Die wichtigste Frage zu Beginn: Wie wollt ihr eigentlich aussehen? Einen langen Rock, eine randlose Brille und eine grüne Bluse? Und in welcher Sprache soll eigentlich Nein gesagt werden? In welcher Stimmfarbe? Sind diese Fragen in einem kleinen Charakter-Editor geklärt, die eigene Spielfigur erstellt, kann die Reise in die beschwerliche Berufswelt beginnen. Als neue Praktikantin in einem Großraumbüro, in dem sehr wichtige Dinge erledigt werden, sagt der Vorgesetzte euch: „Das Beste, was ihr tun könnt, ist immer Ja sagen.“ Doch euch kommen da schnell Zweifel.
„Say No! More“ ist ein Spiel von Studio Fizbin, das in Ludwigsburg ansässig ist. Das kleine Studio proklamiert, das erste NPG entwickelt zu haben: ein No!-Playing-Game, angelehnt an das beliebte RPG-Genre, das Role-Playing-Game. Eure Aufgabe ist es, in kurzer Zeit zu entscheiden, zu welchen Aufgaben ihr Nein sagt. Ihr stapft durch das Großraumbüro, werdet von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen angehalten und lernt, laut und deutlich zu sagen, was ihr von ihren Forderungen haltet.
„Praktikumskraft, entsorge diese benutzten Taschentücher“, sagt etwa ein Mitarbeiter in zu eng sitzender Krawatte. „Du musst meinen Tisch sauber machen“, brüllt euch eine andere zu. Und dann ist es an euch, zu entscheiden, ob ihr das auch wirklich wollt. Dafür gibt euch das äußerst amüsante Spiel mehrere Optionen an die Hand. Ihr könnt erhitzt Nein sagen, eiskalt oder sogar gelangweilt. Ihr könnt alle Kraft sammeln, um euer Nein besonders laut ins Gesicht der anderen Person zu brüllen. Oder ist etwas Demoralisierung gewünscht? Wieso vor dem Nein nicht erstmal die Person auslachen? Sie höhnisch beklatschen oder ein Ja vortäuschen, um dann direkt zu einem vernichtenden Nein zu wechseln?
Für die Pause im Homeoffice
Doch Obacht: Im Laufe des Spiels kommen euch immer wieder Menschen entgegen, denen ihr nicht sofort ein Nein entgegenschmettern solltet. So will euch ein erschöpfter Mitarbeiter von seinen Plänen erzählen, wenn er endlich seinen Job gekündigt hat. Eine andere will euch die schöne Statue zeigen, die sie gebaut hat. Und um die Ecke wartet schon jemand, der ein Wett-Starren mit euch austragen will. Es wäre doch herzlos, ihnen diese Wünsche auszuschlagen, oder?
„Say No! More“ ist ein simples Spiel, das euch auf Anhieb sehr viel Freude bringen kann. Mit teils brachialem, teils sehr feinem Humor dürfte es euch die Pause im Homeoffice deutlich versüßen. Das Schöne ist: Je weiter ihr im Spiel kommt und immer mehr Möglichkeiten lernt, deutlich nein zu sagen, desto weiter steigt ihr auf. Am Anfang mögt ihr Praktikantin sein – doch wartet nur ab, denn die Chefetage könnte eure Bestimmtheit so beeindruckend finden, dass sie euch direkt befördert. Oder wollt ihr das etwa gar nicht?
Neben all dem Spaß, den „Say No! More“ wirklich macht (und wir hatten sehr viel Spaß), bringt es auch noch eine nicht unwichtige Message rüber: Nimm deinen Job vielleicht nicht immer so ernst. Gerade jetzt, da viele im Homeoffice sitzen und den Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit vielleicht gar nicht mehr richtig spüren können, ist es essenziell, Nein sagen zu können. Nein zu den Aufgaben, die man einfach nicht mehr schafft; Nein zu den Überstunden; Nein auch zu den kleinen, netten Gefälligkeiten, die immer wieder erbeten werden. „Denk daran: Du brauchst weder Arbeit noch Kapitalismus, um dich selbst zu verwirklichen“, sagt euer Lehrmeister an einer Stelle des Spiels. Wir empfehlen euch, in dieses Spiel mal NEINzuspielen.