Urheberrechtsreform: Was der Upload-Filter bedeutet und wofür er gilt
Die bisherige Rechtslage
Bislang haben Betreiber von Videoplattformen von einem Haftungsprivileg profitiert. Sie waren für fremde Inhalte nur dann verantwortlich, wenn sie von einer Urheberrechtsverletzung Kenntnis hatten. Diese Regelung sollte einen Ausgleich zwischen den Rechten des Urhebers, der Meinungs-, Kunst- und Informationsfreiheit der Öffentlichkeit sowie den Rechten der Diensteanbieter schaffen. Den Betrieb einer Videoplattform, die Nutzern gestattet, ohne manuelle Freigabe Inhalte hochzuladen, wurde hierdurch wesentlich erleichtert. Somit musste sich der Diensteanbieter beim Upload keine Sorgen machen, ob es sich um legale, fragwürdige oder gar unzulässige Inhalte handelt. Diese Frage musste er sich erst nach einer Meldung stellen.
Durch die Einführung des neuen Urheberrechts-Diensteanbietergesetzes (UrhDaG) muss der Diensteanbieter nun deutlich strengere Anforderungen erfüllen, damit er überhaupt von einem Haftungsprivileg profitieren kann.
Für wen gilt das neue Gesetz?
Diensteanbieter im Sinne des Gesetzes sind Anbieter, die eine große Menge an von Dritten hochgeladenen Inhalten speichern und öffentlich zugänglich machen, diese Inhalte organisieren und zum Zweck der Gewinnerzielung bewerben und mit anderen Online-Inhaltediensten um dieselben Zielgruppen konkurrieren. Dies betrifft etwa Plattformen wie Youtube, Tiktok, Instagram und Facebook, nicht aber nicht-kommerzielle Plattformen wie Wikipedia. Welche Anbieter hierunter genau fallen werden, ist allerdings noch offen. Ausnahmen gibt es nach dem Gesetz für Startups und kleine Diensteanbieter.
Was sind die neuen Anforderungen?
Damit der Diensteanbieter von der Haftung für fremde Inhalte frei wird, muss er nun „bestmögliche Anstrengungen“ unternehmen, um zu versuchen, die Nutzungsrechte für die Werke, die auf seiner Plattform wiedergegeben werden, zu erwerben. Außerdem muss er, wie bereits zuvor, auf Verlangen des Rechtsinhabers die Wiedergabe eines Werkes auf seiner Plattform beenden. Nach dem neuen Gesetz muss er jedoch zusätzlich sicherstellen, dass das Werk auch künftig nicht auf seiner Plattform verfügbar sein wird.
Der Upload-Filter
Um sicherzustellen, dass Inhalte zukünftig nicht mehr auf einer Plattform verfügbar sein werden, reicht es nicht mehr aus, gemeldete Inhalte wie früher nach dem „Notice and take down“-Verfahren zu entfernen. Die Plattformen müssen stattdessen zu einem „Notice and stay down“-Verfahren übergehen. Das „Notice and stay down“-Verfahren und die damit einhergehende Verpflichtung, sicherzustellen, dass zukünftige Verletzungen nicht stattfinden, führen im Ergebnis dazu, dass Plattformbetreiber bereits vor Veröffentlichung eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Inhalte treffen müssen. Insbesondere für größere Plattformen wird sich diese Verpflichtung realistischer Weise nur mittels eines automatisierten Prozesses umsetzen lassen – und hier werden sogenannte Upload-Filter zum Einsatz kommen müssen. Die stellen mittels eines automatisierten Prozesses vor dem Upload fest, ob es sich um einen bereits gemeldeten Inhalt handelt oder um einen solchen, der sehr ähnlich zu einem bereits gemeldeten Inhalt ist. So sollen Urheberrechtsverstöße im Voraus erkannt und verhindert werden.
