
Im Grunde will ja niemand mehr arbeiten. Die jungen Arbeitnehmenden fragen nach Urlaubstagen, nach Vertrauensarbeitszeit, nach Homeoffice und Teilzeit, und wenn man ihnen alles gegeben hat, dann wollen sie die Abteilung von innen heraus verändern, lebensfreundlicher machen und dafür auch noch eine Gehaltserhöhung.
Man kann das kritisch sehen. Arbeit ist Arbeit und Leistung erbringen ist Pflicht in einer Leistungsgesellschaft.
Und der Wohlstand ist ja auch immer irgendwie in Gefahr. Gleichzeitig müssen wir uns fragen, wem Wohlstand etwas bringen soll, wenn er erst stresst, dann unglücklich macht und schließlich krank? Unsere Wohlstandskrankheiten – einige Diabetes-Formen, Herzkrankheiten, Kopfschmerzen – sind auch Leistungskrankheiten.
Arbeitskonflikte sind professionelle Konflikte
Was tun wir also mit den Konflikten der modernen Arbeit? Erst einmal gehen wir professionell an sie ran. Das bedeutet, dass wir die Empörung beiseitepacken und uns die unterschiedlichen Interessen anschauen. So gelingt der professionelle Umgang mit Konflikten:
1. Hört zu
Bei Uneinigkeit entsteht schnell das Gefühl, dass sich Zuhören nicht lohnt. Schließlich muss die andere Person nur von ihrem Irrweg überzeugt werden und das geht schneller, wenn man ihr nicht zuhört. Zuhören lohnt sich aber, denn die Informationen sind für die weiteren Schritte der Konfliktbearbeitung wichtig.
2. Versteht
Zusammenarbeit ist eine Form der zwischenmenschlichen Beziehung und die gelingt, wenn Menschen einander verstehen. Stellt also kluge Fragen, nehmt die andere Seite ernst. Die andere Person zu verstehen – aus ihrem Blickwinkel –, heißt noch nicht, die eigene Seite aufgeben zu müssen. Es lohnt sich aber, alle Warums aufzudecken. Wenn beide voller Überzeugung sagen können: „Danke, ich verstehe dich jetzt“, dann habt ihr eine Grundlage, auf der ihr arbeiten könnt.
Gerade im Bereich der Arbeitszeitkonflikte könnte der Grund sehr oft sein: „Ich habe als Kind gesehen, wie lange Arbeitszeiten meine Familie zerstört haben. Und ich bin überzeugt, dass ich in allen Lebensbereichen mehr leiste, wenn wir das anders aufteilen – auch hier.“ Plötzlich klingt es gar nicht mehr nach Faulheit, oder?
3. Verteilt Geschenke
Wenn Menschen einander verstehen, dann können sie einander mehr geben. Versteht der Mitarbeitende, dass die Führungskraft sich im ersten Jahr mehr Überblick über die Arbeit des oder der Neuen wünscht, dann lässt sich das einrichten. Versteht die Führungskraft, dass einige Teammitglieder sich Gestaltungsspielraum wünschen, dann ist das auch möglich.
„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“ wurde immer sehr materiell verstanden. Heute müssen wir diesen Satz zwischenmenschlich nehmen – und Dinge verschenken, die nicht auf die Steuererklärung gehören.
4. Lernt, zu verhandeln – und lehrt es auch
Einigen Menschen wird schon im Kindesalter beigebracht, wie sie erfolgreich verhandeln. Fehlt dieses Wissen, dann fühlen sich Menschen schnell in die Ecke gedrängt und das verschärft Konflikte massiv. Arbeiten freie Menschen professionell zusammen, ist der Verhandlungssieg von heute die zwischenmenschliche Niederlage von morgen.
Lernt also, besser zu verhandeln. Und bringt es denen bei, denen die Fähigkeiten noch fehlen. Dazu gehört es auch, anzuerkennen, wenn sich das Gegenüber gut schlägt. Wer gut argumentiert und dann nichts bekommt, der wächst nicht. Mitarbeitende zu fördern, bedeutet, etwas zu geben und darauf zu vertrauen, etwas dafür zu bekommen.
Einigkeit wäre sowieso öde
Die älteren Arbeitnehmenden sind, wie sie sind. Sie haben ihre Erfahrungen, ihre Einstellungen, ihre Werte. Oft genug haben sie auch: die Macht.
Die jungen Arbeitnehmenden sind, wie sie sind. Auch sie haben ihre Erfahrungen, ihre Einstellungen, ihre Werte. Der Versuch, etwas anderes aus ihnen zu machen, wird nur dazu führen, dass sie keine Arbeitnehmenden mehr sein werden, sondern den Weg in die Selbstständigkeit suchen. Dieser Wahrheit werden sich Unternehmen stellen müssen.
Diese Uneinigkeit der Generationen ist eine gute Sache. Sie wird Reibung erzeugen, die bessere Lösungen erlaubt. Diese besseren Lösungen brauchen wir. Aus Macht und Einigkeit ist noch nie etwas Gutes entstanden. Einigkeit ist langweilig, Macht problematisch. Wir brauchen dabei gar nicht mehr an die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft zu denken, denken wir an die Gegenwart. Reibung aushalten und Konflikte kreativ zu lösen, sind die Ansprüche, die uns als Gesellschaft wirklich voranbringen. Ob 40 Stunden in der Woche oder 32 ist dann möglicherweise gar nicht mehr so wichtig.