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Porträt

14 Monate auf dem Meer: Was diese Weltumseglerin für ihre Karriere gelernt hat

Mit nur 23 Jahren ist Stefanie Voss um die Welt gesegelt. Diese Reise über das offene Meer hat ihre Karriere stark beeinflusst. Hier spricht sie über ihre Erfahrungen.

6 Min.
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(Foto: Stefanie Voss)

Stefanie Voss hat ihre Liebe zum Segeln schon früh entdeckt. Ihr Großvater war Jörgen Meyer, ein Einhand-Bootsführer, der erst mit 61 Jahren einen Segelkurs machte und bereits vier Jahre später alleine die Welt umsegelte. Zu der Zeit war er nicht nur der älteste, sondern auch der schnellste Einhand-Segler auf dieser Route und erhielt dafür 1972 den Trans-Ocean-Preis. Eine begehrte Trophäe. „Von ihm habe ich wohl die Seglerinnen-Gene geerbt“, erklärt Voss im t3n-Gespräch. Ein Talent, das ihr auch im Job viel gegeben hat, ist sie überzeugt. „Segeln ist enorm charakterbildend“, sagt sie. So ein Mannschaftssport schleife kräftig das Ego ab. Man müsse sich schließlich aufeinander verlassen können, Alleingänge seien – vor allem beim Hochseesegeln – brandgefährlich. „Ein Team ist unter Umständen auf Leben und Tod aneinander gebunden“, weiß sie.

Weltumsegelung mit 23 Jahren

Weltumsegelung auf dem offenen Meer. Das Schiffsleben formt das Ego. (Foto: Stefanie Voss)

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Ihre erste Weltumsegelung absolvierte sie im Gegensatz zu ihrem Großvater schon als junger Mensch. Voss ging als erste weibliche Expat für Bayer – mit gerade einmal 23 Jahren – ins argentinische Buenos Aires, wo sie in der Lateinamerika-Abteilung arbeiten sollte. Das war 1997. Als zwei Jahre später die Niederlassung jedoch ins brasilianische Sao Paolo verlegt werden sollte, war ihr das nicht geheuer. „Buenos Aires war zu der Zeit ein wirklich lebenswerter Ort. Sao Paolo hingegen ein Moloch mit sehr großen Sicherheitsproblemen“, erklärt sie und fügt hinzu, dass sie als alleinstehende junge Frau die Metropole als „viel zu heiß“ empfand. Da sie erst zwei Jahre im Ausland lebte und noch nicht zurück nach Deutschland wollte, begann sie, nach anderen Optionen zu suchen. Als sie erfuhr, dass gerade einige Segelyachten gemeinsam die Welt umrunden und einen Stopp in Argentinien einplanen, entschied sie sich, aufzuspringen.

„Die Bereitschaft, sich zusammenzuraufen, ist groß.“

„Die Idee packte mich“, sagt Voss. „Ich habe Kontakt zu den Yachten aufgenommen und gefragt, ob ich mitsegeln kann.“ Als sie die Zusage erhielt, verhandelte sie mit ihrem Arbeitgeber ein Sabbatical. „Wochen später saß ich auf dem Schiff mit zwei Seesäcken und einer sehr naiven Vorstellung von einer Weltumseglung“, blickt sie lächelnd zurück. Das Lebenskonzept hieß jetzt „Hand gegen Koje“, sprich freie Kost und Logie gegen Arbeitskraft. Arbeiten konnte Stefanie Voss. Herausfordernd war lediglich die Enge, die sie nicht nur schnell auszuhalten lernte, sondern irgendwann sogar als positiv empfand. Konflikte laufen an Bord anders ab: „Im Unternehmen werden sie meist verschleppt oder totgeschwiegen. Auf einem Schiff kann man sich jedoch nicht aus dem Weg gehen“, erklärt sie. „Das ist zwar unangenehm, führt aber schneller durch das Tal der Tränen. Die Bereitschaft, sich zusammenzuraufen, ist groß.“ Ein Dauerkonflikt sei an Bord kaum möglich.

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Überhaupt lasse sich beim Segeln vieles abschauen, das auch im Unternehmensalltag von Bedeutung ist. Vereinbarungen seien beispielsweise immer klar getroffen worden – und Absprachen werden auch eingehalten. „Das fehlt oft in Unternehmen. Da ist eigentlich entschieden, was ansteht, aber uneigentlich hält sich dann doch keiner dran“, sagt Stefanie Voss. Auch vom situativen Führungsstil, der sich stets an neue Gegebenheiten anpasst, können Organisationen ihrer Meinung nach einiges lernen. „Im ruhigen Fahrwasser werden wichtige Entscheidungen gemeinsam getroffen, da herrscht fast keine Hierarchie“, erklärt sie. „Im Sturm gibt es jedoch eine klare Rangfolge, damit schnelle Entscheidungen sowie klare und unmissverständliche Anweisungen möglich sind. Das ist auf Schiffen seit Hunderten von Jahren so – und ich denke, die Seeleute wissen auch, warum.“ Auch das lasse sich auf Unternehmen übertragen: In geordneter Zeit müsse im Team entschieden werden. In der Krise brauche es jedoch Anführer, die schnell agieren.

