
(Foto: Shutterstock-ImYanis)
Es gibt diese Kolleginnen und Kollegen, die beginnen ein Gespräch mit der Ankündigung ihres Folgetermins, schauen währenddessen immer wieder auf ihre Telefone und bitten zum Abschied darum, das Anliegen noch einmal per Mail zu schicken. Andere gehen anders an das Thema heran: Alles an ihnen ist präsent. Auch sie haben einen Folgetermin. Aber mit dem befassen sie sich, wenn es so weit ist.
„Ich bin jetzt zugewandter“, sagte vor ein paar Jahren eine Osteopathin zu mir. Wir sprachen über die Veränderungen nach der Elternzeit. Meine hatte gerade erst begonnen und ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. Zugewandtheit? Ich hatte zu tun, mein Gehirn hatte zu tun, ich war nicht zugewandt, ich war überall und nirgends. Also nickte ich pflichtschuldig. Zugewandtheit klang wie etwas, zu dem man nicken sollte.
Wer zugewandt ist, muss gar nicht so viel tun
Doch Zugewandtheit ist der Karrierefaktor, der als Nächstes spannend wird. Wer sich seinem Gegenüber widmet, macht Eindruck. Interessanterweise geschieht dies mit minimalem Aufwand: Wer zugewandt ist, muss gar nicht so viel tun, denn Zugewandtheit ist fast komplett passiv. Außerdem spart sie Zeit, denn das Gespräch geht schneller. Eine Antwort, eine Lösung, eine Einigung – all dies ist möglich, wenn wir Ablenkung aus einem Gespräch heraushalten.
Das schafft Verbundenheit. Der oder die andere spürt: Ich bin in diesem Augenblick die wichtigste Person. Das ist ja heutzutage keiner mehr gewohnt. Ständig vibriert eine Uhr, ein Display leuchtet kurz auf, die Blicke wandern. Zugewandtheit ist keine menschliche Kernkompetenz. In einem Gespräch fokussiert zu bleiben, ist deshalb fast schon eine Meditationsübung. Aber keine Sorge, ich schicke dich nicht auf die Matte. Probier es hiermit:
Reindenken
Worum geht es in diesem Gespräch? Wenn du das Thema im Kalender stehen hast, dann kannst du dich drei Minuten vorher reindenken. Meistens reicht das schon – die andere Person ist schließlich Expert:in für das eigene Anliegen.
Zuhören
Du brauchst keine Tricks zum Zuhören, du musst es eigentlich nur machen. Lass die andere Person ausreden, auch wenn du denkst, schnell eine Antwort zu haben. Selbst wenn du nach einer Minute helfen könntest, dienst du deinem Gegenüber besser, wenn er oder sie das Anliegen vollständig vortragen darf. Das kann für euch beide eine kreative Übung sein: Welche Lösungen stecken noch im Problem? Je strukturierter ihr die Details seht, desto mehr Ideen werdet ihr haben.
Präsent bleiben
Möglicherweise musst du dein Smartphone ausschalten. Oder es bei jemandem liegen lassen, der oder die dir Bescheid sagt, wenn du gebraucht wirst. Die Wahrheit ist doch: Die meisten Menschen werden seltener gebraucht, als sie sich selbst einreden. Damit ist das wichtigste Argument gegen geistige Präsenz hinfällig.
Kernbotschaften notieren
Was möchte die andere Person von dir? Notier dir den Kern des Anliegens. Und wirklich nur den. Du sollst kein Protokoll erstellen. Es reicht, wenn du am nächsten Vormittag nachlesen kannst, worum es ging und warum das wichtig war.
Antworten anbieten
Kannst du der anderen Person helfen? Eine Antwort anbieten oder eine Richtung weisen? Mach das. Wahrscheinlich ist es gar nicht Teil deiner Rolle, alle Antworten zu diktieren. Aber irgendeinen Schritt in Richtung Lösung solltest du unternehmen. Das Gespräch selbst ist auch der Moment, in dem dir das am leichtesten fallen wird.
Nachfrage planen
Braucht das Gespräch eine Nachfrage? Dann lohnt es sich, mit einer kleinen Notiz schon einmal festzulegen, wann die sein könnte. Wer einige Tage nach einem Termin beim Gegenüber nachhakt, zeigt damit noch einmal, dass der Austausch eine Bedeutung hatte.
- Wurde eine Lösung gefunden? Frag nach, ob sie funktioniert.
- Wurde ein Problem benannt? Frag nach, ob der oder die andere noch einmal sprechen möchte.
Hierfür reicht eine kleine Notiz im Kalender. Bonus-Sympathiepunkte gibt es für die Menschen, die andere mit dieser Nachfrage überraschen.
Charisma für Anfänger
Diese Fähigkeit ist das nächste große Ding der Führung. Wer es nicht schafft, sich seinem Gegenüber wirklich zu widmen, dem wird es nicht gelingen, die wirklich guten Leute ins eigene Team zu holen. Denn die haben die Wahl.
Zugewandtheit ist eine Form des Charismas. Aber Charisma ist abstrakt – alle wollen es, kaum jemand versteht es. Wer sich im Gespräch vollkommen auf die andere Person konzentriert, unternimmt einen ersten Schritt in Richtung eines charismatischen Auftritts. Denn auch wenn sich die meisten Menschen Charisma für sich selbst wünschen, so ist es doch etwas, das ausschließlich in der Wahrnehmung anderer existiert. Wer als charismatisch wahrgenommen werden will, der muss andere wahrnehmen. Zeig anderen, wie sie in deinen Augen glänzen. Dann glänzt du auch in ihren.