Aus dem Entscheiderumfeld Youtubes hat Bloomberg erfahren, dass die Video-Plattform kurz vor der Umsetzung des Planes steht, zielgerichtete Werbung für Inhalte, die vornehmlich von Minderjährigen konsumiert werden, zu unterbinden. Danach würden Kindern und Jugendlichen künftig keine Werbe-Clips mehr gezeigt, die auf ihren konkreten demografischen Merkmalen und anderen Signalen, die Google zur Verfügung stehen, beruhen.
Verbraucherschutzgruppen werfen Youtube Gesetzverstöße vor
Youtube reagiert damit auf Vorwürfe der US-amerikanischen Verbraucherschutzbehörde FTC (Federal Trade Commission), beständig gegen Kinderschutzgesetze wie den Children’s Online Privacy Act (COPPA) zu verstoßen. Bekannt ist, dass sich FTC und Youtube-Betreiber Alphabet Inc. jüngst geeignet haben sollen. Nicht bekannt ist, wie diese Einigung konkret aussieht. Es ist möglich, dass Youtubes Plan der Einstellung des Targeted Advertising, also zielgerichteter Werbung, Teil der Vereinbarung mit dem FTC ist.
Damit hätte Youtube einen vergleichsweise günstigen Weg gefunden, sich aus dem Konflikt zu befreien. Zwar ist damit zu rechnen, dass diese Maßnahme einen erheblichen Rückgang der Werbeumsätze nach sich ziehen wird. Andere mögliche Maßnahmen der FTC würden Youtube jedoch noch weit mehr kosten.
Verzicht auf Targeted Ads bedeutet nicht Verzicht auf Ads
Denn der Verzicht auf zielgerichtete Werbung bedeutet nicht etwa, dass keine Ads mehr angezeigt werden. Vielmehr könnte bei einem Sport-Video immer noch Werbung, etwa für Adidas, Nike oder andere themenverwandte Marken, eingeblendet werden. Die Auswahl des Werbe-Clips würde allerdings rein kontextbezogen auf den sonstigen Inhalt des Videos erfolgen und sich nicht etwa aus den bekannten Vorlieben und Merkmalen des konkreten Zuschauers, die Google aus dem Surfverhalten und dem Tracking anderer mehr oder weniger personenbezogener Daten erhalten hat, speisen.
So ist es kein Wunder, dass mit dem nun im Raum stehenden Plan der reinen Beendigung des Targeted Advertising nicht jeder Kritiker zufrieden ist. Verbraucherschutzgruppen hatten im April 2018 wesentlich weitergehende Forderungen aufgestellt. Sie wollten, dass die FTC Youtube dazu verpflichtet, alle Videos, die von Kindern konsumiert werden, in die separate App Youtube Kids zu verschieben und ganz von der Haupt-Plattform zu entfernen. Der Kids-Ableger nutzt kein Targeted Advertising. Der Behördenleiter der FTC, Joseph Simons, schlug dann im Juli 2018 vor, Youtube zu verpflichten, ganz auf Werbung in den betreffenden Videos zu verzichten.
Verzicht auf Targeted Ads ist für Youtube relativ kostengünstig
Beide Vorschläge hätten Youtube weit härter getroffen als es der zu erwartende Umsatzrückgang, der mit dem nun bekannt gewordenen Plan einhergeht, tun wird. Zwar gibt Youtube keine Daten zu konkreten Umsätzen mit einzelnen Inhaltekategorien heraus, jedoch schätzen Experten laut Bloomberg den Umsatz mit Videos mit Kindern als Hauptzielgruppe auf 500 bis 700 Millionen US-Dollar pro Jahr. Den Umsatzausfall durch den Wegfall zielgerichteter Werbung schätzen sie auf maximal zehn Prozent dessen. Würde es Youtube gelingen, Kunden stärker von kontextbasierender Werbung zu überzeugen, würde dieser Verlust sich noch reduzieren.
Kritikern reicht die Maßnahme nicht
Kritiker wenden ein, dass der Verzicht auf Targeted Advertising nicht das Erheben von Trackingdaten Minderjähriger beende, also als alleinige Maßnahme somit untauglich sei. Zudem sei es schwierig, überhaupt sachgerecht zu definieren, ab wann sich ein Video an Kinder richte. Hier wird sich ein breiter Graubereich auftun, der schwer zu beurteilen ist und wohl zu einem Dauerstreitthema werden könnte.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass sich Verbraucherschutzgruppen gegen eine Vereinbarung zwischen FTC und Youtube wenden, die lediglich das Targeted Advertising beendet. Entsprechende rechtliche Schritte hat zumindest Jeff Chester, Direktor des Zentrums für digitale Demokratie (CDD), gegenüber Bloomberg bereits angekündigt. Für einen tragfähigen Kompromiss scheint es mindestens erforderlich zu sein, dass Youtube auf das Erheben von Nutzerdaten und das Erstellen entsprechender Profile verzichtet.
Youtube hat lange auf dem Standpunkt beharrt, keine Plattform für Minderjährige zu sein. Das ist in Anbetracht der tatsächlichen Entwicklung keine Position, die dem Dienst heutzutage noch zu empfehlen wäre. Denn dann wären noch ganz andere Maßnahmen, man denke an Altersverifizierung, möglich.
Auf der anderen Seite wäre ein Youtube hinter einer ausweisgeschützten Wand auch für die Konsumenten nicht gut. Immerhin bietet die Plattform gerade für Kinder sehr viel wertvolles Material, etwa Mathe-Tutorials, Sprachkurse und vieles mehr.
Das wesentliche Problem des neuen Plans besteht daher tatsächlich in der Differenzierung. Ab wann ist ein Video für Kinder bestimmt oder für Kinder von Interesse? Wo soll die Grenze gezogen werden? Aus Konsumentensicht kann der Vorschlag ganz einfach sein: Wie wäre es, wenn Youtube schlicht Targeted Advertising insgesamt abschafft?
Dieter Petereit
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