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Interview

CEO leitet 3-Milliarden-Dollar-Startup und bringt die Kinder trotzdem abends ins Bett

Wer erfolgreich sein will, zahlt den Preis zulasten der Familie? Für Job van der Voort gilt das nicht. Er hat ein Milliarden-Unternehmen aufgebaut, ohne Vereinbarkeit aufzugeben.

7 Min.
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Gründer Job van der Voort: „Wir haben eine Work-from-Anywhere-Regelung.“ (Foto: Remote.com)

Job van der Voort ist Gründer von Remote, einer HR-Software, die es ermöglicht, das gesamte Team global einzustellen, zu verwalten und zu bezahlen. Das Unternehmen sammelte in der letzten Finanzierungsrunde satte 300 Millionen US-Dollar ein und steht jetzt bei einer Bewertung von über drei Milliarden Dollar. Ein großer Erfolg, der viel Arbeit gekostet hat und zulasten der Familie ging?

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Von jemanden wie Van der Voort würden weite Teile der Gesellschaft kaum erwarten, dass er die Zeit hat, mit seinen Kindern morgens zu frühstücken, sie in die Kita zu bringen, wieder abzuholen, gemeinsam zu Abend zu essen und sie wieder ins Bett zu bringen. Doch das passiert – der Gründer hatte nie die Absicht, das Unternehmen parallel zur Familie, sondern im Einklang mit ihr aufzubauen. Wie ist das gelungen?

Im Gespräch mit dem t3n Magazin hat er eine simple Antwort: durch Flexibilität. Und die müsse nicht nur für Chefinnen und Chefs gelten, sondern für alle. Dass Van der Voort dabei ein großer Fan von Remote-Lösungen ist, liegt angesichts des Geschäftsmodells seines Startups auf der Hand. Andererseits macht er auch mit Aussagen auf sich aufmerksam, die viele Geldgebende abschrecken könnten.

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Remote-Arbeit ist für ihn kein Selbstzweck. Sie zahlt auf außerhalb liegende Ziele ein – auch und vor allem auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir haben mit dem Gründer sowohl über das Maß an Flexibilität in seinem Unternehmen und die Organisation der Care-Arbeit in seiner Familie gesprochen als auch über die zukünftige Entwicklung von ortsungebundener Arbeit und was sie befeuert.

t3n: Job, weißt du, welche Kleidergröße deine Kinder tragen?

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Job van der Voort: Ja natürlich! Ich bin aber ehrlich gesagt auch ganz froh, dass man sich bei der Kleidergröße inzwischen auch einfach am Alter seiner Kinder orientieren kann. Für Eltern mit kleinen Kindern ist es dadurch viel einfacher geworden, Kleidung in der passenden Größe zu finden. Man findet beispielsweise im Label jetzt einfach ein „für Kinder ab 3 Jahren“-Hinweis. Viel wichtiger finde ich jedoch die Schuhgrößen – meine Tochter trägt Größe 29 und mein Sohn ungefähr Größe 27, in die er auch noch etwas reinwachsen kann.

t3n: Das ist ungewöhnlich, dass du als Gründer eines milliardenschweren Startups diese Details über deine Kinder kennst. Warum weißt du das so genau?

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Job van der Voort: Weil es mir sehr wichtig ist, mich um meine Kinder zu kümmern, sogar wichtiger als meine Arbeit als CEO.

t3n: Das ist eine mutige Aussage – vor allem hinsichtlich vieler Investorinnen und Investoren. Glaubst du, dass so eine Aussage in der VC-Welt positiv aufgefasst werden würde?

Job van der Voort: Wir haben großartige Investoren. Sie würden dem ganz sicher zustimmen.

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t3n: Deine Frau und du seid beide berufstätig. Wie teilt ihr euch die Betreuung eurer Kinder auf?

