Verbraucherschützerin erklärt: Das müsst ihr über Gesundheits-Apps wissen
Schritte zählen, Rückenübungen angezeigt bekommen und die Einnahme von Medikamenten verwalten: Die Anwendungsbereiche für Gesundheits-Apps sind vielfältig. Anwendungen dieser Art gibt es in jedem App-Store. Viele sind kostenlos und versprechen eines: gut für die Gesundheit zu sein.
Das sind sie allerdings nicht immer. Gesundheits-Apps können Symptome wie Rückenschmerzen schlimmstenfalls noch verschlimmern. Die frei verfügbaren Apps landen ohne Kontrolle durch Fachleute in den App-Stores, wie Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Interview erzählt. Die Expertin für Verbraucherschutz gibt darin Tipps, worauf bei kostenlosen Gesundheits-Apps geachtet werden sollte, und erklärt, wie sie sich von den digitalen Gesundheitsanwendungen unterscheiden.
t3n: Was sind eigentlich Gesundheits-Apps?
Sabine Wolter: Gesundheits-App ist eigentlich ein Überbegriff für verschiedene Apps, meistens aus dem Lifestyle-Segment, die sie bei den gängigen App-Stores von Google, Apple, Huawei herunterladen werden können. Unter dem Überbegriff werden Angebote von Hersteller im Bereich E‑Health vertrieben – mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen. Viele kennen Fitnesstracker, Abnehm-Apps oder Apps, die zur Entspannung dienen.
Was man wissen muss: Es sind nicht unbedingt geprüfte Apps. Damit gibt es unterschiedliche Qualitäten und auch ganz unterschiedliche Datenschutzvorgaben. Da die Angebote keine geprüften Leistungen haben, kann es auch durchaus sein, dass die App vielleicht das, was sie verspricht, gar nicht einhalten kann, weil unter Umständen der Software-Hersteller eben gar nicht mit medizinischem Hintergrund ausgestattet ist.
t3n: Was heißt den ungeprüft? Heißt das, das beispielsweise keine Ärzte auf die Funktion geschaut haben?
Wolter: Ja, das weiß man nicht per se. Die Apps müssen nicht von Fachleuten überprüft werden. Der Hersteller kann zwar einen medizinischen Hintergrund haben oder aus der pharmazeutischen Richtung kommen, er kann aber auch ein ganz „normaler“ Software-Hersteller sein, der sich sonst mit anderen Apps befasst. Also müssen Nutzer selbst in den einzelnen Apps schauen, welche Hintergrundinformationen sie finden können.
t3n: Wenn Sie sagen, Hintergrundinfos sollten beachtet werden, auf welche Infos könnte ich denn da achten?
Wolter: Ich habe ja im App-Store erst einmal einige Informationen, in die ich Einblick nehmen kann. In der Beschreibung der App kann ich schauen, was sie überhaupt und was sie mir bieten soll. Als Nächstes sollte ich mir anschauen, was die App erfasst. Wenn sie Gesundheitsdaten sammelt, sollte ich besonders vorsichtig sein: Die Daten sind ja besonders schutzwürdig, es geht schließlich um meinen Gesundheitszustand. Eine wichtige Frage ist daher, wie es um die Datensicherheit bei dieser App bestellt ist. Die Informationen dazu sind meist schnell auf der Seite der App im Store zu finden.
Wenn ich mir die App heruntergeladen habe, sollte ich dann in der App auch noch mal gucken, ob die versprochenen Funktionen gegeben sind und welche Informationen es zur Datensicherheit gibt. Teilt die App meine Daten mit anderen Unternehmen oder Organisationen, bleiben sie nicht unbedingt bei dem Betreiber dieser App, sondern gehen eben weiter. Da sollte ich mir Gedanken machen, ob ich das überhaupt möchte. Möchte ich, dass Daten von mir möglicherweise kommerziell verwendet werden. Es kann sein, dass meine Gesundheitsdaten an Dritte irgendwo in aller Welt gehen, da vielleicht auch nicht besonders gut geschützt sind. Zusätzlich zu meinen Gesundheitsdaten können auch personenbezogene Daten weitergegeben werden, aber auch etwa Telefonnummern anderer, die ich in meinem Handy habe. Die Daten können auch für Werbezwecke genutzt werden. Bei alldem ist die zentrale Frage: Möchte ich das?
t3n: Muss ich mir Sorgen machen, dass meine Krankenkasse an die Daten kommt?
