Whistleblower-Richtlinie: Neue EU-Regelung schützt Hinweisgeber, aber nicht Edward Snowden
Seit November 2019 ist es dem deutschen Gesetzgeber nicht gelungen, die sogenannte Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und dabei anzupassen. Nach zwei ungenutzt verstrichenen Jahren ist die Richtlinie daher am 18.12.2021 in Kraft getreten und gilt jetzt auch in Deutschland direkt.
Das können Hinweisgebende jetzt tun
Natürlich kann der Gesetzgeber weiterhin handeln und etwa eine nationale Konkretisierung beschließen. Vorerst können die Regelungen zumindest gegenüber dem Staat größtenteils direkt geltend gemacht werden.
Von der Richtlinie betroffen sind juristische Personen wie Firmen, Behörden und andere Rechtsträger mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie alle Finanzdienstleister. Sie müssen ein internes Hinweisgebersystem einführen und einen mit der Betreuung des Systems Beauftragten als Ansprechpartner benennen. Ausnahmen gelten lediglich für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern.
Damit ergeben sich für Whistleblower hierzulande deutlich vereinfachte Meldemöglichkeiten. Bisher mussten sie einen Missstand zunächst intern in der eigenen Firma oder Behörde melden. Zudem mussten sie kausal nachweisen, dass ihnen durch den Hinweis auf Missstände im Arbeitsleben Nachteile entstehen. Hinweisgebende mussten darlegen, dass diese Nachteile mit der Offenlegung verknüpft sind. Zudem wurde geprüft, welche Gründe Hinweisgeber für ihr Tun hatten – nur „ehrenwerte“ Gründe wurden akzeptiert.
All das gilt jetzt nicht mehr. Die Gründe für das Whistleblowing gelten als unbeachtlich. Zudem muss nicht erst der interne Weg des Hinweisgebens probiert werden. Stattdessen können sich Personen mit internen Informationen unmittelbar an übergeordnete Whistleblower-Stellen wenden. Bei irreversiblen Schäden, drohenden konkreten Repressalien und beim Ausbleiben einer zügigen Rückmeldung können Whistleblower jetzt sogar die Medien einschalten.
Nationale Umsetzung dennoch unabdingbar
Experten sind sich einig, dass die Richtlinie zur Verwendung gegen die Privatwirtschaft jedenfalls einer Umsetzung in nationales Recht bedarf. Ein solches Gesetz war in der bisherigen großen Koalition nicht umsetzbar gewesen. Die CDU/CSU hatte nicht akzeptieren wollen, dass der Whistleblower-Schutz – wie von der SPD vorgeschlagen – für den gesamten Geltungsbereich deutscher Gesetze und nicht nur für Bereiche wie Finanzdienstleistungen, Ausschreibungen, Produkt- und Lebensmittelsicherheit, Datenschutz sowie Umwelt und Gesundheit gelten soll.
Dennoch gelte die EU-Richtlinie unmittelbar gegen den öffentlichen Sektor. Damit wären juristische Personen des öffentlichen Rechts bei Erreichen der angegebenen Schwellgrößen verpflichtet, etwa eine interne Hinweis-Stelle einzurichten. Auch die anderen Regelungen der EU-Richtlinie, etwa das Recht, Verstöße an Medien zu melden, seien auf sämtlichen Rechtsgebieten im Wege einer richtlinienkonformen Interpretation zu berücksichtigen. Keine Direktwirkung sollen nach Expertenansicht die anti-diskriminierungsrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Hinweisgebenden entfalten.
Edward Snowden wäre nicht geschützt
Wer sich nun zum deutschen Edward Snowden berufen fühlt, sollte sich die Richtlinie zuvor noch einmal intensiver ansehen. Sie böte nämlich keinen adäquaten Schutz. So dürfen derzeit nur echte Straftaten gemeldet werden. Zudem ist der Gang an die Medien nicht als erster Schritt zulässig. Ebenso sind „behördliche Verschlusssachen“ sowie der gesamte Bereich der „nationalen Sicherheit“ von der Richtlinie ausgenommen. So kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass es hauptsächlich darum gehen soll, zu verhindern, dass Kollege Meier drei Bleistifte mitgehen lässt.