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Vertrauensurlaub: Nur Schall und Rauch oder ernsthafte Alternative?

Mit dem Jahresanfang geht es wieder los: Kalender werden verglichen, Termine früh geplant, Deadlines überprüft, offene Tage verrechnet. Die Rede ist von der Urlaubsplanung. Der Rahmen ist dabei meist klar: Es gibt x Tage Urlaub pro Jahr. Beim Vertrauensurlaub sieht das anders aus.

Von Johannes Striegel
4 Min.
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Was steckt hinter dem Trend zum Vertrauensurlaub? (Foto: Shutterstock-Shellygraphy)


Laut dem Statistischen Bundesamt haben Arbeitnehmende in Deutschland durchschnittlich 28 Tage Urlaubsanspruch pro Jahr. Je nach Branche, Unternehmen und Tarifvertrag variiert die tatsächliche Anzahl an Urlaubstagen, die zur Verfügung stehen. Auf welcher Basis die freien Tage zustande kommen, verrät die Erhebung nicht.

Über Stepstone und Indeed bis hin zum Schwarzen Brett und auf Social Media wird beim Blick auf offene Stellenanzeigen in den letzten Monaten und Jahren eines sichtbar: Der „normale“ Urlaubsanspruch bekommt Konkurrenz durch ein neues Modell, das stark an die Vertrauensarbeitszeit erinnert – den Vertrauensurlaub.

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Was ist Vertrauensurlaub?

Der Vergleich zur Vertrauensarbeitszeit liegt nahe. Im Kern ähneln sich beide Dinge auch stark. Während Arbeitnehmende im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung für sich selbst festlegen, wann sie arbeiten, verhält es sich beim Vertrauensurlaub analog.

Unternehmen lassen ihren Mitarbeitenden freie Hand, was die Urlaubsplanung angeht. Zehn Tage hier, drei Tage dort, insgesamt 56 oder nur 15 Urlaubstage – alles möglich mit Vertrauensurlaub. Oder? Nicht ganz. Auch Vertrauensurlaub hat ein rechtliches Korsett, in das sich die bei jungen Unternehmen beliebte Regelung zwängen muss.

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Das Korsett trägt einen Namen: Bundesurlaubsgesetz. Dort ist der gesetzliche Mindestanspruch geregelt, der für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland gilt. Wer sechs Tage die Woche arbeitet, hat Recht auf 24 Urlaubstage. Wer fünf Tage wöchentlich arbeitet, darf 20 Tage beanspruchen. Bei Teilzeitbeschäftigten wird der Anspruch entsprechend ihrer Anzahl an durchschnittlichen Arbeitstagen pro Woche heruntergerechnet.

Bedeutet für die Praxis: Ganz ohne Dokumentation und bürokratische Hürden lässt sich der Vertrauensurlaub nicht umsetzen. Am besten erfolgt im Arbeitsvertrag eine Trennung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem Vertrauensurlaub. Die Regelungen zum Urlaub sollten im Arbeitsvertrag festgehalten werden, um Stolpersteine aus dem Weg zu räumen.

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Kann das funktionieren?

Der rechtliche Aspekt ist das eine, die grundlegende Machbarkeit und Sinnhaftigkeit von Vertrauensurlaub das andere. Angenommen, der rechtliche Rahmen steht – kann Vertrauensurlaub dann funktionieren? Im ersten Moment schießt einem ein klares „Ja, warum denn nicht?“ in den Kopf.

Die Vertrauensarbeitszeit funktioniert schließlich auch und ist längst als Alternative zu klassischen Arbeitszeitmodellen angekommen.
Im Anbetracht der Verschiebung der Prioritäten jüngerer Generationen – mehr Freiräume, mehr Flexibilität, mehr Unabhängigkeit – und dem Mangel an Arbeitskräften erscheint dieses neue Urlaubskonzept als sinnvoll. Viele Startups nutzen es, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.

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Doch worin genau liegen die Chancen dieses Konzepts? Freiraum bedeutet Vertrauen. Wer seinen Mitarbeitenden ermöglicht, gänzlich frei über ihren Urlaub zu entscheiden, liefert einen wertschätzenden Vertrauensbeweis. Der wiederum wird mit Loyalität, Bindung, Identifikation und bestenfalls erhöhter Leistungsbereitschaft honoriert.

