Seit Jahren berichten wir regelmäßig über Retouren und warum diese zum E-Commerce einfach so selbstverständlich dazugehören wie die Ladenmiete im Präsenzhandel. Doch das Problem bleibt und wird von Jahr zu Jahr eher größer als kleiner: Allein im vergangenen Jahr haben die Deutschen 315 Millionen Pakete zurückgeschickt, so rechnet die Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg vor. Fast jedes vierte Paket geht damit im Onlinehandel an den Absender zurück – ganz oder teilweise, was die Lieferung betrifft.
Damit wurden 2021 schätzungsweise fast 530 Millionen Retourensendungen transportiert, in denen rund 1,3 Milliarden Artikel enthalten waren. Traditionell hoch ist der Fashion-Anteil bei den retournierten Sendungen (83 Prozent) und bei den retournierten Artikeln (91 Prozent). 20 Euro kostet das im Schnitt den Handel für Rücktransport, Handling und Wertverlust pro Artikel beziehungsweise Sendung. Im Schnitt – denn kleinere Händler tun sich hier schwerer als die großen, die entsprechende Effizienz im Retourenmanagement leichter erreichen können.
Laut aktuellen Studien sind die Deutschen besonders rücksendefreudig: Hierzulande senden fast zwei Drittel der Shopper Artikel zurück, während der europäische Durchschnitt bei immerhin 52 Prozent liegt. Als größte Kostentreiber im Bereich Retourenmanagement beurteilen nahezu zwei Drittel (65 Prozent) der Onlinehändler die Prüfung, Sichtung und Qualitätskontrolle der Artikel – das sogenannte Grading. Das alles sind Zahlen einer aktuellen Studie des EHI Retail Institutes.
Grading: So funktioniert das Retourenhandling
Das Startup Buybay hat einmal etwas genauer aufgeschlüsselt, was dabei konkret vor sich geht und was sich hinter dem ominösen Grading verbirgt. Dazu gehört zunächst auch eine Einteilung des Produkts gemäß entsprechender Retourenkategorien von „neuwertig“ bis „stark beschädigt“, wobei natürlich eine Kaffeemaschine anders geprüft wird als ein Notebook, Bekleidung anders zu behandeln ist als Unterhaltungselektronik und sich auch die Anforderungen der Händler unterscheiden.
Zunächst prüft das Unternehmen, ob ein Produkt leichte oder schwerere Gebrauchsspuren hat oder ob die Verpackung gar nicht geöffnet wurde. Auch das kommt vor, etwa wenn eine Ware vor den Feiertagen oder einem konkreten Termin bestellt wurde und – aus welchem Grund auch immer – nicht rechtzeitig ankam. Oder aber wenn der:die Empfänger:in anhand der Dokumentation auf dem Karton gemerkt hat, dass das Produkt nicht das gewünschte ist oder einfach nicht passt oder nicht kompatibel zu vorhandenen Produkten ist. Ist das Produkt noch originalverpackt, kommt es meist direkt wieder in den Handel, wenn keine Gründe wie Verderblichkeit dagegensprechen.
Säuberung und Aufhübschen erhöht Wiederverkaufschancen
Überprüft wird gegebenenfalls, ob das Gerät funktioniert und das Zubehör noch komplett und nutzbar ist. Falls nötig werden rechtskonform Daten gelöscht oder durch einen Reset der Ausgangszustand wiederhergestellt, sofern zu erkennen ist, dass das Produkt bereits ausprobiert wurde. Einfacher ist das natürlich bei Waren aus dem Textilsektor, wobei hier vor allem geprüft wird, ob die Ware getragen und beschädigt ist.
Nicht fehlen darf in sämtlichen Fällen eine mehr oder weniger intensive Säuberung, um die Ware „aufzuhübschen“. Fingerabdrücke, Staub, Prüfung auf Kratzer, Flecken oder Verfärbungen – der äußere Eindruck spielt auch und gerade bei B-Ware eine wichtige Rolle und verhindert, dass der nächste Käufer das gute Stück ebenfalls zurücksendet, weil er damit ein schlechtes Gefühl hat.
Gegebenenfalls muss auch die Verpackung ersetzt werden und eventuell vorhandene Schönheitsfehler sind zu dokumentieren, kleinere Bildschirmkratzer und Ähnliches zu fotografieren. Danach kann die Ware endlich über den eigenen Webshop oder einen B‑Ware-Bereich der Website oder eines Marktplatzes verkauft werden.
17 Millionen Artikel kommen in die Schrottpresse
Während gut 92 Prozent der Waren gleich wieder in den Verkauf können, weil sie als neuwertig verkauft werden können, durchlaufen ungefähr vier bis sechs Prozent eine umfangreichere Refurbishment-Behandlung – je nach Warengruppe und Anspruch des Händlers mehr oder weniger.
Die gute Nachricht: Gerade einmal 1,3 Prozent kommen laut der Bamberger Statistik nicht wieder in den Handel, werden gleich durch die Händler oder deren Dienstleister entsorgt. Die schlechte Nachricht: Das ist – wir rechnen anhand der oben genannten Zahlen hoch – im Jahr 2021 immer noch eine Menge von 17 Millionen Artikeln gewesen.
Wenn also Umweltorganisationen Bilder oder Videos von Vernichtungen von Waren zeigen, dann ist das durchaus eine größere Menge an Waren, die in den Schredder oder die Schrottpresse kommen oder im besten Fall teilrecycelt werden. Hinzu kommen übrigens laut der Retourenforscher:innen der Uni Bamberg jene Waren, die durch Wiedervermarktung und direkt beim Kunden entsorgt oder ausgeschlachtet werden.