Digitale Transformation: Unternehmenskultur bleibt „größte Herausforderung”
Unternehmen und auch der öffentliche Sektor im deutschsprachigen Raum kommen bei der Digitalisierung voran, wenn auch eher langsam. Zu dieser Erkenntnis kommt die Studie „Roboter, Rebellen, Relikte. Überkommene Strukturen behindern die Digitale Transformation.” der Management- und Technologieberatung Bearing Point, für die 310 Teilnehmer aus Unternehmen und Behörden im deutschsprachigen Raum befragt wurden.
Trotz der Fortschritte sei allerdings in vielen Bereichen noch unklar, „wohin die digitale Reise gehen” solle, heißt es. Über alle Industrien hinweg seien bisher „nur in wenigen Ausnahmefällen” vollständige Ziele und Digitalisierungsstrategien definiert.
Unternehmenskultur entscheidend
Während nach Angaben der Studienautoren im Vorjahr noch technologische Aspekte fokussiert wurden, sei in den vergangenen zwölf Monaten das Thema Strategie in den Vordergrund gerückt. Für mittelständische Firmen würden Technologien zwar weiterhin eine wichtige Rolle spielen, heißt es von Bearing Point – größere Unternehmen hingegen hätten bereits die Bedeutung von neuen Geschäftsmodellen erkannt.
Damit sei die Einsicht gereift, welche Faktoren für den Erfolg der Digitalen Transformation entscheidend seien, nämlich Unternehmenskultur, Organisationsstruktur sowie individuelle Einstellungen der Entscheider und Mitarbeiter, wie etwa Experimentierfreude und Inspiration.
Fortschritte bei der Kundenorientierung
Fortschritte, sagen die Autoren, würden sich vor allem in der Kundenorientierung abzeichnen: „Bereits bei unserer Studie im Jahr 2016 wurde deutlich, dass Unternehmen mithilfe der Digitalisierung speziell auch ihre Kundenangebote verbessern wollen”, sagt Carsten Schulz, Partner bei Bearing Point.
Dieser Trend habe sich fortgesetzt. Eine Vielzahl von Unternehmen würden ihren Kunden mittlerweile unterschiedliche Vertriebs- und Kontaktkanäle anbieten und bei Prozessen auf neue digitale Technologien setzen, um das Kundenerlebnis zu verbessern.
Die „mit Abstand größten Herausforderungen” wurden laut Studie innerhalb der eigenen Organisation identifiziert. „Besorgniserregend” sei die Selbsteinschätzung der Befragten im Bereich Organisationkultur, kommentiert Alexander Broj, Partner bei Bearing Point. Ein Großteil der Befragten sehe sich noch in traditionellen Organisationsstrukturen verhaftet und vermisse eine zeitgemäße, agile und horizontale Projektkultur.
Autoren: Befunde „bedenklich“
Für die Erfolgsaussichten der Digitalen Transformation seien diese Befunde „bedenklich”, wie die Studienautoren schreiben. Ohne die richtigen Voraussetzungen seien Digitalisierungsbemühungen quasi sinnlos. Immerhin: Eine gewisse Einsicht ist offensichtlich vorhanden: „Drei Viertel der Befragten schätzen viele Probleme als hausgemacht ein”, sagt Broj.
Wie auch im vergangenen Jahr spiele Geld dabei „eine untergeordnete Rolle”. Die Herausforderung liege vielmehr darin, „kulturelle und strukturelle Aspekte so anzupassen, dass eine Bereitschaft zur Veränderung entsteht”, heißt es.
Sonst würden digitale Innovationen weiterhin Inselprojekte bleiben, kommentiert man in der Studie. Finanziell seien sie zwar „ausreichend ausgestattet”, und auch die Unterstützung durch das Management sei „vorhanden” – allerdings würden die richtigen Netzwerkstrukturen fehlen, um sie im gesamten Unternehmen zu verankern.
Veraltete IT-Systeme als Hemmnis
Als ein weiteres Hemmnis bezeichnen die Studienautoren von Bearing Point veraltete IT-Systeme. Dabei gehe es weniger um Software-Systeme als vielmehr um „Datenbanksilos”, die den Wissensaustausch im Unternehmen „durch zu wenige Schnittstellen behindern”, wie es heißt.
