Es kam überraschend und war doch höchst erwartbar: CD Projekt Red hat eine Fortsetzung der sehr erfolgreichen „The Witcher“-Reihe angekündigt. Der dritte Teil hat das Studio international bekannt gemacht. Es hat sich insgesamt knapp 30 Millionen Mal verkauft, wurde von der Presse gelobt – und war ein Grund dafür, wieso die Erwartungen an „Cyberpunk 2077“ so hoch waren.
Inzwischen mag sich das Spiel durch etliche Patches und Versionen für Playstation 5 und Xbox Series stark verbessert haben. Doch die meisten werden sich an einen Release erinnern, der nicht nur stark enttäuschend war, sondern den exzellenten Ruf des gesamten Studios in Misskredit brachte. Der Release von „Cyberpunk 2077“ hat die Industrie verändert.
Nun beginnt also der Entwicklungszyklus von „The Witcher 4“. Es ist zu hoffen, dass das Studio und Gamer:innen etwas gelernt haben aus dem, was „Cyberpunk 2077“ für Jahre war – und schließlich wurde. Vier Punkte wollen wir an dieser Stelle näher beleuchten.
Entwicklung braucht Zeit und ist komplex
Auf der Ankündigungsseite betont CD Projekt Red, dass „zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Details zum Spiel – wie etwa ein Entwicklungszeitrahmen oder ein Veröffentlichungsdatum – verfügbar“ sind. Diesen Satz sollten sich alle rot markieren.
Es ist davon auszugehen, dass sich „The Witcher 4“ noch nicht in der Produktion befindet. Wahrscheinlicher ist, dass das Spiel noch in der Pre-Produktion steckt. In der werden Prototypen erstellt – und wieder verworfen. Spielmechaniken getestet – und wieder verworfen. Dass das Unternehmen die Konzeptionsphase hinter sich gelassen hat, ist wahrscheinlich. Eine Ankündigung noch in dieser Phase wäre ungewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen.
Erst wenn ein Spiel in die Produktionsphase geht, wird es von einem größeren Team unterstützt. Da CD Projekt Red noch immer viele Ressourcen in „Cyberpunk 2077“ steckt, wird zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht in voller Besetzung an „The Witcher 4“ gearbeitet. So eine Ankündigung sorgt für positive PR. Es sorgt auch dafür, dass Anleger:innen beruhigt sein können, dass bereits am nächsten Blockbuster-Spiel gearbeitet wird.
Diese Ankündigung sollte aber nicht als Zeichen ausgelegt werden, dass „The Witcher 4“ in den nächsten Monaten – oder Jahren – bereits erscheint. Wahrscheinlich ist, dass das Spiel nicht vor 2025 erscheinen wird.
Es ist Work in Progress
Über die Jahre der Entwicklung von „The Witcher 4“ werden wir diverse Screenshots, Videos und Gameplay-Präsentationen sehen und erleben. Es werden Features vorgestellt, Grafik präsentiert und Figuren gezeigt werden. Und einen guten Teil davon werden wir im fertigen Spiel höchstwahrscheinlich nicht sehen.
Zu der Entwicklung eines Videospiels gehört das Erfinden neuer Gameplay-Mechaniken und Features genauso wie das Killen eben dieser. Es ist üblich, dass sich im Laufe der Produktion zeigt, dass bestimmte Aspekte doch nicht so gut funktionieren, wie zunächst gedacht; dass sie sich vielleicht mit anderen Mechaniken reiben; dass sie zu Fehlern führen – oder sich einfach nicht so bedienen lassen wie gewünscht.
Gerade da CD Projekt Red mit der Unreal Engine 5 eine für sie neue Engine für die Entwicklung von „The Witcher 4“ nutzen, wird es etliche Restarts innerhalb der Produktion des Spiels geben. Doch einiges davon werden wir dann wahrscheinlich bereits in Trailern und Screenshots gesehen haben. Es ist daher wichtig, die Bezeichnung „Work in Progress“ ernst zu nehmen. Ein Spiel verändert sich innerhalb seiner Entwicklung.
Aus diesem Grund sind auch Verschiebungen gang und gäbe. Sie sollten als Möglichkeit gesehen werden, ein Spiel besser zu machen – ohne dass die Mitarbeiter:innen zum Crunch gezwungen werden. Wenn CD Projekt Red etwas aus „Cyberpunk 2077“ gelernt hat, dann hoffentlich, dass sie erst dann ein Release-Datum bekannt geben, wenn das Spiel kurz vor der Fertigstellung steht.
PR macht … PR!
Die Aufgabe der PR ist es, Hype zu erzeugen. Besonders in der Games-Branche ist das einer der wichtigsten Aspekte, um ein Spiel zu verkaufen. Die Ankündigung, inklusive des Teaser-Bilds, ist bereits die erste PR-Maßnahme für „The Witcher 4“. Es werden etliche weitere folgen. Sie werden lauter und vielversprechender, je weiter die Entwicklung voranschreitet.
