Startup will Trip Advisor für Psychedelika-Reisen werden
Alles begann mit einer eigenen, geführten Psilocybin-Experience in Amsterdam im Jahr 2019. Psilocybin ist der Wirkstoff in Magic Mushrooms. „Ich war damals schon seit Jahren in Therapie, doch mir wurde irgendwann klar, dass die Veränderung, die ich mir wünschte, nicht drin ist mit den Mitteln, die ich bis dato genutzt hatte“, erinnert sich Anne Philippi, Gründerin des The New Health Clubs (TNHC), im Zoom-Call. Die Psychedelika-Session sei für sie transformierend gewesen. Sie sagt:
„Das hat mir mehr geholfen als 15 Jahre Gesprächstherapie.“
Set und Setting sind entscheidend
Ob LSD, MDMA, Ketamin oder Psilocybin – bewusstseinserweiternde Substanzen haben in den letzten Jahren und Monaten zunehmend an medizinischer Relevanz gewonnen: In der richtigen Dosierung, mit der richtigen Intention und dem richtigen Set und Setting können Psychedelika und vermeintliche „Partydrogen“ auch als Produktivitätsbooster (Stichwort: Microdosing) oder zur Unterstützung von Psychotherapien eingesetzt werden.
Darum geht es auch in Philippis Podcast. Ende 2019 hat die ausgebildete Journalistin den New Health Club gegründet, um spannende und entscheidende Wissenschaftler:innen, Investor:innen und Therapeut:innen aus dem Bereich der Psychedelika-Forschung und -Industrie zu Wort kommen zu lassen. Aktuell entwickelt sich der Club zunehmend zu einer Plattform, über die sich Menschen über Psychedelika-Treatments austauschen können. Bald sollen auch Trips und Treatments über die Plattform gebucht werden können. Am genauen Modell arbeite TNHC gerade noch.
Bevor Philippi den New Health Club gründete, war sie als Hollywood- und Lifestyle-Redakteurin tätig, schrieb für Vogue und Vanity Fair und berichtete unter anderem aus LA für die deutsche GQ. Interviews zu führen, gehörte also bereits seit Jahren zu ihrem Handwerkszeug. 2019 entdeckte sie dann ihre Faszination für Psychedelika und begann, sich mehr und mehr mit Gleichgesinnten darüber auszutauschen. Sie habe gemerkt, dass hier ein neues Kapitel auf sie wartete.
„Ich war müde, über diese Hollywood- und Lifestyle-Themen zu schreiben, und hatte Lust auf etwas Neues. Deswegen entschied ich mich dazu, einen Podcast zu starten – für mich das ideale Outlet, um all diese neuen Stimmen, die diese Industrie ja wirklich mitkreieren, zu Wort kommen zu lassen“, sagt Philippi.
Eine neue Normalität
2019 habe man bereits gemerkt, dass Psychedelika als Therapieform zunehmend im Kommen waren, erinnert sich Philippi. Was jedoch fehlte, war eine passende Sprache. „Entweder war sie viel zu medizinisch und wissenschaftlich oder zu esoterisch“, erinnert sie sich. Indem sie mehr über die wirtschaftlichen und praktischen Chancen von Psychedelika berichtet, fand Philippi eine Möglichkeit, eine neue Normalität für Psychedelika zu schaffen.
In den inzwischen 71 Folgen konnte Philippi bereits Gäste wie Michael Pollan, Paul Stamets, Hamilton Morris, Robin Carhart-Harris oder Rosalind Watts begrüßen – also so ziemlich alle wichtigen Namen im Psychedelika-Markt. Auch Mike Tyson, der derzeit viel über seine Heilung durch Psychedelika spricht, wird bald zu Gast sein.
Covid als Booster
Die erste TNHC-Podcast-Folge erschien im Januar 2020. Wie sich herausstellte, eine perfekte Zeit. „Durch Covid musste man ja eh zu Hause sein und auf einmal hatte ich dann so eine wöchentliche Show“, sagt Philippi. Heute spricht Philippi vom Jahr 2020 als dem Jahr, in dem der „Body of Work“ entstand.
Finanziert wurde der New Health Club im ersten Jahr vom bekannten Investor und Atai-Gründer Christian Angermayer. Angermayer ist selbst für seine Faszination für die Psychedelika-Forschung bekannt und trägt ein Tattoo der chemischen Strukturformel von Psilocybin auf dem Arm. Später konnte Philippi auch die amerikanische Beauty-Marke Dr. Bronner’s als Sponsorin gewinnen sowie die Angel-Investor:innen Albert Wenger von Union Square Ventures und Susan Danziger.
