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Urheberrechtsreform und Upload-Filter: Regierung fragt, Solmecke antwortet

Anfang des Jahres haben wir uns für ein freies Internet stark gemacht, wurden jedoch kaum gehört. Jetzt fragt die Regierung nach unserer Meinung. Diese Gelegenheit habe ich mir nicht nehmen lassen.

Von Christian Solmecke
7 Min. Lesezeit
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Europaweite Demos gegen die EU-Urheberrechtsreform. (Bild: dpa)

Anfang 2019 haben wir sehr viele Youtube-Videos auf unserem Kanal „Kanzlei WBS“ zu Artikel 13 (jetzt Artikel 17) produziert. Darin haben wir alle Gesetzentwürfe der EU-Institutionen analysiert, Argumente der Befürworter widerlegt und einen eigenen Gegenvorschlag präsentiert. Außerdem haben andere Youtuber wie etwa Rezo und ich mit Befürwortern der Reform wie dem Gema-Chefjustiziar in einem Livestream debattiert. Kurz vor den finalen Abstimmungen in Brüssel habe ich noch in Berlin und Köln Reden vor Hunderttausenden auf der Straße gehalten. Trotz aller Mühe fiel es uns Artikel-13-Gegnern schwer, Gehör bei den Entscheidungsträgern auf EU- und bundespolitischer Ebene zu finden. Man denke an die absurden Behauptungen gewisser Politiker, die empörten Protestler, die Mails an EU-Abgeordnete geschrieben haben, seien nur „Bots“ von Google, die Demonstranten alle von Youtube gekauft.

Nun ist das Kind sozusagen in den Brunnen gefallen, die EU-Richtlinie wurde – mit kleinsten Zugeständnissen an die Protestierenden – verabschiedet und ist inzwischen in Kraft. Bis zum 7. Juni 2021 muss sie in nationales Recht umgesetzt werden.

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Immerhin hat die Bundesregierung damals bei der finalen Abstimmung eine unverbindliche Protokollnotiz beigefügt, in der sie erklärt, Deutschland wolle sich bei der Umsetzung der Richtlinie von dem Ziel leiten lassen, ohne das Instrument Upload-Filter auszukommen. Doch wie kann das gelingen angesichts der nun recht eindeutigen Vorlage im Europarecht? Dazu bat die Bundesregierung netterweise „interessierte Kreise“ um ihre Meinung, ganz offiziell. Nun gut, dachte ich mir, besser spät als nie:

„Liebe Bundesregierung,
wie ihr wisst, war ich immer gegen Artikel 17 in seiner jetzigen Form. Das habe ich vorher schon klar gesagt und der Meinung bin ich auch heute noch. Schade nur, dass ihr den vielen Kritikern nicht damals schon mehr zugehört habt. Denn jetzt, nachdem es sehr detaillierte EU-Vorgaben gibt, erscheint es aus rechtlicher Sicht ein wenig wie die Quadratur des Kreises, Upload-Filter nun auf nationaler Ebene vermeiden zu wollen. Daher fände ich es toll, wenn ihr eure in der Protokollerklärung geäußerte Absicht, notfalls noch einmal auf EU-Ebene nachzubessern, wahr machen könntet. Falls ihr das nicht macht – hier mein Vorschlag, wie man jetzt noch retten könnte, was zu retten ist:

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Könntet ihr bitte kleinere Plattformen entlasten?

Wie ihr jetzt selbst in der Protokollerklärung erwähnt, ist es keine so gute Idee, kleine Plattformen de facto zu zwingen, Lizenzen für Filtertechnologien von Google zu kaufen. Damit festigt der Internetkonzern seine Marktmacht noch mehr, was ihr eigentlich vermeiden wolltet. Doch ganz im Ernst: Welcher kleine Anbieter kann sich die Entwicklung einer solchen Technologie leisten, die jetzt als „branchenüblicher Standard“ gilt, wenn schon Google 90 Millionen Euro für Content ID gezahlt hat? Und selbst wenn man dafür eine Lösung findet, müsste jede kleine Plattform den Speicherplatz für unzählige Dateien und Mitarbeiter für die zahlreichen Nutzerbeschwerden bezahlen. Das kann keiner wollen. Daher müsst ihr jetzt alles dafür tun, um kleine Plattformen nicht in den Ruin beziehungsweise die Abhängigkeit zu treiben. Meine Ideen:

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Die erste Stellschraube wäre es, die Anbieter einfach auszuklammern, die das neue Gesetz überhaupt nicht treffen sollte, also etwa Foren oder kleine Netzwerke zu Nischenthemen. Beschränkt doch Artikel 17 auf besonders marktrelevante Anbieter, denn darum geht es bei dem Gesetz eigentlich. Und damit die kleinen Anbieter nicht trotzdem bangen müssen, könntet ihr die Liste der Plattformen erweitern, die nicht von den neuen, strengen Regeln erfasst sein sollen.

