Tempolimits für Pedelecs: Im Zweifel runter von den Radwegen

Amsterdam ist die Fahrrad-Stadt schlechthin, doch illegal getunte E-Bikes werden zum Problem. (Foto: Dutch_Photos / Shutterstock)
Brauchen Pedelecs ein Tempolimit? In Amsterdam wird das gerade diskutiert. Dort soll eine – freiwillig zu installierende – App die Radelnden warnen, wenn sie zu schnell an einer Schule oder einem Kindergarten vorbeifahren. Das niederländische Townmaking-Forschungsinstitut geht noch weiter: Es denkt darüber nach, die Motorunterstützung bei Pedelecs in sensiblen, vorab definierten Gegenden per Fernsteuerung automatisch abzuregeln.
Der Vorschlag ist ziemlich bizarr: Er würde unter anderem eine standardisierte Onlineschnittstelle zu jedem Pedelec-Motor erfordern sowie ein rechtliches Konstrukt, das eine solche automatische Drosselung erlaubt. Daneben stellt sich die Frage, warum ausgerechnet Fahrräder zwangsgebremst werden sollen, während Autofahrende weiterhin unbehelligt durch Wohnviertel heizen können, solange sie sich nicht erwischen lassen. Zudem besteht das größte Problem in Amsterdam offenbar in illegal getunten Fatbikes. Wer aber ohnehin bereit und in der Lage ist, sein Fahrrad zu hacken, wird sich von Geofencing wenig beeindrucken lassen.
„Geofencing im Fahrbetrieb nicht zulässig“
Auch in Athen, Mailand und München sollen laut niederländischen Medien ähnliche Versuche wie in Amsterdam stattfinden. Worin sie genau bestehen, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen.
„Eine Einflussnahme in den Fahrbetrieb von Fahrzeugen durch Geofencing ist in Deutschland durch das Kraftfahrt-Bundesamt nicht zulässig“, teilt das Mobilitätsreferat der Stadt München auf Anfrage mit. „Die technische Möglichkeit einer automatischen Geschwindigkeitsvorgabe durch Geofencing besteht allerdings und wird in anderen EU-Staaten auch angewendet. Im Projekt MetaCCAZE, in dem auch die von Ihnen genannten Städte involviert sind, wird Geofencing für den ruhenden Verkehr und die flexible Bereitstellung von Flächen für unterschiedliche Nutzungen angewendet.“ Per Geofencing soll also lediglich festgelegt werden, wo man beispielsweise Leihräder oder -Scooter abstellen darf. Mit Tempokontrolle hat das wenig zu tun.
Die Hinweise, wie gefährlich Pedelecs wirklich sind, sind nicht ganz eindeutig. „Bezogen auf 1000 Pedelecunfälle mit Personenschaden kamen im Jahr 2021 7,6 Fahrerinnen und Fahrer ums Leben, bei einem nichtmotorisierten Fahrrad waren es 3,5 Getötete“, schreibt das Statistische Bundesamt. Das sei jedoch auch auf höhere Durchschnittsalter der Verunglückten zurückzuführen. In dem Maße, in dem mehr Jüngere auf Pedelecs umsteigen, sinke auch die Unfallquote.
Pedelecs schaffen tatsächlich Probleme
Dreht sich die Geschwindigkeitsdebatte also nur um ein Pseudoproblem? Nicht ganz. Pedelecs schaffen tatsächlich Probleme, besonders auf alten, schmalen Hochbordradwegen. Selbst 25 Kilometer pro Stunde sind dort oft zu schnell. Die Lösung dafür liegt auf der Hand:
- Bessere Radwege
- Eine komplette Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht
Theoretisch gilt zwar heute schon, dass Radwege nur unter bestimmten Bedingungen benutzungspflichtig sind. Ich kenne aber aus eigener Anschauung genug Beispiele, wo geradezu abenteuerliche Wegeführungen – etwa direkt über eine Bushaltestelle – noch von einem blauen Gebotsschild geziert sind. Weg damit!
Ist ein Radweg attraktiv genug, wird er automatisch genutzt. Ist er es nicht, sollte es allen Radelnden freistehen, nach eigenem Ermessen die Fahrbahn zu nutzen, wenn ihnen das sicherer erscheint. Fahren auf der Fahrbahn entschärft auch Konflikte mit Fußgängern, zumindest bei schlecht angelegten Radwegen. Damit verbunden sein sollte auch eine Informationskampagne für Automobilisten, damit man dort nicht dauernd angehupt wird. Das dürfte auch die Nutzerinnen und Nutzer von Speed-Pedelecs (bis 45 Kilometer pro Stunde) freuen, die nach derzeitigem Recht verpflichtet sind, auf der Fahrbahn zu fahren.
Man hätte einfügen können, dass anders als in Deutschland in den Niederlanden seit jeher oft auch Mopeds auf den Radwegen fahren (dürfen).