Erlaubte Nutzungen
Nach dem Gesetz sind bestimmte Nutzungen wie zum Beispiel Zitate, Karikaturen, Parodien und Pastiches erlaubt. Hierfür hat der Diensteanbieter dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen. Derartige Nutzungen sollen vom Upload-Filter nicht umfasst werden. Kritiker machen geltend, dass diese Einschränkungen praktisch kaum umzusetzen seien. Insbesondere wird im Hinblick auf Parodien gerügt, dass ein automatischer Upload-Filter nicht in der Lage sei, zwischen legaler Parodie und illegaler Verwertung eines urheberrechtlich geschützten Werkes zu unterscheiden – zumal sich hier häufig auch die Juristen nicht einig sind, wie die nahezu allgegenwärtige Berichterstattung über Gerichtsverfahren zu verschiedenen Parodien zeigt.
Darüber hinaus wird eine Privilegierung für Inhalte geschaffen, die mutmaßlich erlaubte Nutzungen darstellen. Dies meint beispielsweise Ausschnitte, die nicht mehr als 15 Sekunden eines Filmwerkes oder Laufbildes zeigen oder nur 160 Zeichen eines Textes.
Auch diese Nutzungen sollen nicht von automatisierten Upload-Filtern erfasst werden, müssen dafür aber vom Diensteanbieter angemessen vergütet werden.
Strategie des Gesetzgebers
Um einen Missbrauch des Upload-Filters zu verhindern, hat der Gesetzgeber diverse Einschränkungen vorgesehen, die entweder zusätzliche Rechte für den Nutzer schaffen oder eine Erleichterung der Haftung für den Diensteanbieter vorsehen, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt.
Wird ein Inhalt beim Upload automatisch blockiert, soll dem Nutzer ermöglicht werden, diesen Inhalt als erlaubt zu kennzeichnen. Dieser Vorgang nennt sich Pre-Flagging. Der Inhalt kann dann trotz eines Blockierverlangens öffentlich wiedergegeben werden. Der Diensteanbieter ist für diesen Inhalt zumindest bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens beziehungsweise bis zum Ablauf der Frist zur Entscheidung über die Beschwerde nicht verantwortlich. So soll kein Anreiz für Diensteanbieter geschaffen werden, Inhalte vorschnell zu entfernen.
Ferner sollen (vermeintliche) Rechteinhaber, die wiederholt die Blockierung eines fremden Werkes als eigenes Werk oder eines gemeinfreien Werkes verlangen, für einen angemessenen Zeitraum von dieser Möglichkeit ausgeschlossen werden, um rechtsmissbräuchliche Blockierverlangen zu verhindern.
Weitere Regelungen
Das Gesetz sieht einen Katalog von weiteren Regelungen vor, zum Beispiel ein kostenfreies und zügiges Beschwerdeverfahren für Nutzer und Rechtsinhaber über die Blockierung und die Wiedergabe eines Werkes. Darüber hinaus sieht das Gesetz die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung vor.
Ausblick
Trotz Protesten, Kritik und anders lautenden Zusagen ist die Urheberrechtsreform mit Upload-Filter gekommen. Viele Fragen hinsichtlich der Auslegung des Gesetzes und der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz sind noch offen. Nicht zuletzt deshalb, weil von der polnischen Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die der Reform zugrunde liegende Richtlinie Klage eingereicht wurde. Der Verfahrensausgang bleibt abzuwarten.
Auch auf der nationalen Ebene ist eine Welle von Klagen diverser Diensteanbieter und Interessenverbände gegen die Ausgestaltung des Upload-Filters zu erwarten. Daher wird die grundrechtskonforme Auslegung des Gesetzes die Gerichte in den nächsten Jahren sicherlich beschäftigen. Eine Gratwanderung, welche von den Gerichten zu meistern sein wird, stellt insbesondere die Abwägung der Eigentumsrechte des Urhebers mit der Meinungs-, Kunst- und Informationsfreiheit der Öffentlichkeit dar.
Obgleich die uns zur Verfügung stehende künstliche Intelligenz möglicherweise schon so weit ist, Urheberrechtsverstöße für uns zu erkennen – über den Umgang mit ihnen müssen am Ende (noch) die Gerichte entscheiden.
Das Internet wurde bereits sehr schlimm reguliert. Es war mal ein Ort das jeden Chancen geboten hat. Ganz anders als dieses leere Versprechen der Politik jedem Kind die gleichen Chancen auf der Schullaufbahn zu geben.