Vorerst gescheitert: Das Konzept „Internethändler von nebenan“
Sie heißen Flensburg-Shopping.de, Online-City Wuppertal oder Kauf-im-Allgaeu.de. Mit lokalen Internet-Marktplätzen und digitalen Schaufenstern versuchen zahlreiche Städte und Gemeinden dem Siegeszug des Onlinehandels etwas entgegenzusetzen. Doch es mehren sich bei Handelsexperten Zweifel an der Wirksamkeit der gut gemeinten Initiativen.
„Der Versuch, durch lokale Online-Marktplätze die Innenstädte zu beleben, ist gescheitert“, urteilt etwa der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Seine Erklärung dafür: „Lokale Marktplätze funktionieren im Internet einfach nicht. Es fehlt ihnen an allem, was das Einkaufen im Internet attraktiv macht, von der großen Auswahl bis zu den günstigen Preisen.“ Stattdessen werde auf das Prinzip Hoffnung oder vielleicht eher noch auf das Mitleid der Verbraucher gesetzt. „Aber das war im Handel noch nie ein Rezept, das funktioniert.“
Dieses düstere Bild teilen natürlich nicht alle Beteiligten. Roman Heimbold, der mit seinem Unternehmen Atalanda allein in Deutschland insgesamt 19 Online-Marktplätze zwischen Alfeld (Leine) in Niedersachsen und Freilassing in Bayern betreut, wehrt sich dagegen, den Erfolg der Online-Marktplätze auf die im Internet erzielten Umsätze zu reduzieren. Auf den von Atalanda betreuten Marktplätzen seien inzwischen zusammen um die 1.000 Teilnehmer vertreten. Doch nur jeder zehnte davon biete tatsächlich im Netz Produkte zum Verkauf an.
Vom Lokalhandel zum Onlinehandel auf Amazon und Co.
Für viele Händler und insbesondere für Dienstleistungsunternehmen sei es viel wichtiger, im Internet sichtbar zu werden. „Wir arbeiten vor allem mit kleineren und mittleren Unternehmen zusammen und viele davon sind beim Thema Digitalisierung noch sehr entwicklungsbedürftig“, betonte er. Der Auftritt auf dem lokalen Marktplatz könne dann auch ein erster Schritt sein, um später seine Waren auf Amazon oder Ebay anzubieten.
Ganz ähnlich sieht man das in Wuppertal, das mit dem Portal Online-City 2014 einer der Vorreiter bei den lokalen Marktplätzen im Netz war. Auch Rolf Volmerig, Vorstand der Wirtschaftsförderung Wuppertal, räumt ein, dass die online erzielten Umsätze noch nicht sehr beeindruckend seien. Doch berichteten viele Händler, dass durch den Online-Auftritt neue Kunden in die Läden kämen. Hier mache sich die gesteigerte Sichtbarkeit der Unternehmen im Internet positiv bemerkbar. Außerdem sei die Zusammenarbeit zwischen den Händlern gestärkt worden.
Zu wenig Vielfalt und zu wenig Präsens
Eine aktuelle Marktanalyse des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI zeigt, dass die lokalen Marktplätze im Onlinehandel bislang keine nennenswerte Rolle spielen. „Kein einziger von Ihnen hat es in unser Ranking der 1.000 größten Onlinehändler geschafft. Sie tun sich sehr schwer“, berichtet EHI-Experte Lars Hofacker.
Horst Hesse von der Hochschule Koblenz sieht einen der größten Schwachpunkte der lokalen Online-Plattformen in der geringen Zahl der teilnehmenden Händler. In der Regel fänden sich dort nur zwischen 30 und 60 Anbieter pro Ort. Das Ziel, das Shopping-Angebot einer Stadt im Internet abzubilden, lasse sich damit nicht erfüllen, bemängelt er. Er sehe deshalb keine schnellen Erfolge.
Ein Blick auf die Online-City Wuppertal bestätigt seine Einschätzung. Aktuell sind gerade einmal 65 Händler aus der bergischen Stadt auf dem Internet-Markplatz präsent. Und die allermeisten von ihnen bieten nicht mehr als ein paar Hundert, oder gar nur ein paar Dutzend Artikel auf dem Marktplatz an. Zum Vergleich: Die Zahl der auf amazon.de angebotenen Waren wird auf mehr als 200 Millionen geschätzt.
Für einen Abgesang auf die Online-Marktplätze scheint es dennoch zu früh. Atalanda-Geschäftsführer Heimbold plant für dieses und das nächste Jahr den Start weiterer lokaler Marktplätze. Und auch der EHI-Experte Hofacker meint: „Für einen Händler, der keine Erfahrung mit dem Internethandel hat, sind Online-Marktplätze eine gute Möglichkeit, erste Erfahrungen zu sammeln. Das macht es einfacher, in der eigenen Stadt digital sichtbar zu werden.“ Doch fügt er dann noch hinzu: Um wirklich nennenswerte Verkaufszahlen zu erzielen, müsse ein Händler dann doch auf großen Marktplätzen wie Amazon oder Ebay präsent sein. dpa
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