Tegut-Urteil: Warum kassenlose Supermärkte in Hessen am Sonntag geschlossen bleiben
Ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs sorgt für Kopfschütteln und Verärgerung. Der VGH hat der Handelsgruppe Tegut untersagt, die automatisierten und personallosen Kleinstsupermärkte unter dem Namen Teo an Sonntagen zu öffnen. Das verstoße gegen das Ladenöffnungsgesetz, das dafür da ist, Beschäftigten den freien Sonntag zu schützen. Nach Auffassung des Gerichts bezweckt das hessische Ladenöffnungsgesetz nicht nur den Schutz der Arbeitnehmer:innen im Einzelhandel, sondern auch den Schutz der Sonn- und Feiertage als Zeiten der Arbeitsruhe.
Die Stadt Fulda hatte Tegut bereits im Herbst 2021 zur Schließung der Verkaufsautomaten angewiesen, da gemäß dem hessischem Ladenöffnungsgesetz Geschäfte an Sonn- und Feiertagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kund:innen geschlossen werden müssen. Ausgenommen davon sind explizit die beiden Tegut-Teo-Filialen an den Hauptbahnhöfen in Darmstadt und Hanau. Die Verkäufe an diesen Verkaufsstellen fallen unter Reisebedarf.
Die Stadt, so erklärt ein Sprecher gegenüber dem Hessischen Rundfunk sei angesichts der neuartigen Verkaufsform und der daraus resultierenden rechtlichen Bewertung unsicher gewesen. Man habe aber „das Projekt von Anfang an positiv begleitet“. Man habe nach Hinweisen und einer eingehenden Prüfung mit Stellungnahme des zuständigen Regierungspräsidiums Kassel und des hessischen Sozialministeriums die Schließlung angeordnet. Tegut zog daraufhin vor Gericht, unterlag aber auch in zweiter Instanz.
Gesetzgeber muss hier zeitgemäßes Gesetz schaffen
In der Tat zeigt sich, dass der Gesetzgeber hier einigen Nachholbedarf hat. Denn zum einen experimentieren verschiedene Handelsketten mit sehr unterschiedlich weit digitalisierten und automatisierten Formen des Warenverkaufs, für die kaum bis kein Personal für den laufenden Betrieb benötigt wird, zum anderen haben dem Vernehmen nach andere Bundesländer, darunter auch Bayern, für die Tegut-Teo-Märkte entsprechende Lösungen gefunden.
Bei dieser Art der kassenlosen Supermärkte handelt es sich um Geschäfte, die mit Hilfe einer App betreten werden – der Shopbetreiber kennt somit seine Kund:innen bereits, sodass Vandalismus oder Unfug weitgehend ausgeschlossen werden kann. Das Unternehmen erklärt, dass sonntags daher keinerlei Personal vor Ort sei – in wieweit das Nachfüllen und Abschachteln ausgehender Produkte an Sonn- und Feiertagen erfolgt, ist nicht bekannt.
Kund:innen können wie in einem normalen Supermarkt die Waren aus dem Regal nehmen, werden aber dabei durch Kameras beobachtet und abgerechnet. Dadurch entfällt der Kassierprozess und das Anstehen an der Kassenschlange. Insgesamt stehen bei Tegut Teo jeweils rund 950 Waren des täglichen Bedarfs bereit, was rund ein Zehntel dessen ist, was ein Supermarkt normalerweise bereithält.
Die deutschlandweit 39 Märkte, von denen sich 28 in Hessen befinden, sollen den schnellen Bedarf nach Standardprodukten decken und erzielen dem Vernehmen nach deutlich kleinere Warenkörbe als herkömmliche Supermärkte. Ähnlich wie inzwischen Amazon mit seinen Go-Märkten fokussiert man sich hier auf den schnellen spontanen Einkauf in der Mittagspause oder, wenn man mal etwas vergessen hat – und das mit Stammkund:innen, die per App bekannt sind.
Etwas anders gelagert ist der Fall bei Rewe Pick & Go, einem vollständig begehbaren Supermarkt, den es bislang erst an vier Standorten in Köln, München und Berlin gibt. Während die Münchner Filiale theoretisch ähnlich automatisiert und App-only betrieben wird, sind die anderen Filialen hybrid mit wahlweise klassischem Bezahlvorgang und Zugang sind. Warum die Münchner Filiale nur bis 20 Uhr geöffnet ist und sonntags zu bleibt, erklärt das Unternehmen mit unternehmerischer Entscheidung.
Generell verfolgen solche Supermärkte, die mit möglichst wenig oder weiträumig agierendem Personal zur Bereitstellung der Waren auskommen, zwei Ziele: Entweder geht es um die oben beschriebene möglichst schnelle und reibungslose Versorgung an zentralen Plätzen oder aber um die Nahversorgung in strukturschwachen Gebieten, in denen sich herkömmliche Geschäfte nicht mehr rechnen.
Hessisches Tegut-Urteil kein Grundsatzurteil
Interessant ist aber auch, dass das Urteil nicht zwingend als Grundsatzurteil verstanden werden darf, sondern nur zwischen den beiden Parteien in eben jenem Kontext bindend ist – hier dafür keine weiteren Instanzen möglich sind. Komplett aufgeben will Tegut allerdings auch in Hessen trotzdem nicht, was die Sonntagsöffnung betrifft: „Wir halten nach wie vor an Teo fest und hoffen auf eine Modernisierung des hessischen Ladenöffnungsgesetzes“, erklärt ein Sprecher gegenüber den Medien.
Denkbar ist in dem Zusammenhang gerade in Hessen mit der neuen Landesregierung eine Neuregelung des Ladenöffnungsgesetzes mit „einer zeitgemäßen und auf die Lebenswirklichkeit der Menschen abzielenden Regelung“, die zugleich den Sonntagsschutz der Mitarbeitenden sicherstellt. Umgekehrt nämlich dürfen Wettbüros und Spielhallen nämlich auch in Hessen am heiligen Sonntag durchaus geöffnet werden – und auch über das sonntägliche Deaktivieren von Zigarettenautomaten ist nichts bekannt. Zumindest Letztere sind angesichts ihrer Automatisierung mit den App-basierten Einkäufsmärkten durchaus vergleichbar.
Rede über deinen Fundamentalismus, Deutschland!
Es muss nicht gefallen, dass man auch Sonntags shoppen gehen kann, aber der Artikel zeigt ganz gut die Widersprüche in der Gesetzesgebung auf…
Ich Grosstädter geh dann mal weiterhin sonntags in meinen Späti, der seit Jahren zivilen Ungehorsam betreibt.