Warum Datenschutz häufig missverstanden wird – aber gerade in diesen Zeiten wichtig ist

(Grafik: mixmagic/ Shutterstock)
Seit Monaten bekomme ich E-Mails von Donald Trump. „I love you! Thank you!“ Oder: „Buy President Trump Executive Order Pen.“ Und vor einigen Wochen erst: „Trump’s Tariffs: Short-Term Pain for Long-Term American Greatness.“
Wie meine E-Mail-Adresse durch konservative und rechte Kreise wandert
Meine einzige Erklärung, wie ich auf dieser Mailingliste gelandet bin: 2021 habe ich mich aus Recherchezwecken bei Parler angemeldet – einem libertären, rechtskonservativen und in Teilen rechtsextremen Netzwerk. Während ich zu Hause im Lockdown saß, planten Trump-Unterstützer auf der „zensurfreien“ Plattform offen den Sturm auf das Kapitol. Als Reaktion entfernten Google und Apple die App aus ihren Stores, Amazon beendete das Hosting.
Dieser Text erscheint in der Ausgabe 4/2025 von MIT Technology Review. Darin widmen wir uns der neuen Raumfahrt-Ära und dessen Herausforderungen. Ab sofort könnt ihr hier das neue Heft bestellen.
Seitdem beobachte ich, wie meine E-Mail-Adresse durch konservative und rechte Kreise wandert. Mal kommt Werbung für Ivanka Trumps Modekollektion, dann „Nachrichten“ einer bekannten Desinformationsseite.

Frederike Kaltheuner berät den öffentlichen Sektor, Think-Tanks und multilaterale Organisationen zu internationaler Digitalpolitik. (Foto: Alena Schmick)
Daran musste ich denken, als ich las, dass die Europäische Kommission die – besonders in Deutschland unbeliebte – Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nachverhandeln will. Der Datenschutz muss derzeit für vieles herhalten: als Hindernis für digitale Innovation, Ursache für Verwaltungsrückstand, Grund für Europas Abhängigkeit von US-Tech. Deregulierung ist das Wort der Stunde in Brüssel.
Datenschutz als bequeme Ausrede
Tatsächlich wird Datenschutz in Deutschland oft zu kompliziert gedacht – und (miss)verstanden. Eine Datenschutzbeauftragte erzählte mir einmal frustriert, dass es an der Grundschule ihrer Tochter keine WhatsApp-Elterngruppe geben dürfe – wegen Datenschutz (was natürlich Unsinn ist).
Datenschutz erscheint oft als bequeme Ausrede gegen Digitalisierung. Das muss nicht so sein. Ich habe mehrere Jahre in Amsterdam und London gelebt, wo – bis zum Brexit – ebenfalls die DSGVO galt. Dort gibt es keine Faxgeräte mehr, die Verwaltung ist digitalisiert und es existiert eine lebendige Start-up-Szene.
Warum Datenschutz für Demokratie und Grundrechte entscheidend ist, zeigt ein Blick in die USA. Dort gibt es zwar zahlreiche sektorale Datenschutzgesetze, aber kein umfassendes auf Bundesebene. Daten zu Ethnie, Einkommen, Aufenthaltsort, Religion, Gesundheit oder sexueller Orientierung lassen sich für wenige Cent bei Datenhändlern kaufen. Polizei und Einwanderungsbehörden nutzen solche Quellen – unabhängig davon, wer regiert. Schon das ist ein massiver Eingriff in Grundrechte.
Zentrale US-Datenbank mit jeglichen Daten über die Bürger:innen
Nun plant die Trump-Regierung laut New York Times, per Exekutivverordnung eine zentrale Datenbank mit allen nicht klassifizierten Regierungsdaten anzulegen – ein bewusster Bruch mit geltendem Recht. Erfasst werden sollen u.a. Gesundheitsdaten, Spendeninformationen, Geburtsland, Kontodaten, Herkunft aus Pflegefamilien, Einkommensquellen – Daten, die bisher bewusst getrennt gespeichert werden. In einem politischen Klima, in dem das Weiße Haus über die illegale Abschiebung von US-Bürgern nachdenkt, ist das brandgefährlich.
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Bevor wir aus Angst vor digitaler Abhängigkeit blind auf Deregulierung setzen, sollten wir uns fragen, warum wir personenbezogene Daten überhaupt schützen – und wo ihr Schutz unverzichtbar ist.
Auch ich bin kein uneingeschränkter DSGVO-Fan. Die Verordnung hat es nicht geschafft, das werbefinanzierte Geschäftsmodell dominanter US-Konzerne zu durchbrechen. Das liegt vor allem an ihrer selektiven, oft zögerlichen Durchsetzung. Doch das ist kein Grund, Datenschutz abzuschwächen – erst recht nicht bei sensiblen Daten oder im öffentlichen Sektor.