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MIT Technology Review Analyse

Vereinigtes Königreich steigt aus der Kohle aus – wie geht’s in anderen Ländern voran?

Das letzte Kohlekraftwerk des Vereinigten Königreichs hat gerade seinen Betrieb eingestellt. Ein wichtiger Meilenstein. Doch wie sieht es im Rest der Welt aus?

Von MIT Technology Review Online
5 Min.
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Ein Kohlekraftwerk. (Symbolfoto: Rudmer Zwerver/Shutterstock)

Großbritannien hat sein letztes Kohlekraftwerk abgeschaltet und beendet damit eine Ära bei der Energieversorgung des Landes. Einst das Rückgrat des Stromnetzes, wurde die Kohle nach und nach durch andere, sauberere Energieformen ersetzt.

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Die Kohle ist heute der emissionsintensivste Energieträger im Stromnetz, und ein Umstieg auf andere kann helfen, die Klimabelastung zu verringern. Doch nur einige Länder haben ernsthaft damit begonnen, Kohle zu ersetzen. Die G7 hat sich darauf geeinigt, gemeinschaftlich bis 2035 abzuschalten, wenn es nicht zur CO₂-Abscheidung bei den Anlagen kommt. Doch es gibt viele weitere Teile der Welt, in der Kohle weiter boomt, besonders in Ländern, in denen der Strombedarf schnell wächst.

Das Kraftwerk Ratcliffe-on-Soar, das am 30. September um Mitternacht abgeschaltet wurde, war die letzte Bastion der Kohle in Großbritannien, wo der Energieträger eine lange Geschichte hat. Das Land war über 100 Jahre lang auf Kohle angewiesen, bis 1990 machte sie den Löwenanteil der Stromerzeugung aus.

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Zwei Wellen des Kohleausstiegs

Seitdem hat das Vereinigte Königreich zwei große Wellen des Kohleausstiegs erlebt. Die erste fand in den 90er Jahren statt, als der Anteil der Kohle an der Stromversorgung von etwa 65 Prozent auf etwa 35 Prozent sank und im ganzen Land eine Reihe von Bergwerken geschlossen wurden. Die Kohle wurde größtenteils durch Erdgas ersetzt, das immer leichter verfügbar war und die Kohle wirtschaftlich ausstach, sagt Joel Jaeger, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des World Resources Institute.

Vor etwa einem Jahrzehnt kam es dann zu einer zweiten Welle von Kohleabschaltungen. Diesmal wurde sie zum Teil von der Politik vorangetrieben: Die Europäische Union (zu der das Vereinigte Königreich damals gehörte) hatte einen Preis für Treibhausgase festgelegt, und das Vereinigte Königreich führte 2013 einen noch höheren Preis ein. Das machte die Kohle noch unwirtschaftlicher, sagt Jaeger. In den 2010er Jahren wurden erneuerbare Energien (vor allem Wind- und Bioenergie) schneller ausgebaut, um den Großteil der verbleibenden Kohleinfrastruktur zu ersetzen.

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Von den Ländern, die am schnellsten aus der Kohle ausgestiegen sind, hat Großbritannien den wohl beeindruckendsten Wandel vollzogen, sagt der Experte, denn das Land hat die Kohle jetzt vollständig vom Netz genommen. Zu den anderen Ländern, die den Wandel auch schnell vollzogen haben, gehören Portugal, das Ende 2021 die Kohleverstromung eingestellt hat, sowie Griechenland, wo die Kohleversorgung von über der Hälfte des Stroms im Jahr 2014 auf weniger als zehn Prozent im Jahr 2023 zurückging. Auch Dänemark hat den Energieträger sehr schnell abgeschafft und ihn im Gegensatz zu anderen Ländern nicht durch Erdgas ersetzt, sondern vor allem durch erneuerbare Energieträger.

Verschärfte Umweltauflagen für Kohlekraftwerke

Die USA sind die größte Nation unter den Ländern, die am schnellsten von der Kohle wegkommen wollen, sagt Jaeger. Dort ist der Anteil der Kohle an der Stromversorgung in den letzten vier Jahrzehnten von über 50 Prozent auf 20 Prozent gesunken.

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Ein Großteil dieses Wandels war eine Reaktion auf die wachsende Verfügbarkeit von Erdgas in den USA – durch den Fracking-Boom ab Mitte der 2000er Jahre wurde es im Land billiger und leichter verfügbar, sagt Jaeger. In den letzten Jahren wurden die Umweltauflagen für Kohlekraftwerke langsam verschärft und die Kraftwerksflotte wurde älter, was den Betrieb der Anlagen teurer machte und dazu führte, dass mehr von ihnen stillgelegt wurden.

