Startups: Warum jetzt nicht die Zeit für ungebremsten Optimismus ist

Sie sind innovativ und risikofreudig – die Gründerinnen und Gründer von Startups. Und sie sind volkswirtschaftlich relevant: Allein in Deutschland sind mehr als 100.000 Menschen in der Gründerszene beschäftigt. Und nicht zuletzt: Ihr Optimismus ist ansteckend, gerade für etablierte Unternehmen, die oft – allzu oft – in starren Bahnen feststecken.
Aber dieser Optimismus ist gefährdet in Zeiten der Coronakrise. Das teilen Startups mit allen Unternehmen, die unter gekappten Lieferketten, einbrechenden Märkten, Produktionsstopps, Kurzarbeit, Umsatzeinbrüchen und Liquiditätsengpässen leiden.
Aber dieser Optimismus könnte sogar gefährlich sein, wenn Gründer zu spät reagieren. Denn Startups wie auch Scaleups bauen ihr Geschäftsmodell meist auf einem hohen Finanzierungsbedarf auf, mit dem sie ihre enormen Wachstumsziele unterfüttern. Es gilt als sicher, dass diese Marktlogik in den kommenden Monaten nicht mehr greift. Dann haften Gründer wie jeder Unternehmer. Die jetzt beschlossenen Lockerungen des Insolvenzrechts helfen nur, wenn Gründer ihre Risiken richtig einschätzen und rechtzeitig gegensteuern.
Zwar haben sich deutsche Startups zuletzt äußerst erfolgreich um die Finanzierung durch Risikokapital bemüht. Dennoch verfügen die meisten von ihnen nach jüngsten Erhebungen im Durchschnitt nur über Rücklagen, die Gehaltszahlungen allenfalls für drei Monate sichern. Da reichen auch die jetzt in Aussicht gestellten Soforthilfen nur bedingt weiter. Zumal die Förder- und Hilftskredite bislang überwiegend persönliche Bürgschaften und damit die private Haftung der Geschäftsführer voraussetzen.
Keine Frage: Hart am Wind zu segeln, gehört quasi zur Jobbeschreibung von Gründern. Aber wir wissen auch, dass selbst bei ruhiger See jedes zweite Gründerteam mit seinem Boot kentert. Im Vergleich zu den Wellen, die die Coronakrise nun schlägt, ist die Fahrt durch das Bermuda-Dreieck ein Erholungstrip.
Jetzt ist zupackender Optimismus gefordert, der nicht die Augen vor den Risiken verschließt. Denn auch Gründer unterliegen den Bestimmungen der Geschäftsführerhaftung – und dazu gehört die Pflicht zur kontinuierlichen Beobachtung der finanziellen Lage und zur ständigen wirtschaftlichen Selbstprüfung. Wenn die Liquidität knapp wird und keine positive Fortführungsprognose dokumentiert werden kann, im Zweifel kein nachhaltiger Restrukturierungsplan vorgelegt werden kann, muss die drohende Insolvenz angezeigt werden.
Die Bundesregierung lockert mit der Aussetzung Insolvenzantragspflicht zunächst bis zum 30. September die Zügel. Dass enthebt aber nicht von der Notwendigkeit, rechtzeitig öffentliche Hilfen zu beantragen und Sanierungshandlungen aufzunehmen. Außerdem muss der zwingende Zusammenhang der Liquiditätskrise mit den Auswirkungen der Coronakrise dokumentiert werden. Insolvenzrecht ist eine komplexe juristische Disziplin. Hoher Wellengang und ein dichter Nebel von Unwissenheit, die sich auch erfahrene Unternehmer auf diesem Gebiet regelmäßig eingestehen müssen, sind eine riskante Kombination. Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Wer sich in dieser Phase von Profis beraten lässt, kann das persönliche Risiko deutlich reduzieren. Dabei geht es auch, aber nicht nur darum, für den Worst Case ein Rettungsboot vorzubereiten. Nur wer die Grenzen des Möglichen kennt, kann sie voll ausreizen.
Deshalb müssen Gründer jetzt das richtige Maß zwischen Optimismus und Risikovorsorge treffen. Es ist sicher besser, ein Jahr im Wachstumsplan zu verlieren als das gesamte Startup. In keinem Fall dürfen die Gründer privat untergehen, sonst verbauen sie sich die Chance auf einen Neustart. Wir brauchen die Innovationskraft der Gründer in der Krise und nach der Krise. Die Zeit für ungebremsten Optimismus wird zurückkehren.
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