Es werden aber immer noch Anbieter übrig bleiben, die nicht finanzkräftig genug sind, um sich ein eigenes Filtersystem leisten zu können, und trotzdem von Artikel 17 erfasst sind. Doch auch denen könntet ihr helfen – allerdings nur zusammen mit euren EU-Kollegen. Die EU könnte die Entwicklung einer Open-Source-Technologie zum Filtern fördern und außerdem eine datenschutzrechtlich sichere Copyright-Datenbank aufbauen, an die sich die Plattformen dann „andocken“ können.

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Lizenzen – nicht jeder will in eine Verwertungsgesellschaft

Nun zu den Lizenzen. Da haben wir ja schon im Rahmen der Diskussion gesagt, dass es schwierig ist, Lizenzen mit allen Kreativen auf der ganzen Welt abzuschließen, selbst wenn man Youtube oder Facebook ist.

Klar sollte sein, dass die Netzwerke in erster Linie auf alle marktrelevanten Anbieter eines Landes initiativ zugehen müssen, um Verhandlungen zu führen. Neben den „Majors“ einer Branche sind das natürlich alle Verwertungsgesellschaften.

Nur, was ist mit den Künstlern, die keinen Vertrag mit einer Verwertungsgesellschaft haben? Bitte hört dabei nicht auf Organisationen wie die Gema, die der Meinung sind: „Dafür haben wir doch die Kollektivlizenzen, kein Problem. Dann schaffen wir einfach neue Lizenzsysteme, die auch die weltweite Internetnutzung abdecken und dann funktioniert das.“ Dazu sage ich, liebe Bundesregierung, denkt euch bitte etwas Besseres aus. Denn nach diesem System könnten die Verwertungsgesellschaften auch die Rechte von Urhebern lizenzieren, wenn diese davon überhaupt nichts wissen. Sie können zwar widersprechen, müssen aber nicht einmal persönlich über die Verwertung informiert werden. Dass das mit der Vertragsfreiheit nicht wirklich kompatibel ist, hat schon der Europäische Gerichtshof gesagt. Die Künstler müssen schon selbst entscheiden können, wem sie ihre Rechte anvertrauen. Es gibt zum Beispiel genug Musiker, die überhaupt nicht wollen, dass die Gema sich um ihre Rechte kümmert.

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Und dann müsst ihr euch noch etwas ausdenken für die Branchen, die keine Verwertungsgesellschaft haben, etwa Games-Hersteller.

Bitte nicht so strenge Upload-Filter

So, nun aber zum allergrößten Kritikpunkt und dem Grund, der uns Anfang 2019 überhaupt erst so richtig in Rage gebracht hat: die Upload-Filter. Klar, die stehen nicht im Gesetz. Aber mal ehrlich, wir wissen ja alle, dass es nicht ohne sie geht, um die strengen Anforderungen von Artikel 17 zu erfüllen. Und leider wissen auch alle Juristen, dass man sie auch im deutschen Recht wohl nicht ganz vermeiden, sondern allenfalls ihren verpflichtenden Einsatz auf ein Minimum reduzieren kann.

Bitte formuliert das Gesetz daher nicht so streng, dass die Plattformen lieber alles filtern als erst einmal auf ein Go des Rechteinhabers zu warten. Letztere sollen immer selbst entscheiden müssen, ob und wie gefiltert werden soll. Schon jetzt finden es die Rechteinhaber manchmal nämlich völlig in Ordnung, wenn andere ihre Werke verwenden. Dann dulden oder monetarisieren sie die Inhalte halt. Bei anderen hingegen sind sie mit der Nutzung überhaupt nicht einverstanden. Das kenne ich selbst: Wenn nette Youtuber Ausschnitte aus meinen Videos zeigen, freue ich mich. Wenn rechte Hetzer das tun, eher weniger. Diese Wahlfreiheit sollte uns Urhebern jederzeit belassen werden, ohne dass die Plattformen Gefahr laufen, zu haften.

