
Die Arbeitswelt ist im Wandel, was vor allem daran sichtbar wird, dass ortsungebundene Arbeit immer normaler wird. In Deutschland arbeiten beispielsweise rund ein Viertel der Arbeitnehmer:innen regelmäßig im Homeoffice. Laut dem Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung könnten sogar rund 56 Prozent der Berufe zumindest hybrid ausgeübt werden – sprich teilweise im Büro und teilweise im Homeoffice. Doch auch ein anderer Arbeitstrend bahnt sich zunehmend den Weg: Workations.
Immer mehr Unternehmen bieten der fest angestellten Belegschaft inzwischen Workation-Tage, von denen sie einen Teil ihrer Arbeitszeit ortsungebunden im Ausland verbringen können – von großen Reisekonzernen wie Tui über junge Startups wie das Health-Tech Caspar über kleine und mittlere Agenturen wie die PR-Berater von Piabo. Workations sind in der Arbeitswelt keine Seltenheit mehr. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass inzwischen sogar ganze Geschäftsmodelle um den New-Work-Trend entstehen.
Sind Workations gut oder schlecht?
Und doch scheiden sich die Geister daran, ob dieser Arbeitstrend nun eine Errungenschaft oder ein Desaster für die arbeitenden Menschen ist. Zwei Digital Worker erzählen, wie sie auf das Thema blicken – wem stimmst du zu?
„Ich kann reisen – ohne dem Diktat der Urlaubstage zu unterliegen“

Workations: Das spricht dafür! (Foto: Shutterstock/J.K2507)
Von Andreas Weck
Den Slogan „Leben, wo andere Urlaub machen“ konnte ich als Kind jeden einzelnen Tag für mich reklamieren. Geboren und aufgewachsen in einem Kurort an der Ostsee, lebte ich dort, wo andere jedes Jahr ein Großteil ihrer Urlaubstage aufwenden mussten, um für ein paar Wochen in den Genuss dieses Idylls zu kommen. Heute kursiert ein etwas abgewandelter Slogan in den Medien: „Arbeiten, wo andere Urlaub machen.“ In mir löst dieser Claim ähnlich gute Gefühle aus wie das Original. Beschrieben wird damit das Phänomen der Workation, also der Jobtrend, dass Arbeitgebende ihre Teams ortsungebunden arbeiten lassen, von wo aus sie wollen. Meist eben dort, wo andere Urlaub machen: von Bali über die Balearen bis nach Berchtesgaden oder Bornholm.
Ich kann mich noch gut an die Tristesse an so mach einem Arbeitstag vor 15 Jahren erinnern, als ich in den Beruf einstieg: Aufstehen, Dusche, U‑Bahn, Büro, Schreibtisch, Kantine, Schreibtisch, U‑Bahn, Supermarkt, Joggingrunde, Couch, Schlafenszeit, Repeat. Jeden Tag die gleiche Tour, jeden Tag die gleichen Orte. Am Wochenende dann der Reset. Heute ist das anders, heute kann ich mit dem Segen meines Chefs meinen Arbeitsort verlegen und den Schreibtisch in meinem alten Heimatort, dem Kurort an der Ostsee, aufbauen, oder sogar ganz verrückt, meine Joggingrunde im New Yorker Central Park anstatt im Berliner Volkspark durchziehen. Die Arbeit bleibt gleich, aber eben mit der Möglichkeit, sie von überall aus auf der Welt zu erledigen.
Ich kann reisen – ohne dem Diktat der Urlaubstage zu unterliegen. Dass wir das heute können und auch tun, ist für mich New Work per definitionem: Technologie befähigt uns, das zu tun, was wir wirklich wollen, proklamierte der Begründer der Bewegung, Frithjof Bergmann. Dazu gehört für mich auch, dort zu sein, wo ich wirklich sein will. Möglich ist das dank der Digitalisierung eigentlich schon lange, doch wie so oft hinkte der Mensch den technologischen Möglichkeiten hinterher. Inzwischen sind wir auch kulturell bereit, den Fortschritt zu leben – Chef:innen haben verstanden. What a time to be alive!
„Sie haben deine Arbeitskraft gekauft und nicht dein Leben“

Workations: Das spricht dagegen! (Foto: Shutterstock/J.K2507)
Von Raimund Schesswendter
„Leben, wo andere Urlaub machen“ kann ich sofort nachvollziehen. Arbeiten im Urlaub nicht. Ich halte die „hybride Arbeitswelt“ für eine kapitalistische Erfindung, um noch mehr Arbeitskraft aus den Menschen herauszuholen. Die Gefahr einer massiven Entgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit steigt in der Workation auf ein Maß, das ich inakzeptabel finde. Schon der Begriff stellt für mich eine Verballhornung dar: Arbeit als Urlaub umzufirmieren, nur weil ein Pool daneben liegt, ist der Inbegriff der Entgrenzung. Ich arbeite in einem Büro und nicht in meinem Wohnzimmer und achte genau auf Zeiten und ihre Trennung.
Meiner Meinung nach leiden sowohl die Arbeitsproduktivität als auch die Lebenszufriedenheit, wenn man die beiden Sphären nicht voneinander trennt. Viele Arbeitsweltexpert:innen wie etwa Jessica Stillmann bestätigen meine Einschätzung und warnen dringend davor, die Wände zwischen Privatleben und Arbeitsleben einzureißen. Workation ist für mich das Musterbeispiel dieser Fehlentwicklung. Ich will mich im Urlaub erholen, abschalten, und das gelingt mir nicht, wenn ich dort einen Schreibtisch aufbaue. Im Gegenteil: Die Arbeit wird nicht dadurch besser, dass ich den schimmernden Pool in der prallen Sonne neben mir habe, aber noch drei Artikel fertigstellen muss. Sie wird schlimmer.
Schon allein im Kopf zu haben, dass ich einen Arbeitsslot frei halten muss, nimmt meinem Urlaub das Erholsame. Absichtlich diesen Zustand herbeizuführen kommt mir vor wie Selbstgeißelung. Wenn ich Urlaub habe, will ich den in vollen Zügen genießen. Und wenn ich arbeite, will ich im optimal ergonomisch ausgerichteten Büro sitzen und es verlassen können, wenn ich fertig bin. Dann genieße ich mein Privatleben ohne Stechuhr, Produktivitätstools und Technikpark. Der sogenannte Work-Life-Flow ist ein Betrug am eigenen Leben, wie Christian Scholz in seinem Buch „Mogelpackung Work-Life-Blending“ wortreich belegt. Oder wie der Volksmund sagt: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Und das soll von mir aus auch so bleiben.
Auch hier gibt es vermutlich kein Richtig oder Falsch. Jeder muss selbst herausfinden, welche Art von Arbeit ihm selber liegt. Wie es allerdings in solchen Artikeln üblich ist, wird alles immer nur schwarz-weiß gesehen. Warum nicht einfach die Abstufungen dazwischen beleuchten?
Solange man neben den Workations dennoch seinen gewohnten Urlaub nehmen und genießen kann, finde ich es ein tolles Modell um den Mitarbeitern dennoch eine Abwechslung in den beruf zu bringen sowie eine Möglichkeit, die Arbeitszeit dennoch bestmöglich zu genießen.