Job van der Voort: Ich glaube, wir haben Zuständigkeiten nie wirklich festgelegt, im Sinne davon, dass sie etwas Bestimmtes übernimmt und ich dafür etwas anderes. Wir beide haben den Anspruch, unser Bestes zu geben, wenn es um unsere Kinder geht. Daher versuchen wir beide, möglichst zu gleichen Teilen die Care-Arbeit zu übernehmen. Das Einzige, das wir uns wirklich aufteilen, ist das Abendprogramm. Da wir zwei Kinder haben, schnappt sich quasi jeder ein Kind, das wir bettfertig machen und dem wir Gute-Nacht-Geschichten erzählen. Wir tauschen immer mal. An manchen Abenden kann es zwar mal vorkommen, dass meine Frau nicht da ist und ich das Abendprogramm übernehme, oder andersrum, wenn ich dann mal jobbedingt verreisen muss, sie übernimmt. Wir sehen uns aber beide verantwortlich für die Erziehung unserer Kinder, deshalb machen wir das Allermeiste zusammen und sprechen viel miteinander.

t3n: Welche Rolle spielt Remote Work bei der Care-Arbeit?

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Job van der Voort: Ich denke, gerade kleine Kinder, wie meine beiden, sind noch sehr betreuungsintensiv: Man kümmert sich praktisch rund um die Uhr um sie, bringt sie zum Kindergarten oder zur Schule, holt sie ab, bringt sie vielleicht an manchen Tagen noch zum Sportverein und abends dann ins Bett. Remote zu arbeiten, bedeutet für mich, dass ich all diese Dinge tun und trotzdem in Vollzeit arbeiten kann. Müsste ich tagtäglich zur Arbeit pendeln, würde sich das ganze Bild meines Tagesablaufs verändern und ich hätte schlichtweg nicht genügend Zeit, um sowohl meinen Kindern als auch meinem Job gerecht zu werden. Durch ortsungebundenes Arbeiten kann ich die Zeit, die ich sonst fürs Pendeln bräuchte, anders aufteilen. Das heißt, dass ich mich beispielsweise abends, wenn die Kinder schlafen, noch an die Arbeit setzen kann.

t3n: Wie genau sehen denn die Remote Regelungen bei euch aus?

Job van der Voort: Wir haben eine Work-from-Anywhere-Regelung. Die ist auch in einem für alle öffentlich zugänglichen Dokument festgehalten, sogar für Menschen, die nicht bei uns angestellt sind. Da wir auf der ganzen Welt kein einziges Büro besitzen, können unsere Mitarbeitenden komplett ortsunabhängig arbeiten. Für bestimmte Rollen im Support oder im Sales, sieht der zeitliche Aspekt natürlich etwas anders aus, da sie zu bestimmten Zeiten verfügbar sein müssen, um ihre Arbeit erledigen zu können. Während zum Beispiel eine Software-Entwicklerin bei uns völlig frei darin ist, zu entscheiden, von wo und wann sie arbeitet. Am Ende des Tages ist uns wichtig, dass die Arbeit passiert.

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t3n: Aber sorgt das nicht für Neid unter der Belegschaft?

Job van der Voort: Nein, denn die allermeisten Teammitglieder arbeiten ja eh von sich aus während der normalen Arbeitszeiten. Große Abweichungen gibt es im Joballtag eigentlich kaum.

t3n: Angenommen, du wärst verpflichtet, ins Büro zu gehen, welchen Teil der Betreuungsarbeit müsstest du dann wahrscheinlich zurückstellen?

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Job van der Voort: Wenn ich verpflichtet wäre, ins Büro zu gehen, wäre für mich die größte Herausforderung, generell genügend Zeit für meine Arbeit freizuschaufeln. Obwohl meine Kinder unter der Woche tagsüber immer in Betreuung sind, würde ich nicht wollen, dass sie bis in den Abend im Kindergarten bleiben müssen. Ich würde deshalb auf jeden Fall meine Arbeitsstunden zurückschrauben, oder aber meine Eltern und andere Menschen einspannen, die ja aber auch ihr eigenes Leben führen, und das natürlich nicht unwichtiger ist als meines. Die ganze Alltagsorganisation wäre einfach komplizierter, wenn ich täglich ins Büro pendeln müsste. Da frag ich mich allein schon, wie Pendler ihre Einkäufe stressfrei erledigen.

t3n: Um die Rückkehr ins Büro herrscht ja eine hitzige Debatte. Kannst du den Argumenten der Kritikerinnen und Kritiker hinsichtlich Remote Arbeit etwas abgewinnen – etwa in Bezug auf das Onboarding neuer Mitarbeitender oder dem Aufbau eines Teamgeistes? Wie löst ihr diese Herausforderungen?

