P2P-Carsharing: So will Daimler-Startup Turo zur Nummer eins in Deutschland werden
Ohne Daimler wäre der Deutschlandstart für Andre Haddad nicht ganz so einfach. Der Geschäftsführer des US-Startups Turo müsste dann ganz von vorne anfangen und die Bundesbürger erst einmal davon überzeugen, ihr Auto an andere zu vermieten. Aber durch die Kooperation mit dem deutschen Autokonzern hat sich für Turo eine einfachere Variante ergeben: Zum Deutschlandstart wird das Daimler-Portal Croove in Turo integriert. Die bisherigen Croove-Kunden werden gefragt, ob sie nicht zu dem US-Anbieter wechseln wollen. Haddad glaubt deshalb an einen „Jumpstart“.
Für Turo hat die Zusammenarbeit auch noch einen anderen Vorteil: Das 2009 gegründete Unternehmen muss sich mit einem Wettbewerber weniger in der Bundesrepublik herumschlagen. Denn auch wenn sich die US-Amerikaner als Pioniere des Peer-to-Peer-Carsharing bezeichnen, sind sie längst nicht mehr die einzigen Unternehmer, die die Idee der Privatauto-Vermietung betreiben. In Deutschland konkurrieren sie unter anderem mit dem französischen Anbieter Drivy, dem niederländischen Unternehmen Snappcar und dem DHDL-Kandidaten Getaway.
Turo: Viel Kapital, aber ein großes Problem
Trotzdem sieht sich Haddad in der besseren Ausgangslage. „Keines der anderen Unternehmen hat bisher eine starke Position in Deutschland erreicht“, sagt der CEO im Gespräch mit t3n.de. Turo sei hingegen weltweit Marktführer im Bereich des P2P-Carsharings. Das Startup hat nach eigener Aussage fünf Millionen Kunden und mehr als 200.000 gelistete Autos auf seiner Plattform. Zum Vergleich: Drivy spricht von 1,5 Millionen Nutzern und 45.000 Fahrzeugen, Snappcar gibt 250.000 Kunden und 30.000 Fahrzeuge an, Getaway kommt derzeit auf 10.000 registrierte Nutzer sowie etwa knapp 5.000 gelistete Autos. Für Haddad ist die große Kundenzahl ein Vorteil: Man könne mehr Daten auswerten und dadurch ein besseres Produkt anbieten.
Was auch für die US-Amerikaner spricht: das Kapital. Knapp 200 Millionen US-Dollar haben sie bislang von Risikokapitalgebern eingesammelt, schon früh entdeckte der prominente US-Investor Kleiner Perkins das Startup, Daimler beteiligte sich 2017 an einer großen Runde. „Das ist drei Mal so viel Kapital, wie unsere Konkurrenten zusammen erhalten haben“, so Haddad. Am ehesten kann noch Drivy mithalten, die Franzosen erhielten bislang 43 Millionen Dollar von Investoren. Aber: Carsharing sei ein kapitalintensives Geschäft, die Kundenakquise sehr wichtig, sagt Haddad. Mit dem großen Batzen Geld ließe sich ordentlich Marketing betreiben. Das kann tatsächlich ein Vorteil für Turo sein.
Dass das Unternehmen mit deutschen Konzernen wie Daimler und der Allianz zusammenarbeitet, könnte ihm zudem eine gewisse Seriosität verleihen. Die Allianz versichert die Autobesitzer gegen mögliche Schäden. Bis zu 75.000 Euro können sie im schlimmsten Fall zurückerhalten – höher dürfe der Wert eines Fahrzeugs auf der Plattform ohnehin nicht liegen, wie Deutschlandchef Marcus Riecke sagt. Sollte ein Nutzer einen Unfall bauen, kann er den Schaden am Fahrzeug bei Turo melden. Die Plattform kümmert sich dann um die Erstattung. Auch an Haftpflicht und Pannenhilfe ist gedacht. Aber reicht das aus, um genügend Menschen hierzulande von der Vermietung ihres Vehikels zu überzeugen?
Zwar funktionieren diverse Carsharing-Modelle wie Drive Now oder Car2go in Deutschland. Aber bei den Anbietern müssen die Nutzer auch nicht ihr eigenes Auto zur Verfügung stellen, sondern können auf die Flotte vom BMW beziehungsweise Daimler zurückgreifen. Zwar sind die Kunden auch bei Turo nicht verpflichtet, ihr Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. Aber wenn sie das machen, gehen sie ein gewisses Risiko ein – im schlimmsten Fall droht ein Diebstahl. Denn tracken lässt sich das Fahrzeug bislang nicht. Auf Nachfrage sagt Haddad, dass die Frage nach der Sicherheit viele umtreibe.
Um die Sorgen der Autobesitzer zu zerstreuen, hat Turo auf seiner Plattform eine ähnliche Funktion wie Airbnb gebaut: Das Profil einer Person, die ein Auto mieten will, kann vorab eingesehen werden, inklusive Bewertungen. Außerdem können Autobesitzer mit möglichen Nutzern vorab in Kontakt treten. Sowohl vor der Abfahrt als auch nach der Rückgabe können sie zudem den Zustand des Fahrzeugs fotografisch dokumentieren, sodass etwaige Mängel nachweisbar sind.
Keine Kommission in den ersten sechs Monaten
Um die Skepsis zu reduzieren und den Deutschen die Idee zu verkaufen, wirbt Turo mit dem Verdienst, der sich erzielen lässt: „Du kannst dein Auto für dich arbeiten lassen“, sagt Haddad. Manche Autobesitzer verdienten so mehrere Tausend Dollar im Monat. Den Mietpreis legt die Plattform fest, in den ersten sechs Monaten bekommen die deutschen Autobesitzer den vollen Betrag überwiesen. Das ist allerdings nur das Anwerbungsprogramm. Ab Sommer nimmt die Plattform eine Kommission: Der Autobesitzer bekommt dann noch 75 Prozent des Preises, wenn er den vollen Versicherungsschutz von Turo in Anspruch nimmt. Wer einen gewerblichen Versicherungsschutz hat, bekommt 90 Prozent.
„Wir sind nicht die typische US-Company, die nach Europa expandiert.“
Als Unternehmen aus den USA dürfte Turo aber eine gewisse Grundskepsis bezüglich des Datenschutzes entgegenschlagen. Die Frage ist, ob die Deutschen nicht lieber ein europäisches Unternehmen als einen US-Anbieter ausprobieren. Diese Skepsis ist für Haddad nicht neu, er hat selbst in Frankreich ein Startup hochgezogen. Das Image des großen Datenkraken will er deshalb vermeiden. „Wir sind nicht die typische US-Company, die nach Europa expandiert“, sagt er. Die Informationen der Kunden würden nicht in den USA gespeichert, Turo halte sich an den deutschen Datenschutz.
Turo selbst bezweifelt den eigenen Erfolg in Deutschland nicht. Ende 2018 wolle man Marktführer hierzulande werden, kündigt das Startup in einer Pressemitteilung zum Launch an. Der Jumpstart ist zumindest gemacht.
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