Leicht hat es der Unterhaltungselektronikfilialist nicht: großflächige Filialen mit hohen laufenden Kosten, die es schon aufgrund des Warensortiments schwer haben, mit dem Internethandel mitzuhalten. Hinzu kam der vergleichsweise halbherzige und späte Einstieg ins Internetgeschäft, das heute einen großen, aufgrund der komplexen Customer Journey nur schwer zu trennenden und zu beziffernden Teil des Umsatzes und der Markenbekanntheit ausmacht.
Inzwischen, so scheint es, haben Mediamarkt und Saturn aber verstanden, dass die alten, für Jahre in Stein gemeißelten Handelsstrategien, die streng zwischen online und offline unterscheiden, nicht mehr funktionieren. Das beweist das Unternehmen jüngst wieder mit seinen Smart Stores genannten neuen Filialen: Fünf zentrale Innenstadtstandorte wurden vom eingestellten Apple-Reseller Gravis übernommen und zu Mediamarkt-Filialen umgebaut.
Diese befinden sich in absoluten Top-Lauflagen und haben naturgemäß extrem wenig Platz. In München, Köln, Leipzig und Heidelberg hat man die neuen Miniläden in bester Lage in der vergangenen Woche eröffnet, in Hamburg soll eine weitere Kleinfiliale Mitte Dezember folgen. Mit einem ersten Store dieser Größe in Berlin-Friedrichshain hat man bereits einige Monate lang experimentiert.
Abholung online bestellter Waren als ein wichtiges Element
In Italien und Spanien gibt’s ebenfalls die zentralen Kleinfilialen in bester Lage. Natürlich geht dort nur ein sehr ausgewähltes Sortiment – aber auch der Omnichannel-Ansatz. Denn wenn Mediamarkt schon ein entsprechendes Filialnetz großflächiger Läden in den Industriegebieten und Einkaufszentren betreibt, ist es nur schlüssig, mit der Marke und ihren Berater:innen auch zentral präsent zu sein.
Das bestätigt auch Hubert Kluske, Managing Director Sales MediaMarktSaturn Deutschland. „Im Mittelpunkt stehen Services, die schnell und bequem in Anspruch genommen werden können. Zudem fungieren unsere Smart-Stores als Annahme- und Rückgabepunkt für Onlinebestellungen. Wir wollen mit diesem Format klar das Omnichannel-Erlebnis fördern und positionieren uns als vertrauenswürdiger Partner in der Nähe des Kunden.“
Kund:innen können sich so einerseits beraten lassen, dann aber auch gleich auf die Onlineverfügbarkeit verwiesen werden. Waren erhält man dann per Click & Collect entweder einige Tage später in der jeweiligen Filiale oder einfach nach Hause – aber eben mit dem Mehr an persönlicher Ansprache, das viele Kund:innen schätzen und wohl auch suchen.
Serviceaspekt und kleinere Auswahl
Wichtig soll in den Smart Stores, die gerade einmal 400 Quadratmeter maximale Verkaufsfläche bieten, das Service-Angebot sein. Vor Ort könne etwa ein Displayschutz aufs Smartphone aufgebracht werden, an der Smartbar werden kaputte Displays oder schwache Akkus sofort getauscht, verspricht das Unternehmen. Auch die Vermietung von Produkten über den Partner Grover und der Ankaufservice in Kooperation mit Foxway für nicht mehr genutzte Elektrogeräte sollen hier abgewickelt werden. Gerade das ist ein Plus: Kund:innen müssen das Altgerät nicht mehr einschicken und erfahren gleich, ob die eigene Rechnung aufgeht.
Letztlich vorführbereit wird es allerdings in den Innenstadtfilialen deutlich weniger Produkte geben (können). Vernünftig ist die Strategie dennoch, weil sie die Kund:innen an zentralen Punkten abholt und berät und damit den Online-Only-Mitbewerbern einen entscheidenden Schritt voraus ist. Umgekehrt bedeutet es aber auch, dass Mediamarkt nicht an noch mehr Standorten dieselben Waren vorrätig halten muss (oder ansonsten die Kund:innen enttäuscht, wenn man es nicht tut). Insgesamt hat Mediamarkt damit inzwischen vier Filialtypen am Start – zusammen mit Saturn sind es insgesamt 400 Filialen bundesweit.
Innenstädte werden sich verändern
In der Region München finden sich insgesamt (nimmt man den Speckgürtel hinzu) acht Filialen alleine von Mediamarkt, in Köln und Umgebung sind es derer fünf. Insofern ist eine Ansprache in der Stadtmitte nur schlüssig, denn man kann nach einer Erstberatung die Kund:innen hierauf verweisen, wenn sie denn vor der Kaufentscheidung noch mehr Geräte in dei Hand nehmen wollen. Ob die Entscheidung Auswirkungen auf andere Filialen, etwa auch vom zum Konzern gehörenden Saturn-Marke, haben wird, ist noch nicht bekannt. So gibt es etwa in München am Stachus eine große (bei den dortigen Quadratmetermieten teure) Filiale von Saturn.
Ähnlich macht das übrigens auch Möbelhändler Ikea, der neben Innenstadtfilialen, in denen hauptsächlich beraten wird, auch solche am Start hat, die bewusst vorrangig als Abholstationen dienen. Über kurz oder lang wird dieser Trend gerade die großen Innenstädte verändern. Menschen lassen sich bewusst in zentraler Lage auf kleiner Fläche gut erreichbar beraten, kaufen dann im besten Fall online beim selben Händler, erhalten die Ware per Post oder holen sie wiederum ab.
Die Filialen werden so zum Omnichannel-Teil, einer Art Showroom, der aber durchaus auch das Potenzial hat, Servicepunkt zu sein für jene (zahlenmäßig nicht zu unterschätzenden) Kund:innen, die weder ausschließlich online auswählen noch mit einem Callcenter interagieren wollen oder können.
Die Schwierigkeit dürfte dann allerdings darin bestehen, die Loyalität der Verbraucher:innen als Händler:in auch zu erhalten – denn die Kund:innen sind nur einen Klick vom Mitbewerber entfernt, der einen besseren Preis bieten könnte. Bleibt abzuwarten, ob und wie es großen Ketten gelingt, mit den eigenen USPs zu punkten und Kund:innen zu überzeugen.