Bei „Cyberpunk 2077“ hat diese PR einen guten Teil zur schlussendlichen Enttäuschung beigetragen. Denn es wurden etliche Dinge vollmundig versprochen, die schlussendlich nicht eingelöst wurden. Wer über die Jahre den Hype befeuert, der baut Erwartungen auf, die kaum erfüllt werden können. Das tut weder den Spieler:innen noch dem Studio gut.
Eine etwas weniger gigantomanische PR-Kampagne als bei „Cyberpunk 2077“ könnte also ebenso hilfreich sein wie Gamer:innen, die verstehen, dass Gaming-PR dafür da ist, Stimmung zu machen. Sie erzählen keine Wahrheiten, wollen nicht mit trockenen Fakten überzeugen, sind auch nicht die besten Freund:innen. Schlussendlich geht es immer darum, ein Narrativ zu kreieren, mit dem sich möglichst viele Spiele verkaufen lassen. Es ist ratsam, dem nicht blind zu folgen.
Ein von Menschen gemachtes Spiel
„Cyberpunk 2077“ wollte so ziemlich alles – und hat zum Release dann nur wenig richtig gut gemacht. Etliche Features fehlten oder wurden nur dürftig in die Spielwelt integriert. Technische Schwächen machten selbst die gelungenen Aspekte des Spiels kaum genießbar. Es schien, als hätten die Entwickler:innen alles gleichzeitig machen wollen, anstatt sich zunächst auf eine solide und funktionierende Grundlage zu fokussieren, auf der dann über die Jahre aufgebaut werden könnte.
Dadurch, dass jeder Trailer, jeder neue Schnipsel über das Spiel etliche Features und schier endlose Möglichkeiten in der Open World versprach, entstanden Vorstellungen vom dem Spiel, die einfach nicht zu erfüllen waren.
CD Projekt Red täte also gut daran, sich bei „The Witcher 4“ auf die Fundamente eines guten Rollenspiels zu fokussieren und dann dort zu innovieren, wo es sinnvoll ist. Wenige, aber hervorragend funktionierende Gameplay-Mechaniken sind immer besser als endlose Möglichkeiten, die alle flach sind. Das erklärt etwa den Erfolg von „Elden Ring“.
Genauso wichtig ist es aber, dass Gamer:innen sich das „es ist doch nur ein Spiel“ zu Herzen nehmen, das sonst gerne ins Feld geführt wird, wenn es darum geht, „Politik in Videospielen“ zu verhindern. Es ist davon auszugehen, dass „The Witcher 4“ ein großes Spiel wird. Es mag einen kompletten Neuanfang machen oder alte Geschichten weitererzählen. Kann komplett neue Spielmechaniken einführen oder sich auf die altbewährten stützen. Es wird wahrscheinlich eine brillante Grafik und gigantische Spielwelt bieten. Aber es ist ein Spiel. Ein Produkt oder Werk – je nachdem, wie man es sehen will -, das in erster Linie unterhalten will. Es wird nicht alles können, was Gamer:innen sich wünschen. Es wird Schwächen haben. Es wird von Menschen produziert sein, die Hunderte Stunden Arbeit reingesteckt haben. Die hoffentlich nicht crunchen mussten, um das Spiel fertigzustellen.
Dieser menschliche Aspekt kommt in der Rezeption von Videospielen oft zu kurz. Denn weder ist ein From Software, das gerade für „Elden Ring“ gefeiert wird, unfehlbar, noch ist CD Projekt Red, als es für „Cyberpunk 2077“ kritisiert wurde, voll von unfähigen Menschen. Darum bitte bei jedem PR-Video, das den Hype ordentlich entzündet, auch daran denken: Das wird noch von Menschen gemacht.
Die meisten Gamer werden sich nicht ändern. Sie werden sich weiterhin von Hochglanz-Trailern beeindrucken lassen und direkt die Brieftasche zücken, sobald es etwas zu pre-ordern gibt. Das ist aus meiner Sicht nicht ganz klug und zudem auch überhaupt nicht notwendig. Es ist ja nicht so, als wenn Games direkt zum Release für Monate vergriffen wäre (… es handelt sich ja nicht um eine Next-Gen-Konsole). Man kann sich auch in wenigen Tagen und ohne Spoiler einen Überblick über ein Spiel verschaffen und es dann immer noch ganz entspannt kaufen. Wenn allerdings Ungeduld und hohen Erwartungen dominieren, dann muss man sich nicht wundern auf die Nase fallen.
Daneben hat sich CDPR natürlich selber ein Bein gestellt. Wer dem Druck der Investoren und der Gamer nachgibt, verkauft damit sein Herzblut, welches er jahrelang in ein derartiges Projekt gesteckt hat. Letztlich sollte das Entwicklerstudio selber entscheiden, wann ein Spiel fertig ist. Denn niemand anderes kann genau das bewerten. Da hilft es natürlich wenig, wenn schon vorab die Hype-Maschine in Gang gesetzt wird und mit leeren Versprechen nur so um sich geworfen wird.
Da sollte man sich eher ein Beispiel an Rockstar oder Nintendo nehmen. Da haben die wenigen Informationen zu neuen Spielen wenigstens Gehalt.