Das perfekte User-Onboarding: Was UX-Designer von Super Mario lernen können
User-Onboarding: Der Frust neuer Apps und Services
Eigentlich wollte sich Matt Miklic nur eine App zur Fernsteuerung seines Garagentors installieren. Ein simpler Service, sollte man meinen, kommen die lange Zeit üblichen Fernbedienungen doch mit einem einzigen Knopf aus. Doch weit gefehlt. Beim Öffnen der App wurde der Designer aus Atlanta förmlich erschlagen: von einer ganzen Flut von Tooltips.
Für The Next Web Conference in Amsterdam haben wir Hulick nach seinem Vortrag „Growing Your Userbase with Better Onboarding“ getroffen.
Menschen kaufen keine Produkte
Eines seiner Lieblingsbeispiele für gelungenes User-Onboarding: das legendäre Computerspiel „Super Mario“. Wie der Spieler in Level 1 in die Funktionen und Möglichkeiten eingeführt werde, wirke zwar auf den ersten Blick simpel, sei aber unglaublich clever durchdacht, wie auch ein YouTube-Video zeigt. „I didn’t know this much thought was put in the first level“, kommentiert ein Nutzer. „And I didn’t know I learned so much about the game while I didn’t notice it was teaching me.“
Genau das aber sei das Geheimnis eines guten Onboardings, so Hulick. Der Nutzer müsse an die Hand genommen werden, ohne es wirklich zu merken. Und: Unternehmen müssten dafür sorgen, dass ihre Nutzer anfangen, etwas zu tun.
Damit das gelingt, brauche es natürlich erst mal Produkte mit echtem Mehrwert. Und dieser Mehrwert müsse so groß sein, dass Nutzer bereit seien, sich auf neue Tools oder Services überhaupt einzulassen. „Es ist schwer, alte Gewohnheiten abzulegen und sich an neue Dinge zu gewöhnen“, so Hulick. Genau dabei könne das User-Onboarding aber helfen. „Menschen kaufen keine Produkte“, sagt er. „Menschen kaufen bessere Versionen von sich selbst.“
Paradebeispiel Slack
Viele Probleme, so Hulick, begännen aber schon direkt nach der Registrierung. Mit „You have no chats“ begrüßt etwa das Tool LiveChat seine Nutzer auf dem ersten Screen. „You have no friends“, hieß es eine ganze Zeit lang bei YouTube. „Es gibt herzlichere Wege, Menschen willkommen zu heißen“, so Hulick. Vor allem müssten Wege gefunden werden, Nutzer zu aktivieren.
Wenn es um gelungenes Onboarding geht, kommt Hulick oft auf Slack zu sprechen. Die Entwickler des Chat-Tools hätten die vielleicht cleverste Art der Nutzerführung gefunden, indem sie für das Onboarding schlicht das Chat-Interface selbst nutzen. Hier begrüßt den Nutzer der „Slack-Bot“, um Informationen abzufragen und in das Tool einzuführen. Slack habe das Onboarding damit auf eine persönliche Ebene geführt, so Hulick. Und sie hätten eine gewisse Form von Humor bewiesen. „Es geht darum, menschlich zu wirken, Persönlichkeit zu zeigen, ohne übertrieben witzig zu sein.“
User-Onboarding: „Klopft dem Nutzer auf die Schulter!“
Ein weiteres Mittel, das Hulick immer wieder empfiehlt, sind Fortschrittsanzeigen, die dem Nutzer auf einen Blick deutlich machen, wie weit er bei der Erstellung seines Profils oder der Einrichtung eines Tools schon gekommen ist. „Damit kann das User-Onboarding in leichter verdauliche Häppchen aufgeteilt werden.“ Um das noch zu perfektionieren, empfiehlt der UX-Spezialist, sich eines psychologischen Tricks zu bedienen, der von Rabatt- oder Bonuskarten bekannt ist, wie es sie beispielsweise in Coffee-Shops gibt. Wird bei solchen Karten, bei denen Kunden beispielsweise nach dem zehnten Kauf ein Getränk gratis bekommen, beim ersten Besuch schon der erste Stempel gemacht, kommen sie mit einer doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit wieder.
Auf das Onboarding übersetzt bedeutet das: Wird dem Nutzer nach der Registrierung schon angezeigt, wie viele Punkte er damit abgehakt hat, ist der gefühlte Fortschritt größer – die Chance, dass er am Ball bleibt und nicht wieder abspringt, steigt. „Klopft dem Nutzer auf die Schulter!“, rät Hulick. „Sagt ihm: Gut gemacht! Jetzt noch ein paar Schritte und Du kannst durchstarten!“
„Start your designing where your users start their using“
Doch wenn das Onboarding so einfach zu sein scheint, warum scheitern dann so viele Unternehmen damit? Unter anderem aufgrund simpler Fehler, so Hulick. Wenn Buttons beispielweise nicht von sich aus klar machten, wofür sie da sind, sei das ein Design-Problem. Ein weiterer Grund aber könnte sein, dass nach wie vor zu wenig getestet wird. „Ich empfehle allen, sich vor dem Launch Feedback einzuholen“, rät Hulick. Über die Gründe, warum das noch viel zu selten passiert, kann auch er nur spekulieren. Vielleicht sei es zum Teil auch die Angst vor negativem Feedback, das Bewusstsein, dass das Produkt vielleicht noch nicht ausgegoren sei. „Ich habe in den letzten Jahren sicher eine dicke Haut bekommen, aber genau das ist doch das, was ich hören will“, sagt er. „Nur dann kann ich etwas verbessern!“„Beginne deinen Design-Prozess da, wo Nutzer ihren Nutzungsprozess beginnen.“
Genau dieses Feedback zeige einem Unternehmen nämlich auch eines der häufigsten Probleme – und das liege gar nicht beim Onboarding selbst, sondern beim Produkt. „Viele Produkte sind verwirrend“, sagt Hulick. Und da liegt die Lösung nicht, es mit dutzenden von Tooltipps oder Einführungs-Touren zu erklären, sondern es zu vereinfachen. Um das zu erkennen, brauche es das Feedback von außen. Wer ein Produkt über einen längeren Zeitraum entwickelt habe, stecke oft so tief in der Materie, dass er den unvoreingenommenen Blick eines neuen Nutzers gar nicht mehr haben könne, sagt Hulick. Ganz sicher sei das Rekrutieren von Testnutzern eine zeit- und nervenaufreibende Angelegenheit, doch sie lohne sich, ist sich der UX-Experte sicher und bringt all sein Wissen in einem Satz auf den Punkt: „Beginne deinen Design-Prozess da, wo Nutzer ihren Nutzungsprozess beginnen.“