Wolter: Nein. Wenn Sie sich eine sogenannte Gesundheits-App aus dem Internet herunterladen, gelangt Ihre Krankenkasse hier nicht an Daten. Das ist eine missverständliche Diskussion, Man sollte sich hier eher Gedanken machen, wer tatsächlich Daten aus dieser App speichern und verwenden kann. Als Verbraucher sollte ich darauf achten, schauen, wo meine Daten hingehen, wer an ihnen verdient und wo sie gespeichert werden.
Laden Sie sich eine App Ihrer Krankenkasse herunter, z.B. um darüber Unterlagen zu übersenden, Anträge hochzuladen oder Bonuspunkte zu sammeln, muss die Krankenkasse diese Gesundheitsdaten gut schützen und sichern. Das ist in der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und im deutschen Datenschutzgesetz (BSDG) vorgesehen. Die Krankenkasse verwendet diese Daten nicht, wie oft von Verbrauchern befürchtet wird, um Beiträge nach Gesundheitszustand festzulegen. So eine Verwendung dieser Daten ist im Sozialversicherungssystem auch überhaupt nicht vorgesehen.
Deswegen finde ich, es ist immer eine sehr missverständliche Diskussion, die auch beim Verbraucher dann völlig falsche Vorstellungen vom Sozialversicherungssystem verursacht: Da geht es schließlich um Solidaritätsbeziehungen, die Beiträge bemessen sich ja nach dem Einkommen und nicht nach einem Risiko.
t3n: Gibt es denn auch Warnzeichen bei Gesundheits-Apps in App-Stores, bei denen ich die Anwendung auf keinen Fall herunterladen sollte? Zum Beispiel eine bestimmte Angabe zum Datenschutz?
Wolter: Da gibt es in App-Stores keine Anzeigen, sondern Sie müssen, wenn sie sich für eine App interessieren, die Beschreibung der App durchlesen, Angaben zur Datensicherheit finden Sie da bei den allermeisten. Wenn Sie jetzt zum Beispiel Angaben zur Datensicherheit nicht finden können, sollten Sie auf jeden Fall schon mal die Finger davonlassen. Aber man muss sich halt aktiv darum kümmern. Das gilt auch beim Nutzen: Wird gehalten, was versprochen wird?
Da muss jede App einzeln betrachtet werden, eine zum Tracken der Fitness hat ja andere Anforderungen als eine, mit der der Blutdruck kontrolliert werden soll. Wenn ich eine bestimmte Erkrankung habe und mit einer App mein Gesundheitsmanagement für diese Krankheit vielleicht verbessern möchte, sollte ich mit meinem Arzt besprechen, ob es vielleicht eine bessere Digitale Gesundheitsanwendung, also eine DiGa, für mich gibt.
t3n: Bevor wir zu den DiGas kommen: Wenn ich eine Gesundheits-App nutze, worauf sollte ich da achten, beispielsweise beim Überwachen des Blutdrucks?
Wolter: Da sollte ich vielleicht schon noch mal genau hinschauen und mit anderen Messungen die Ergebnisse der App überprüfen. Die Apps haben die Einschränkungen, dass sie auch Falschinformationen liefern könnten. Das gilt auch bei Apps, die Übungen, zum Beispiel gegen Rückenschmerzen, zeigen. Sie wissen nicht, wer diese Übungen erstellt hat, vielleicht könnten sie für sie auch kontraproduktiv sein. Da muss ich genau in die App schauen, wer bei der Erstellung mitgewirkt hat, und vielleicht lieber den Orthopäden, den Physiotherapeuten oder den behandelnden Arzt fragen, ob die App für mich hilfreich ist.