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Während ihren 14 Monaten auf hoher See lernte sie viel über Teamarbeit, Führung und natürlich auch über sich selbst. Nach ihrer Weltumsegelung ging sie zurück zu Bayer. Und mit ihren neuen Fähigkeiten im Gepäck stieg sie auf. „Ich habe so unterschiedliche Menschen auf engstem Raum erlebt, musste mit ihnen klarkommen, arbeiten, kommunizieren, sie respektieren und mir auch selbst Respekt verdienen“, erklärt Voss. Das sei Lebenserfahrung der besonderen Art. „Mit dem Kopf durch die Wand macht man keine Karriere.“ Das habe sie nicht zuletzt auf dem Schiff gelernt, denn vor ihrer Reise, so sagt sie, sei sie oft zu hitzköpfig gewesen und daran meist gescheitert. Das sei das, was sie zuvor als „Ego abschleifen“ bezeichnet hat. Auch sich über Umstände aufzuregen, immer andere Schuldige zu suchen, sich ärgern über etwas, was nicht mehr zu ändern ist, habe sie sich damals abgewöhnt. „Diese Energie brauchst du für wichtigere Dinge.“

„Ich kenne meine Stärken und Schwächen.“

Ihr Crashkurs auf hoher See und die besonderen Bedingungen um sie herum hätten ihr auch geholfen, bei Bayer – in einer damaligen Männerdomäne – bereits mit 31 Jahren zur Abteilungsleiterin aufzusteigen. Auch ihr Schritt in die Selbstständigkeit und die Gründung ihres eigenen Unternehmens vor elf Jahren hängen ihrer Aussage nach mit einem klaren Selbstbild zusammen, das sie auf ihrer Weltumsegelung geschärft habe. „Ich stehe in einem guten Kontakt zu mir. Ich gehe regelmäßig in die Selbstreflexion und hinterfrage meine Denk- und Verhaltensmuster. Ich kenne meine Stärken und Schwächen und weiß, was ich gut kann und wo ich Partner brauche, die mich ergänzen oder ausgleichend zu meiner Persönlichkeit wirken.“ Heute trainiert Stefanie Voss angehende Führungskräfte und will als Rednerin ihr Publikum begeistern.

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Gewinn für die persönliche Entwicklung

Zwischen den Welten: Eine private Segelreise mit Einfluss auf die Karriere. (Foto: Stefanie Voss)

Vergleichbar mit den Erfahrungen ihrer Reise sei übrigens in besonderem Maße das Familienleben. „Was die Reise bei mir angestoßen hat, haben meine beiden Kinder sicherlich noch weiter vorangebracht“, sagt Voss. „Das Elterndasein, die Vereinbarkeit mit meiner Berufung und die vielen Ansprüche, die meine Umwelt und ich seither an mich haben, die formen den Menschen natürlich weiter.“ Konflikte zu adressieren und sie zu lösen, gemeinsam als Familie zu entscheiden, jedoch in Ausnahmesituationen das Ruder in die Hand zu nehmen, Besprochenes umzusetzen, dabei aber fähig zu sein, Fehler zu erkennen und zu revidieren, das, so glaubt sie, sei in jeder Organisation essenziell – ganz egal, ob im Privatem oder Beruflichem. Von diesem Mehrwert hat sie auch andere in ihrer Familie überzeugen können. Ihr jüngster Sohn hat vergangenes Jahr den Optimisten-Schein gemacht. Eine Bootsklasse, in der Kinder alleine segeln.

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Das Segeln ist bis heute Teil des Lebens von Stefanie Voss geblieben, auch wenn für große Weltumsegelungen erst einmal keine Zeit mehr ist. Tagestörns seien jedoch immer öfter drin. Und sobald die Kinder raus sind, so sagt sie, wolle sie von Europa über den Atlantik in die USA segeln – rein in die Bucht von New York, anlegen in Manhattan, das sei einer ihrer großen Träume. „Sechs bis acht Jahre wird das wohl noch dauern und auch dann am liebsten wieder Hand gegen Koje“, erzählt sie. Vielleicht begleite sie dann ja sogar ihr Sohn, sinniert sie, und wünscht sich insgeheim vielleicht auch ein bisschen, dass auch er in ihre und die Fußstapfen des Opas tritt. „Für seine persönliche und berufliche Entwicklung wäre das ganz sicher ein großer Gewinn“, ist sie überzeugt. So wie für sie und viele andere Menschen auch.

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Jobsuche: Die kostenlose Truffls-App für iOS und Android ist ein Tinder für Bewerber. Wer auf der Suche nach einem interessanten Job ist und fündig wird, swipt einfach nach rechts und schickt einen Lebenslauf ab. Antwortet das Unternehmen, kommt es zum Match. (Grafik: t3n / dunnnk)

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Kommentare (6)

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Denis

Ich finde solche Storys nicht mehr inspirierend. So zeigen sie doch nur, dass sich nur die priviligierte Oberschicht solche „Erfahrungen“ kaufen kann.
Wer „global gesehen“ Glück gehabt hat in eine reiche Familie, als weiße Person und am besten noch in einem Industrieland geboren zu werden- was soll da noch inspirierend sein?
Das ist keine Herausforderung, sondern nur das Abenteuer von priviligierten Menschen….
Außerdem finde ich, passt der Artikel nicht auf tn3.