Job van der Voort: Ich sehe schon auch die Vorzüge des Büros, wenn es um die zwischenmenschlichen Interaktionen geht. Was man im klassischen Büroalltag bekommt, ist das zufällige Aufeinandertreffen mit Kolleginnen und Kollegen. Man sieht sich in der Büroküche, trinkt einen Kaffee zusammen und plaudert. Einen Zusammenhalt und die Kommunikation untereinander aufzubauen, ist dadurch zwar auf den ersten Blick einfacher, aber nicht zwingend besser. Für das Onboarding weisen wir neuen Mitarbeitenden beispielsweise einfach einen sogenannten Onboarding-Buddy zu, der in der Anfangszeit mit allen möglichen Fragen gelöchert werden kann, so als würde man sich in einem Büro gegenübersitzen. Um das Teamgefühl aufrechtzuerhalten, organisieren wir Coffee-Chats in einem virtuellen Meetingraum. Dort können sich die zusammengewürfelten Personen über Themen, die nicht die Arbeit betreffen, austauschen. Wir haben auch sogenannte Audio-only-Calls, das sind digitale Konferenzräume, in denen man im Team zusammenarbeitet, aber eben ohne Video.

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t3n: Glaubst du, dass wir uns in der Debatte künftig weiter auf eine Kultur des ortsunabhängigen Arbeitens zu bewegen, oder glaubst du, dass wir beim derzeitigen Status quo stehenbleiben beziehungsweise uns zurückentwickeln?

Job van der Voort: Ich denke, dass vor allem die hohe Nachfrage nach Fachkräften die Debatte noch mal besonders antreiben wird. Der Arbeitsmarkt wird zunehmend globaler, darum müssen wir Lösungen für globale Zusammenarbeit entwickeln. Wichtig ist aber auch das Verständnis dafür, dass Wissensarbeit nicht nur im Büro, sondern auch aus dem Homeoffice verrichtet werden kann. Spätestens nach der Pandemie haben einige Unternehmen gemerkt, dass ortsunabhängiges Arbeiten funktioniert. Auch bei Fachkräften ist angekommen, dass sie ihre Arbeit im Grunde von überall aus erledigen können. Das ist etwas, worauf sich Unternehmen einstellen müssen. Daher denke ich, dass wir uns viel schneller in eine Work-from-Anywhere-Kultur entwickeln werden als wir es aktuell erwarten. Die Umstände schaffen Realitäten.

t3n: Nichtsdestotrotz gibt es diese Abwehrhaltung.

Job van der Voort: Ich verstehe auch, warum. Seit Jahrzehnten wird Arbeit immer mit einem Büro verknüpft, es ist einfach Teil der Arbeitskultur. Die Umstellung trifft daher besonders Unternehmen, die seit Anbeginn ihre Mitarbeitenden in großen Bürogebäuden willkommen heißen. Startups können ihre Organisation hingegen von Anfang an ganz ohne Büros aufbauen. Das sind ja meist Kritiker und Befürworter in der Debatte – traditionelle und junge Unternehmen. Ich glaube, die meisten Menschen tun sich mit Veränderungen schwer, deshalb denke ich, dass besonders dieser Wandel vom klassischen Büro zum ortsunabhängigen Arbeiten zwar kommen wird, es aber noch einige Zeit dauert, bis er in der Gesellschaft etabliert ist.

t3n: Was können Unternehmen noch tun, um die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben zu gewährleisten? 

Job van der Voort: Eigentlich ist die Lösung doch recht simpel: Die effektive Kommunikation und flexible Arbeit sollten begrüßt, gefördert und ständig aktiv verbessert werden. Für die meisten Unternehmen bedeutet das, ihre Arbeitsweisen zu hinterfragen. Sind die vielen internen Meetings, die im Büro ja zum Arbeitsalltag gehören, überhaupt immer notwendig? Reicht vielleicht einfach ein geteiltes Dokument oder eine E-Mail aus? Ich denke, dass man dabei auch beachten muss, dass sich die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ändern. Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, möglichst flexibel die bestehenden Arbeitsbedingungen anzupassen.

t3n: Danke für das Gespräch!

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Arbeitsalltag: 10 Diagramme und Grafiken, die wir fühlen!

Instagramer Matt Shirley illustriert Arbeitsalltag: 10 Grafiken, die wir fühlen Quelle: Matt Shirley
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