Umweltverschmutzung: Wissenschaftler entdecken Superwurm, der von Styropor leben kann

Würmer, die Plastikmüll verputzen – das klingt nach einer irgendwie romantischen Lösung des Problems der Umweltverschmutzung. Mittlerweile dürfen wir davon ausgehen, dass nicht nur jedes Meereslebewesen mehr oder weniger stark mit Plastik belastet ist. Auch in der Luft, die wir alle atmen, konnten jüngst Plastikpartikel nachgewiesen werden.
Da die Verschmutzung durch Kunststoffe in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich noch zunehmen wird, besteht ein dringender Bedarf an der Entwicklung nachhaltiger Recycling- und Upcyclingverfahren für diese Abfälle, zu denen auch das für die Herstellung von Styropor verwendete Polystyrol gehört. Zur Lösung könnte nun eine Spezies beitragen, von der wir das vielleicht nicht als allererstes erwartet hätten – die Superwürmer.
Enormer Appetit auf Polystyrol
Denn Wissenschaftler haben nun nachgewiesen, dass die Larven der Käferart Zophobas morio, die als „Superwürmer“ bekannt sind, dank der Mikroben in ihren Eingeweiden auf Polystyrolfutter überleben können. In einer am Donnerstag im Wissenschaftsjournal Microbial Genomics veröffentlichten Studie zeigen sie, dass die Superwürmer dabei nicht etwa besonders robuste Eingeweide haben.
Vielmehr sind es schlicht die in ihrem Verdauungstrakt lebenden Mikroben, die das Phänomen ausmachen. Die Käferlarven überlebten dank der Enzyme in ihren Eingeweiden auf einer reinen Styropor-Diät. Das hat das Team um Chris Rinke, Dozent am Australian Center for Ecogenomics (ACE) an der University of Queensland festgestellt.
Um zu dieser erstaunlichen Erkenntnis zu gelangen, hatten sie drei Testgruppen mit Würmern gebildet. Die eine Gruppe erhielt nichts zu fressen, die andere wurde mit Kleie gefüttert und die Dritte erhielt ausschließlich Polystyrol. Letzteres erwies sich zwar erwartungsgemäß als eher ungeeignetes Nahrungsmittel, führte aber zu einem leichten Gewichtsanstieg bei den so gefütterten Würmern, was beweist, dass diese ihre Nahrung in Energie umsetzen konnten.
Per Gensequenzierung zum Bioreaktor
Völlig neu ist die Erkenntnis nicht, wie Rinke in einer E-Mail an Vice einräumt:
„Insektenlarven haben tatsächlich eine gute Erfolgsbilanz beim Verzehr von Kunststoffen. In ersten Studien anderer Autoren wurde berichtet, dass Wachswürmer und Mehlwürmer Plastik fressen können. Wir dachten also, wenn diese eher kleinen Larven dazu in der Lage sind, dann könnten die großen Superwürmer (bis zu 5,5 cm) noch effizienter sein, wenn es um das Fressen von Plastik geht. Dabei stellte sich heraus, dass Superwürmer sogar einen großen Appetit auf Styropor haben.“
Was ihm und seinem Team Sorge bereitet hätte, sei die Frage gewesen, ob die Superwürmer die Diät letztlich überleben würden – eine Sorge, die sich als nicht völlig unbegründet erweisen sollte. Denn die Forschenden fanden in den Eingeweiden der Würmer potenziell „pathogene Bakterien, was darauf hindeutet, dass die Styropor-Diät negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Wurms hat“. Das Team schlägt die Zugabe von Lebensmittelabfällen oder landwirtschaftlichen Bioprodukten vor. „Das könnte eine Möglichkeit sein, die Gesundheit der Würmer zu verbessern“, so Rinke.
Enzym-Engineering soll Verfahren noch verbessern
Am Ende sind es aber gar nicht die Superwürmer, um die es den Forschenden geht. Vielmehr haben sie das Darmmikrobiom der Würmer gensequenziert, um es später losgelöst von Wirten in Bioreaktoren für das Kunststoffrecycling zu nutzen.
„Wir haben jetzt einen Katalog aller bakteriellen Enzyme, die im Darm des Superwurms kodiert sind, und planen, die Enzyme, die Polystyrol abbauen können, weiter zu untersuchen“, so Rinke. „Wir werden sie in den nächsten Jahren genauer charakterisieren, um die effizientesten Enzyme zu finden, die dann durch Enzym-Engineering noch weiter verbessert werden können.
Dann soll das Enzym-Portfolio „künstlich nachgeahmt und in großem Maßstab für den Einsatz in Bioreaktoren und anderen kunststoffverarbeitenden Anlagen nutzbar gemacht werden“. Damit würden die Superwürmer entbehrlich. Stattdessen sollen spezielle Anlagen „die Kunststoffabfälle mechanisch zerkleinern, gefolgt von mikrobiellem Abbau in Bioreaktoren und anschließender mikrobieller Produktion von höherwertigen Verbindungen wie Biokunststoff.“ Das werden das Kunststoffrecycling wirtschaftlich rentabler machen und neue Anreize für das Kunststoffrecycling schaffen.