Gamer streiten: Ist das UI in Videospielen heute zu langweilig? Das sagen Entwickler
Früher war alles bunter, verschnörkelter – hatte mehr Charakter. So zumindest die Meinung vieler Gamer, wenn sie an das User Interface vor zehn oder 20 Jahren denken. Also etwa der Balken, der die Lebensenergie der Figuren anzeigt. Oder die Anzeige, wie viel Munition noch in einer Waffe steckt. War früher wirklich alles (am UI in Videospielen) besser?
Derzeit macht ein Beitrag auf X die Runde. Darin sammeln User Screenshot von UI, die zeigen sollen: Heute ist das alles langweilig. Besonders anhand von Remakes sei dies zu erkennen, in denen das User Interface an Originalität verloren habe. “Es ist, als hätte man die Spiele ihrer Seele beraubt”, schreibt eine Userin.
Wir sehen etwa Resident Evil 4. Im Original von 2005: die comichafte Silhouette einer Patrone, daneben in großen Ziffern die noch vorhandene Anzahl. Im Remake von 2023: das Icon einer Pistole, sehr schlicht. Oder Sonic: früher sind da geschwungene Lebensbalken mit goldenen Ringen. Heute nur noch ein blauer Strich, der die Lebenskraft anzeigen soll.
Kein Wilder Westen mehr
Diese und viele weitere Beispiele ziehen die User im X-Thread heran. Und es stimmt auch: Das User Interface ist über die Jahre in vielen Fällen deutlich simpler geworden. Verzichtet auf überflüssige Details und Schnörkel. “In der Vergangenheit gab es bei Spiele-UIs oft keine einheitlichen Standards, wodurch ein „Wilder Westen“ entstand, wo Coolness oft über Funktionalität stand. Durch die Professionalisierung hat sich eine einheitliche UI-Sprache entwickelt”, sagt Nikolas Crisci, Software Engineer und Game Designer, der als PartTimeIndie Indie-Spiele entwickelt.
Es gehe heute darum, vertraute und einheitliche Elemente zu nutzen, damit die Spieler sich ganz auf das Geschehen konzentrieren könnten, ohne sich jedes Mal wieder neue UI-Elemente aneignen zu müssen.
Ähnlich sieht es auch Benjamin Lochmann, CEO von Pixel Maniacs: “Früher war es ein Qualitätsmerkmal, ein möglichst feines Bild darstellen zu können. Daher strahlte ein Logo mit vielen Details Qualität aus. Das Limit dessen, was das menschliche Auge an Pixeln sehen kann, ist mittlerweile erreicht. Jetzt rückt vermutlich mehr in den Fokus, wie gut eine Software bedienbar ist”, sagt er.
Nicht nur in Videospielen
Reduzierte UIs sind also ein Zeichen dafür, dass möglichst viele Menschen verstehen sollen, was sie da sehen – und wie sie mit einer Anwendung interagieren können. Tatsächlich ist das nicht nur bei Videospielen der Fall. Egal, ob Browser oder Apps: Das User Interface ist heute überall reduzierter und übersichtlicher. Die User sollen es eben schnell wiedererkennen und möglichst auch auf mobilen Endgeräten nutzen können.
Aber auch aus der Perspektive der Entwickler ist diese Schlichtheit von Vorteil. “UI kann in der Entwicklung manchmal ein technisches Sorgenkind sein. Da ist es denkbar, dass hier einfach die Arbeit vereinfacht wird”, sagt Paul Lawitzki, Coder und Game Designer bei Chasing Carrots. Im Falle von Remakes käme auch hinzu, dass diese oftmals nicht von denselben Entwicklern produziert würden wie die Originale. “Dadurch hat das UI wohl auch einfach einen anderen Stellenwert”, sagt er.
Mehr Menschen ansprechen, die Arbeit vereinfachen und Programme auf allen Endgeräten benutzbar machen – das alles sind Gründe dafür, wieso einigen Gamern die heutigen UIs zu langweilig sind. Die meisten dürften diese Veränderung aber gar nicht bemerkt haben. Und das ist auch richtig so.
Es geht um Zugänglichkeit
Wenn in einem Videospiel etwas gut von der Hand geht, dann fällt es nicht auf. Ein Tutorial erklärt besonders effizient? Eine Spielmechanik fühlt sich intuitiv an? Und ein UI macht einfach nur seinen Job, den Spielern das Nötigste an Informationen mitzugeben? All diese Dinge machen ein gutes Videospiel aus – eben weil sie nicht auffallen.
Sie sorgen vielmehr dafür, dass ein Spiel funktioniert. Ohne dass es den Gamern ins Auge fällt. “Moderne Designs bemühen sich heutzutage mehr um Lesbarkeit und Accessibility als damals”, sagt Marius Winter. Als Game Designer hat Winter an Spielen wie Say No! More oder Minute of Islands mitgearbeitet.
“Es stimmt, UI war früher öfter „knalliger“ und einzigartiger, hatte oft mehr Charakter als die UI von heutigen AAA Spielen. Ich sehe darin aber kein „Problem“, sondern denke einfach, dass das der normale Wandel von Designvorlieben ist”, so Winter.
Accessibility, also Zugänglichkeit, ist dabei ein wichtiges Stichwort. Ein gutes UI denkt nämlich an alle Menschen. Etwa auch an jene mit Seh- oder kognitiven Behinderungen. Dafür muss ein UI aber möglichst simpel sein, um es gut lesen zu können. Das mag für einige langweilig sein. Für andere aber macht es das Spielen einfacher.