Bei den frei verfügbaren Apps ist der Verbraucher leider sehr auf sich gestellt, da gibt es wenig Hilfestellung bei der Auswahl, auch, weil es so viele verschiedene Apps gibt. Eine Hilfsstellung ist da auch die Website Healthon.de. Da gibt es eine App-Suche, in der Gesundheits-Apps und auch DiGa eingeordnet sind.
t3n: Kommen wir zu den Digitalen Gesundheitsanwendungen, den DiGa. Wie unterscheiden sich diese von Gesundheits-Apps?
Wolter: DiGa sind ja eine ganz spezielle Form von Gesundheits-Apps, sie sind eine digitale, ärztlich verordnete Therapie und immer ein Medizinprodukt. Das heißt, sie müssen bestimmten Vorgaben folgen, die in den entsprechenden Verordnungen auf EU-Ebene oder auf nationaler Ebene für Medizinprodukte festgelegt sind. Meistens sind es Medizinprodukte der niedrigeren Gefahrenklassen, weil sie eher zur Unterstützung der Behandlung genutzt werden. DiGa werden in einem Schnellverfahren, einem sogenannten Fast-Track-Verfahren, vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft, die Kriterien, die sie dabei erfüllen müssen, sind auf der Seite des BfArM zu finden.
Alle DiGa, die diese Überprüfung bestehen, werden in das DiGa-Verzeichnis aufgenommen. Erst einmal nur für ein Jahr: In dem müssen die Hersteller den Nutzen für die Patienten nachweisen. Wenn dieser nachgewiesen ist, kann die DiGa dauerhaft in das Verzeichnis aufgenommen werden – sonst wird sie wieder aus dem Verzeichnis gestrichen. Gesundheits-Apps, die sich größtenteils im Lifestyle-Bereich bewegen, finden sich im DiGa-Verzeichnis nicht. Sie müssen ja den Nutzen nicht nachweisen.
t3n: DiGa kann ich aber nur nutzen, wenn ich die per Rezept verordnet bekomme.
Wolter: Genau, es muss eine bestimmte Indikation geben. Für diese Indikation muss es dann eine DiGa geben, die der Arzt verschreiben kann. Das ist der normale Weg. Sie können aber auch bei der Krankenkasse die Nutzung einer DiGa beantragen, dann müssten sie aber nachweisen, dass sie eben die entsprechende Indikation haben.
t3n: Geht das denn auch für Privatpatienten?
Wolter: Bei Privatpatienten kommt es darauf an, ob deren private Krankenversicherung die Kosten für die DiGa übernimmt. Die DiGa, die im Verzeichnis gelistet sind, werden ja auch „App auf Rezept“ genannt. Das heißt, die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten für diese App. Da muss im Wesentlichen nur die gesetzliche Zuzahlung geleistet werden wie bei einem Medikament, und die Krankenkasse übernimmt die restlichen Kosten.
Dafür brauche ich dann eben die Verordnung vom Arzt oder wenn ich die Indikation habe, kann ich das eben auch bei der Krankenkasse beantragen. Bei privaten Krankenversicherungen kommt es auf die jeweilige Versicherung an, ob sie solche Apps schon unterstützt. Da muss man dann eine Anfrage bei der privaten Krankenversicherung stellen.
t3n: Wie bekannt sind eigentlich solche Apps schon bei Ärztinnen? Also haben sie eine Einschätzung, wie oft die genutzt werden oder ob das eher noch ein Einzelfall ist?
Wolter: Die Nutzung nimmt langsam zu. In bestimmten Segmenten, gerade im psychotherapeutischen Bereich, werden sie durchaus verschrieben. Es ist ein langsamer Prozess, weil viele Ärzte auch damit noch gar nicht arbeiten. Als die DiGa starteten, wussten viele Ärzte und Ärztinnen nicht so genau, was sich in der App verbirgt, und haben dann auch auf Empfehlungen ihrer Fachgesellschaft gewartet. Als Standardmittel in der Versorgung angekommen sind DiGa sicherlich noch nicht.
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Ich musste lachen, als die Kollegin sagte, man solle sich eine Gesundheits-App von seinem Arzt empfehlen lassen. Etwa der gleiche Arzt, der sich der Elektronischen Gesundheitsakte, dem eRezept und der elektronischen Krankschreibung verweigert? Also fast alle Ärzte, die kennen sich bestimmt super mit Gesundheits-Apps und Gadgets aus.