Das habe gravierende Auswirkungen auf alle Bereiche und Industrien, denn letztendlich könnten die Unternehmen so den größten und wertvollsten Rohstoff des 21. Jahrhunderts nicht nutzen: Daten.
Viele Chancen „weitgehend unerkannt”
Dass grundlegende strukturelle Veränderungen bisher nicht eingetreten seien, zeige auch ein weiteres Ergebnis der Befragung: Chancen, die etwa Automatisierungsprozesse bieten würden, seien bislang „weitgehend unerkannt”, heißt es.
Unternehmen hätten eher klassische Erwartungen an Automatisierung und versprächen sich vor allem „eine höhere Effizienz von Arbeitsabläufen”, „geringeren Personalbedarf” und „niedrigere Kosten”. Weitere Vorteile wie beispielsweise neue Leistungen, Produkte oder neue Geschäftsmodelle würden bislang „kaum in Betracht gezogen”, heißt es in der Studie.
Die kulturellen Defizite zeigen sich angeblich auch bei all jenen Mitarbeitern, die als digitale Visionäre gelten. Seien 2016 noch viele Unternehmen auf der Suche nach dem digitalen Heilsbringer gewesen, sei man in den vergangenen Monaten zur Einsicht gelangt, dass visionäre Köpfe als Einzelpersonen „wenig Handlungserfolg” hätten, heißt es.
Mangelhaftes Recruiting
Vielmehr müsse es endlich darum gehen, „eine kritische Masse an digitalen Visionären” in die Organisation zu integrieren, schreiben die Studienautoren. „Digitale Vordenker werden allerdings nicht systematisch gesucht, und es fehlt bereits im Recruiting an Maßnahmen zur Förderung von digitalen Visionären”, sagt Schulz.
Somit gebe es nicht nur zahlenmäßig wenige Vordenker – diese würden auch „unzureichend eingebunden” und hätten kein unterstützendes Netzwerk. Dies wiederum mache sie „zu großen Teilen handlungsunfähig”. Ihre potenzielle Kraft, etwas im Unternehmen zu ändern, sei daher „eher gering”, heißt es.
Die Studie „Roboter, Rebellen, Relikte. Überkommene Strukturen behindern die Digitale Transformation.” wurde von Mitte April bis Mitte Juli 2017 durchgeführt und umfasste nach Angaben von Bearing Point rund zehn Prozent mehr Teilnehmer als im Vorjahr.
Insgesamt seien 310 Mitarbeiter aus Unternehmen und Behörden im deutschsprachigen Raum befragt worden. Die Online-Befragung sei durch 17 vertiefende Interviews ergänzt worden. Mehrheitlich hätten Führungskräfte mit Personalverantwortung teilgenommen, darüber hinaus aber auch Mitarbeiter ohne Personalverantwortung.
Die Teilnehmer kamen aus unterschiedlichsten Branchen. Stark vertreten waren unter anderem die Industrien Produktion und Logistik, Finanz- und der öffentliche Sektor.
In Japan verfolgt man einen viel versprechenden Ansatz: Alte Leute über 45 werden nicht mehr in die Geschäftsführung berufen, sondern langsam auf Beraterposten abgeschoben.
Ich finde diese Befragungen immer höchst interessant. Vor einigen Jahren hat unser TopManagement mal einen Berater engagiert, welche in unserer IT (da sitze ich mit drin) endlich mal eine moderne Plattform für Zusammenarbeit etabliert. Lustig war dann so ziemlich das erste Gespräch, wo sich schnell herausstellte, das sein Ziel in unserer Vergangenheit liegt, alles was als Vorschlag im Konzept kam, war bereits umgesetzt. Am Ende ging der Berater .. er war wirklich nicht schlecht .. aber mit einer Idee von uns und baute darum ein Produkt auf.
Was lernen wir daraus: Wer das Management befragt ist selbst Schuld und nichts ist weniger Wert als die eigenen Fachkräfte, egal auf welchem Niveau diese sich befinden.
„Culture eats strategy for breakfast „. Drucker ist aktueller denn je.