In jüngster Zeit sind in den USA mehr und mehr erneuerbare Energieträger wie Wind- und Solarenergie ans Netz gegangen, die durch Subventionen billiger geworden sind, sodass mehr ältere Kohlekraftwerke stillgelegt werden konnten als zuvor. Die USA gehören dennoch zu den G7-Ländern, die sich darauf geeinigt haben, erst bis zum Jahr 2035 keine Kohle mehr zu verfeuern.

Auch Deutschland hat seinen Kohleverbrauch in den letzten zehn Jahren etwa halbiert und den Energieträger größtenteils durch erneuerbare Energien und weniger durch Erdgas ersetzt. Gleichzeitig hat das Land allerdings bekanntermaßen seine Kernkraftwerke abgeschaltet und das Letzte im April 2023 vom Netz genommen. Es gibt Kritiker, die meinen, dass dies die Abkehr von der Kohle verlangsamt hat.

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Kohlenachfrage in China

Auch wenn sich viele Länder, vor allem in Europa und Nordamerika, von der Kohle verabschieden, boomt der Energieträger in anderen Teilen der Welt noch immer. Die Energienachfrage steigt weltweit, und Kohle ist seit jeher die wichtigste Energiequelle der Welt und deckt etwa 35 Prozent der Nachfrage.

Nirgendwo zeigt sich dieser Trend stärker als in China. Während die meisten der bisher erwähnten Länder (Großbritannien, Deutschland, die USA, Griechenland, Dänemark) seit 2005 einen gleichbleibenden oder sinkenden Strombedarf hatten, ist die chinesische Stromnetznachfrage dramatisch gewachsen.

Der gesamte chinesische Strombedarf lag 1985 bei etwa 400 Terawattstunden. Im Jahr 2005 lag er bei 2.500 TWh. Im Jahr 2023 werden es 9.500 TWh sein. Um mit der Nachfrage Schritt zu halten, baut das Land immer mehr Kraftwerke – und ein Großteil davon wird mit Kohle befeuert.

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Hinzu kommt: Etwa zwei Drittel der neuen Kohlekraftwerke, die in diesem Jahr weltweit in Betrieb genommen wurden, stehen in China. Das Land verzeichnet aber auch einen sehr schnellen Anstieg der erneuerbaren Energien, einschließlich Wind- und Solarenergie. Obwohl der Einsatz von Kohle in dem Land sprunghaft angestiegen ist, ist der Anteil der Kohle am Stromnetz in den letzten Jahren immerhin leicht zurückgegangen. Auch in Indien wächst die Stromnachfrage schnell und bis 2023 wird der Anteil der Kohle am Stromnetz des Landes etwa 75 Prozent betragen.

Die gute Nachricht ist, dass der Kohleboom viel größer hätte ausfallen können, sagt Jaeger. Im Jahr 2015 (dem Jahr, in dem die wichtigsten Staaten das Pariser Abkommen unterzeichneten, in dem das Ziel festgelegt wurde, die Erderwärmung auf etwa 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen) befanden sich weltweit fast 1.500 Gigawatt an Kohlekapazitäten in der Entwicklung. Bis zum Jahr 2023 wurde etwa die Hälfte dieser geplanten Anlagen gestrichen oder ausgesetzt. Etwa 30 Prozent wurden davon in Betrieb genommen, während der Rest noch in Entwicklung ist. Die Stilllegung von Kohlekraftwerken ist ein guter Weg, um die Emissionen im Stromnetz schnell zu reduzieren. Das Problem ist nur, dass der Ausstieg aus der Kohle in vielen Ländern, in denen sie noch wächst, schwieriger wird als in Ländern wie Großbritannien, die das längst hinter sich haben.

Kohleboom mit neuen Kraftwerken

Der Bestand an Kohlekraftwerken ist sowohl in China als auch in Indien relativ neu, sodass es eher ein finanzieller Verlust wäre, sie jetzt abzuschalten. Beide Länder haben auch eine boomende heimische Kohleindustrie, sodass ein Ausstieg wirtschaftliche Auswirkungen für die Menschen dort haben könnte.

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Obwohl beide Länder heute hohe und wachsende Emissionen haben, sind sie nicht die größten historischen Verursacher des Klimawandels. Europa und die USA haben seit 1850 zusammen etwa 40 Prozent aller Treibhausgase in die Atmosphäre emittiert, was bedeutet, dass diese Länder am meisten zur Klimakrise beigetragen haben.

Reichere Länder wie Großbritannien, Deutschland und die USA, denen der Ausstieg aus der Kohle gelungen ist, müssen andere Länder, die das Gleiche tun müssen, unterstützen, sei es durch finanzielle Hilfe, Technologieaustausch oder andere Strategien, so Jaeger. Die Abschaltung des letzten Kohlekraftwerks in Großbritannien zeige, dass ein schneller Ausstieg aus fossilen Brennstoffen möglich sei.

Der Text stammt von Casey Crownhart. Sie ist Redakteurin bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und deckt die Themenbereiche Klima, (erneuerbare) Energie und Transport ab.
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