Titus von Unhold

Work & Travel ist also nur etwas für die privilegierte Oberschicht? Interessante Definition von Oberschicht.

row9090

@Denis:
So sehe ich das auch: Wer 1997 mit 23 Jahren die Mittel hatte, nach Buenos Aires zu reisen, kann nur priviligiert gewesen sein. Die mir bekannte Generation dieser Zeit stand eher vor der Herausforderung aufgrund der eklatanten Arbeitsmarktsituation überhaupt in Lohn und Brot zu kommen, um wenigstens die jährliche Weihnachtsreise zur Familie finanzieren zu können. Die Pendelei in überfüllten Regionalzügen vom Wohncontainer zum Arbeitsort steht als Erfahrungen dem Kojengeruch nicht hinterher. Wer es dann doch schaffte als Expat sich einem der damals nach Osteuropa expandierenen Unternehmen anzudingen, der war spätestens 2008 um zwei Erfahrungen reicher: Auch dort funktioniert nur Vitamin B2 (Bakschisck & Beziehungen) und wer im Ausland scheitert, fängt zu Hause wieder ganz ganz unten an (denn ohne Zahlung in die Sozialkassen, kein Anspruch auf ALG oder Sozialhilfe, wie sie damals noch hieß).

Andreas Weck

Das kann man so sehen. Man könnte aber auch anerkennen, dass die Frau damals sehr mutig war und sich in den 90ern mit 23 einmal um den halben Erdball, weg von der Familie, in einen völlig fremde Kultur begeben hat, um dort in einem aufstrebenden Markt etwas gemeinsam mit anderen aufzubauen. Das verdient erstmal Respekt. Und auch wenn Sao Paolo für sie dann später nicht in Frage kam, und sie andere Pläne entwickelte, zeugt das auch von Tatendrang und nicht etwa vom Rumsitzen und sich den goldenen Löffel in den Mund stecken zu lassen. Hand gegen Koje, also Kost und Logie gegen Arbeitskraft, und dann 14 Monate auf dem Meer zu arbeiten – ohne Bezahlung und jeglichen Komfort wie gesagt -, ist sicherlich auch kein Zuckerschlecken gewesen. Sie hat die Herausforderung angenommen und bewältigt. Auch davor zieh ich meinen Hut.

Es ist immer eine Frage der Deutung. Ich würde erstmal versuchen das Positive zu sehen und nicht Negatives zu unterstellen. Schon gar nicht, wenn man nichts über die Person weiß. Aber Internetregel #1: Haters gonna hate. Leider. Wann werden wir das endlich überwinden?

Gruß, Andreas

Peter

An Andreas: Was hat der erste Kommentar mit „Haters gonna hate“ zu tun? Und was soll man daran überwinden?
Es stimmt doch leider, dass solche Erfahrungen der Oberschicht vorenthalten sind. Wäre die Frau aus ärmeren Kreisen gekommen, hätte sie sich nicht mit 23 Jahren so etwas leisten können.
Dass das dennoch eine tolle Leistung ist steht dabei außer Frage.

Marco

Peter, das ist eine typtisch deutsche Ansicht auf Erfolg und ich möchte das mal ausführlicher erklären, erstmal Glückwunsch an Herr Weck für den wirklich gelungenden Artikel, bei mir kam die Botschaft an.
Es geht nämlich gar nicht im Kern um die Sportart Segeln und schon gar nicht ob das eine priviligierte Sportart ist, die nur Reiche sich leisten können, die Kernaussage hätte man genauso in eine Geschichte über einen kleinen Jungen der Handball spielt packen können, der sein Ego abschleift und über Erkenntnisse im Mannschaftsport Erfolg in seinem Leben findet. Nach einem siegreichen Spiel sitzen Spieler bei einem Bier zusammen und alle sind gleich, aber in den entscheidenen Sekunden eines Spiels muss die Mannschaft funktionieren, müssen Entscheidungsträger schnell, richtige Entscheidungen treffen. Auf einem Boot zählt in einem Sturm nicht der Reichtum, sondern das eine Hand in die andere greift und Konflikte dabei nur hinderlich sind, „schleift euer Ego ab“ und fangt richtig an zu kommunizieren, überwindet Dinge die Euch aufhalten. Und das gilt in den Kommentaren ebenso für Peter und Denis, legt das negative Mindset ab ( sinngemäss ‚ich fand es uninspirirend, immer die Reichen da oben, wir da unten‘, es lag an Stefanie Voss über Erlebtes und Selbstreflektion die richtigen Erkenntnisse für das eigenen Leben zu gewinnen, es gibt Reiche die abstürzen und Arme die die besseren Reichen werden, es liegt an Dir, was Du aus Erfahrung und Selbstreflektion machst, wie du mit anderen umgehst und insbesondere was Du aktuell denkst, positiv oder negativ, das kannst Du bestimmen und das wird über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

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