Durch die Pandemie und neue Forschungsergebnisse im Psychedelika-Bereich habe auch das Interesse an Psychedelika weiter zugenommen. „Durch Covid hat sich die Anzahl an Menschen, die psychotherapeutische Hilfe benötigen, vervierfacht“, sagt Anne Philippi. Von einer „mental health crisis“ spricht gar der Journey-Gründer Jonathan Sabbagh in Philippis neuester Podcast-Folge. „Covid hat bei den meisten von uns ein Trauma ausgelöst“. Vielen von ihnen könnten Psychedelika helfen. Doch die Zulassung als Arzneimittel ist kompliziert.
Studien sind vielversprechend
Aktuell laufen weltweit Studien zu den Therapiemöglichkeiten von Psychedelika bei Depressionen, Suchtkrankheiten oder Traumata. 2021 wurde beispielsweise eine Phase-III-Studie mit MDMA abgeschlossen. Die Ergebnisse waren durchaus beeindruckend: Von den 90 Patient:innen mit schweren posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), galten 67 von ihnen zwei Monate nach der abgeschlossenen Behandlung als geheilt. Auch die kürzlich präsentierten Studienergebnisse von Compass Pathways zeigen eine ähnliche Tendenz. Das Unternehmen aus London konnte in einer klinischen Phase-IIb-Studie mit 233 Teilnehmenden darlegen, dass die Einnahme von Psilocybin zur Therapie von Depressionen eine bessere Wirkung erzielt, als die Einnahme von Antidepressiva.
Vom Podcast zur Plattform
Nach dem ersten Jahr wurde The New Health Club 2021 in das early-stage APX Accelerator-Programm aufgenommen. Das Interesse an dem Thema war da, das hatte Philippi bereits zeigen können. Nun galt es, ein Business-Modell zu definieren und zu entscheiden, wie es weitergehen sollte.
„Ich habe schnell festgestellt, dass so klassische Sponsoring-Modelle beim Thema Psychedelika nicht funktionieren“, sagt sie. Pharmaunternehmen beispielsweise dürften das oft gar nicht, oder es würde Konkurrenzsituationen mit ihrem eigentlichen Angebot erzeugen. Natürlich schien hingegen die Idee, die Plattform zu einer Art Sales-Funnel für angeleitete Psychedelika-Treatments weiterzuentwickeln. „Die Menschen wollen wissen, wo sie Trips machen können, die legal, safe, and vetted sind, kurz: sicher und von Fachpersonal beaufsichtigt.“
Das Ziel sei dabei, mehr in Richtung Kollaboration und über Referrals hinauszugehen. Mit Field-Trip in Amsterdam konnte Philippi bereits ihren ersten Kooperationspartner gewinnen. Dazu plant Philippi, Teile ihres Unternehmens in die Niederlande zu verlegen, um auch rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. „Wenn wir beispielsweise mit Field-Trip kollaborieren und Leute aus Deutschland zu angeleiteten Psilocybin-Trips nach Amsterdam bringen wollen, so wäre das Stand heute legal schwierig, um nicht zu sagen: illegal“, sagt Philippi.
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Psychedelika-Trips auf Firmenkosten
Parallel plane Philippi, mit ihrem New Health Club angeleitete Psychedelika-Experiences auch für Unternehmen anzubieten, als „Firmen- oder C-Level-Retreats“. B2C und B2B also. Eine weitere Maßnahme sei es, zusammen mit Field-Trip ein Programm zu entwickeln, das Menschen mit Covid-Schäden helfen soll – ein „Post-Covid-Relief“-Treatment.
Um weiter zu wachsen, sollen 2022 auch neue Investor:innen mit an Bord kommen. Aktuell besteht Philippis Team aus ihr und drei weiteren Mitarbeitenden auf Freelance-Basis, die sich in erster Linie um die Content-Produktion kümmern. „Mit den neuen Investor:innen wird sich einiges verändern, als nächstes würde ich einen COO einstellen. Und einen CFO“, sagt Philippi. „Ich weiß nicht, ob es ein klassisches Startup wird, allein wegen der aktuellen rechtlichen Situation. Aktuell sind wir am Ausloten, welches Business-Modell für Psychedelics zukunftsfähig ist.“