdruck. Die (Wirtschafts)Welt besteht jedoch mehrheitlich eben nicht aus rein digitalen Modellen in einem virtuellen Raum, sondern aus Gütern, die wir abbauen, verarbeiten, aus denen wir Dinge produzieren und letztlich konsumieren und aus Menschen, die herumfahren, Gebäude, Büros und Läden bewohnen und mit physischen Dingen physische Leistungen erbringen. Wie lässt sich also diese Mehrzahl der Geschäftsmodelle nachhaltiger machen?
Es braucht Premium-Strategien
Niemand sollte mehr Geschäftsmodelle bauen, bei denen ein tiefer Preis als Werteversprechen für den Kunden im Zentrum steht. Denn sobald ein Modell physische Komponenten wie Lieferungsketten, Produktion und Distribution hat, werden preiszentrische Geschäftsmodelle zwangsläufig zu Klimasündern. Innovative Unternehmen, die dabei sind, etwas Neues zu schaffen, haben die Chance und die Verantwortung, eine schlauere Wertstiftung zu schaffen als den günstigsten Preis.
Unternehmen müssen sich also überlegen, welche anderen Probleme sie lösen können, außer in erster Linie Geld für den Konsumenten zu sparen.
Sobald eine andere Absicht im Zentrum unternehmerischen Bestrebens steht, lässt sich damit auch ein nachhaltiges Modell finanzieren. Man führe sich nur einmal die klassischen Weltmarktführer im deutschsprachigen Raum vor Augen. Die produzieren zwar ein spezifisches Nischenprodukt, worin sie aber oftmals die besten sind. Gerade wegen dieser Qualität sind deren Kunden bereit, eine Preis-Prämie zu bezahlen, weil sie ein wichtiges Problem, womit sich sonst fast keiner beschäftigt, nachhaltig löst. Innovatoren können sich also sogar der traditionellen Stärken unseres Mittelstands besinnen. Das nennt man eine Premium-Strategie. Mit diesem Ansatz lassen sich nicht nur höhere Profitmargen erzielen, sondern auch der Fokus darauf lenken, umweltfreundliches Wirtschaften zu ermöglichen und zu fördern. Heutzutage sind es diese Modelle, die die Nachhaltigkeit in Zukunft gewährleisten werden.
Fazit
Die Botschaft an Unternehmen lautet: Macht keine Nachhaltigkeits-Geschäftsmodelle, sondern nachhaltige Geschäftsmodelle. Hierfür müssen sie sich überlegen, wie das, was sie erschaffen, mit den wahren Interessen der Eigentümer vereint werden kann. Das ist der schwierigste Teil an der nachhaltigen Innovation im Umfeld existierender Unternehmen. Es ist der große Teil des Eisbergs unter dem Wasser, den man im Gegensatz zur vergrünten Spitze zwar nicht sieht, der aber jede Innovation zum Sinken bringen kann, welche diesen Interessen zuwiderläuft. So wie elektrische Fahrzeuge, Brennstoffzellen und die Solarenergie in der Hand der falschen Eigentümer.
Als Alternative bleibt verantwortlichen Gründern ansonsten nur eine Option übrig: die Gründung eines echt grünen Startups auf einer „grünen Wiese“, mit Investoren, die auch ihrerseits grüne Interessen vertreten und ernsthaft grün investieren.