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Was wir Kritiker auch noch bemängelt haben: Filtersysteme machen Fehler, denn Technik ist nie perfekt. Außerdem können sie beispielsweise niemals erkennen, ob ein Bild jetzt ein zulässiges Zitat ist oder doch eine böse Urheberrechtsverletzung. Jetzt sagt die EU: Wenn das System doch mal Fehler macht, können sich die Nutzer ja beschweren. Nur: Wer wird das ernsthaft tun? Man darf die Trägheit der Menschen hier nicht unterschätzen. Was bringen also zulässige Nutzungen, wenn sie keiner nutzen kann? Und was bringt es einem Livestreamer beziehungsweise Let’s Player, wenn er seinen automatisch geblockten Stream netterweise nach einigen Tagen oder Wochen fortsetzen darf?

Bitte verpflichtet also die Plattformen, direkt neben dem Upload-Buttons ein Feld anzubieten, damit die Nutzer ihren Beitrag als „zulässige Nutzung“ kennzeichnen können. Solche Beiträge müssen dann doch richtige Menschen prüfen und keine Maschinen. Noch besser wäre es, wenn gleich neben dem Upload-Button auch ein Link zu finden wäre, wo sich die Nutzer darüber informieren könnten, was überhaupt eine zulässige Nutzung ist. Wer darauf klickt, den kann Youtube warnen: Bei Missbrauch gibt es einen Strike!

Gebt den Internetusern mehr Spielraum

Zumindest eine Änderung hat der Protest gebracht: In Artikel 17 steht jetzt, dass alle Mitgliedstaaten Ausnahmen für Zitate, Karikaturen, Parodien oder Pastiches zulassen müssen. Damit sollen Internetphänomene wie Memes und GIFs, Remixe und Mashups gerettet werden, um die viele bangen. Nun sind sich Juristen aber nicht ganz so sicher, ob damit wirklich all diese Blüten des Internets legalisiert werden, schließlich ist nicht jedes Meme eine Ausgeburt an Kreativität.

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Daher eine weitere Idee: Könntet ihr nicht die Schranke der „Pastiche“ als eine Art „Auffangschranke“ etablieren, um wirklich jeden Spaßvogel im Netz auf die rechtssichere Seite zu bringen? Als Ausgleich könnten die Plattformen ja einen Obolus an die Verwertungsgesellschaften zahlen, so wie die Pauschalabgabe für Privatkopien.

Und dann das Zitatrecht. Da müsst ihr eh noch einmal ran nach dem letzten EuGH-Urteil zum Sampling. Dann könntet ihr doch die Gelegenheit nutzen, um es gleich sehr viel weiter zu formulieren. Denn derzeit hilft es in der Praxis fast nie, vor allem das Bildzitat ist viel zu eng geregelt. Wie aber können wir gut über Dinge reden, wenn wir sie nicht zeigen können? Ein Bild zu sehen und nur darüber zu reden, ist nun mal nicht dasselbe.

Und zu guter Letzt weise ich euch nochmal auf die Idee hin, die ja nicht nur ich, sondern auch schon die CDU selbst hatte: Die Bagatellschranke für private Nutzer, also Nutzungen von Werken, die dem Urheber nicht wirklich „wehtun“ und zur Freiheit im Netz einfach dazu gehören. Das könnten die Plattformen ebenfalls durch eine Pauschalabgabe ausgleichen. Ich glaube zwar selbst, dass es jetzt dafür wahrscheinlich zu spät ist, weil das Europarecht euch da einen Strich durch die Rechnung machen wird. Aber vielleicht findet ihr ein Schlupfloch, etwa eine kreative Interpretation des Europarechts? Denn die Idee war ja gut.

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So, das war’s von mir. Ich bin mir sicher, Google, Facebook und Co. haben auch noch spannende Sachen zu sagen.
Viele Grüße,
euer Christian Solmecke

P.S.: Hier der ganze (seriösere) Vorschlag zum Nachlesen.

Fast fertig!

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