Studie: 4 von 10 Angestellten sind zu unethischem Verhalten bereit – wenn Vorgesetzte das fordern

Korruption, Diebstahl, Mobbing oder Greenwashing sind nicht nur moralisch und ethisch bedenklich, sondern fügen Unternehmen – sofern sie ans Licht kommen – auch großen wirtschaftlichen Schaden zu. Deshalb ist es im Interesse der Firmen, Compliance-Verstöße zu verhindern.
Offenbar sind viele von ihnen damit erfolgreich: Laut dem EY Global Integrity Report 2024 glauben 49 Prozent der Befragten, dass sich die Integritätsstandards in ihrem Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren verbessert haben. 90 Prozent sind außerdem zuversichtlich, dass sich ihre Kolleginnen und Kollegen an Gesetze, Verhaltensregeln und Branchenvorschriften halten. Die Unternehmensberatung EY hat dazu 5.464 Angestellte, Vorstands- und Geschäftsleitungsmitglieder in 53 Ländern befragt.
Was Regelverstöße begünstigt
Dabei gibt es laut der Studie verschiedene Druckfaktoren, die Compliance-Verstöße auslösen können. Als äußere Faktoren sind aus Sicht der Befragten unter anderem Bedrohungen aus dem Bereich Cybersecurity (26 Prozent), Gesundheitskrisen (22 Prozent), Erwartungen an die finanziellen Ergebnisse (22 Prozent), Unterbrechungen der Lieferkette (21 Prozent) und geopolitische Bedrohungen (15 Prozent) relevant. Betrachtet man die internen Druckfaktoren, so sehen fast die Hälfte der Studienteilnehmenden (47 Prozent) die eigenen Mitarbeitenden als Risiko. Zudem nannten sie fehlende Ressourcen (25 Prozent) und Druck seitens des eigenen Managements (24 Prozent).
Auch die wirtschaftliche Situation hat laut Einschätzung der Befragten Einfluss auf die Integrität von Unternehmen und ihren Mitarbeitenden: Die Hälfte von ihnen gab an, dass es für ihre Unternehmen eine Herausforderung ist, Integritätsstandards unter schwierigen Marktbedingungen ein- und aufrechtzuerhalten. 30 Prozent sagten zudem, dass das aktuelle makroökonomische Umfeld der größte externe Druckfaktor für Angestellte ist, gegen Integritätsstandards zu verstoßen.
Führungskräfte kommen eher davon
Die Bereitschaft zu Verstößen gegen die Integritätsstandards ist durchaus vorhanden: Fast vier von zehn der Befragten (38 Prozent) gaben an, dass sie bereit wären, sich unethisch zu verhalten, wenn sie von einem Manager oder einer Managerin dazu aufgefordert würden.
Dazu kommt, dass manche Personen offenbar nachsichtiger behandelt werden als andere: 31 Prozent hatten beobachtet, dass bei ihnen im Unternehmen unethisches Verhalten toleriert wird, wenn es von leitenden Angestellten oder besonders erfolgreichen Teammitgliedern begangen wird. Das ist laut Tobias Schumacher, Partner bei EY und Deutschland-Leiter der Forensic & Integrity Services, fatal: „Die Botschaft, die ein solches Vorgehen ins Unternehmen sendet, ist verheerend und untergräbt alle Integritätsbemühungen.“
Meldemöglichkeiten funktionieren nicht immer
Die gute Nachricht ist, dass die Anzeigemöglichkeiten von Compliance-Verstößen gestiegen sind; immer mehr Unternehmen haben eine Whistleblowing-Hotline. Allerdings trauen sich viele Mitarbeitende nicht, sie zu verwenden. 54 Prozent der Personen, die das bereits getan haben, fühlen sich von ihrem Unternehmen unter Druck gesetzt, nicht mehr bei der Hotline anzurufen. Das zeigt, dass Integritätsmaßnahmen nicht automatisch zu Verbesserungen in der Praxis führen. Während 40 Prozent der befragten Vorstandsmitglieder finden, dass es für die Mitarbeitenden einfacher geworden ist, ihre Bedenken zu melden, stimmen nur 26 Prozent der befragten Angestellten dieser Aussage zu.
Andreas Pyrcek, Partner von EY Deutschland und Globaler Leiter der Integrity & Compliance Advisory Services, weist darauf hin, dass Maßnahmen wie Whistleblowing-Hotlines nur in einer intakten Unternehmenskultur funktionieren: „Managerinnen und Manager müssen mit ihren Integritätsmaßnahmen jede Person in der Mitarbeiterschaft erreichen und ihnen das Gefühl geben, sicher zu sein, falls Bedenken bezüglich bestimmter Vorgänge im Unternehmen geäußert werden – ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen.“