Funktioniert das Konzept, wirken die Effekte und zufriedenen Angestellten wiederum als Multiplikator nach außen. Unternehmen mit spannenden, neuen Ansätzen ziehen Menschen mit Perspektiven, Eigeninitiative und der Lust, Neues zu entdecken, an. Das kann eine Win-win-Situation für alle Beteiligten werden.

Nicht alles Gold, was am Urlaubshorizont glitzert

Neben den genannten Vorteilen gibt es auch Nachteile, die das Konzept des Vertrauensurlaubs mit sich bringt. Eine Illusion aus Sicht der Arbeitgeber: Mit Vertrauensurlaub fällt die teils lästige und zeitfressende Urlaubsplanung weg. Ganz so einfach ist es nicht. Mitarbeitende sind dennoch weg, ihre Aufgaben und Projekte müssen geplant werden, der Urlaub muss dokumentiert werden – ganz gleich, ob „normaler“ oder Vertrauensurlaub.

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Büroalltag: Tweets, die den täglichen Wahnsinn offenbaren Quelle: Vaobullan-Shutterstock / Twitter

Weiter schwebt über diesem Konzept immer die Befürchtung: Gibt es damit eine Flut von endlosen Urlauben, werden Urlaubstage missbräuchlich genommen und die Abwesenheitskonten explodieren? Die Realität zeigt, dass diesem Szenario die Grundlage fehlt. Die meisten Mitarbeitenden neigen eher zur Mehrarbeit. 60 Tage Urlaub im Jahr? Eher unrealistisch.

Ein Perspektivwechsel verstärkt diesen Gedanken. Stellt euch vor, ihr habt den Anspruch auf unbegrenzten Urlaub. Würdet ihr nicht auch zweimal überlegen, ob ihr nun noch Tag 27 und 28 freinehmt? Gerade dann, wenn Kollegen und Kolleginnen womöglich bisher deutlich weniger Urlaub genommen haben? In den Köpfen der meisten Mitarbeitenden ist der Leistungsgedanke noch stark verankert. Die Frage, wie viel Urlaub zu viel Urlaub ist, wird vermutlich noch lange über Unternehmen und ihren Angestellten schwirren, die sich für Vertrauensurlaub entschieden haben.

Mal klappt’s, mal nicht: Was sagt die Praxis?

Schluss mit der Theorie, ab in die Praxis. Welche Unternehmen arbeiten mit Vertrauensurlaub, wo klappt es, wo gibt es Nachholbedarf, wo wurde schnell zurückgerudert?

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Zuerst ein Blick auf eine Studie aus den USA – laut der Erhebung lag der Anteil an Vertrauensurlaub praktizierenden Unternehmen im Jahr 2020 bei rund sieben Prozent. Bekannte Unternehmen, die den unbegrenzten Urlaub ermöglichen, sind Netflix und GitHub. Bewertungsplattformen zeichnen ein gutes Bild der beiden Konzerne als Arbeitgeber.

Das gleiche Bild zeigt sich auch bei einem kurzen Check der Arbeitgeberbewertungen deutschsprachiger Unternehmen, die das flexible Urlaubsmodell anwenden. Advanon aus der Schweiz oder Myhotelshop aus Deutschland überzeugen mit positiven Reviews aktueller und ehemaliger Mitarbeitender.

Die Recherche zeigt jedoch auch: Nicht überall funktioniert das Modell. Einige Ehemalige berichten davon, viel weniger Urlaub als in anderen Jobs genommen zu haben. Wieder andere sehnten sich das alte, „starre“ Modell zurück, um nicht Gewissensbisse vor jedem freien Tag haben zu müssen.

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Unbegrenzter Urlaub steckt noch in den Kinderschuhen

Zur Wahrheit zählt allerdings auch: Sowohl die positiven wie negativen Beispiele sind gemessen an der Anzahl an Unternehmen nur Tropfen auf den heißen Stein. Um eine wirkliche Vergleichbarkeit zwischen dem klassischen und modernen Urlaubskonzept ziehen zu können, bedarf es mehr Unternehmen, die den Schritt hin zum Vertrauensurlaub gehen.

Wer weiß – vielleicht bringen die neuen Arbeitskräfte von Generation Z und Alpha noch mehr Bewegung in das Thema Vertrauensurlaub. Bis dahin müssen sich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen noch weit umschauen, um einen Platz in einem Unternehmen mit endlosem Urlaub zu ergattern.

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