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Interview

Zalando-Chef: „Das Spotify der Mode werden“

Zalando-Deutschland-Chef Moritz Hau hat ehrgeizige Pläne. Im t3n-Interview erklärt er, warum es ihm nicht mehr reicht, ein klassischer Online-Händler zu sein und wie Zalando zur Mode-Plattform wird.

6 Min.
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Moritz Hau, Country Manager Deutschland bei Zalando, erklärt, wie sich das Unternehmen zur digitalen Plattform wandelt. (Foto: Zalando).

Für die meisten Endkunden ist Zalando immer noch der Online-Händler für Kleidung und Schuhe mit den schrillen Anzeigen. Doch das Berliner Unternehmen ist auf dem Weg zum vollwertigen Ökosystem, zu einer digitalen Plattform. Was das genau für den Markt bedeutet, haben wir mit Moritz Hau besprochen, dem Deutschland-Chef von Zalando, der gestern die aktuellen Zalando-Zahlen und -Prognosen bekannt gab.

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t3n.de: Was verbirgt sich hinter dem Plattformgedanken, dem Konzept der digitalen Plattform, wie Sie es für Zalando realisieren?

Wir wollen ein Betriebssystem für Mode werden. Mode ist ein sehr fragmentierter und komplizierter Markt. Ein gewisser Prozentsatz wird über den stationären Kanal verkauft. Etwa 80 Prozent aller Modeartikel befinden sich dort und stehen online gar nicht zur Verfügung. Ich muss also als Kunde tatsächlich vor Ort suchen, ob der Artikel, den ich möchte, in der gewünschten Farbe und Größe vorhanden ist.

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Betriebssystem der Mode heißt aber auch, dass wir nicht nur die Händler und Käufer zusammenbringen wollen, sondern auch die Berater und Stylisten, die einem die Wahl abnehmen, ebenso wie Same-Day-Delivery-Dienste, die Ihnen die Sachen liefern oder auch Änderungsschneidereien, die die Ware abholen und an Ihre Bedürfnisse geändert zurückbringen. Also all die Dienstleister, die die relativ komplexe Welt der Mode vereinfachen wollen.

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t3n.de: Steht die Zalando-Plattform jedem Händler und jeder Marke offen und was sind die Kriterien, die Sie anlegen?

Wir verstehen uns als geschlossener Marktplatz. Zum einen muss der Händler oder Partner imstande sein, unsere Serviceversprechen (100 Tage Rückgaberecht, schnelle Lieferung etc.) einzulösen. Gleichzeitig muss die Marke auch in unser Sortiment passen.

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Wir arbeiten auf verschiedene Weisen mit Markenpartnern zusammen: zum Beispiel mit lokalen und internationalen Modemarken wie Adidas oder mit bekannten größeren Mode-Handelsketten, die bereits einen bestehenden E-Commerce-Auftritt und ein gut entwickeltes Warenwirtschaftssystem haben. Die Markenpartner stellen ihr Sortiment über die Zalando-Plattform zur Verfügung und die Kundenbestellung wird dann aus dem Logistikzentrum des Partners geliefert. Seit Sommer letzten Jahres testen wir auch die Anbindung des Sortiments aus stationären Geschäften der Partner – zum Beispiel mit zwei Adidas Stores in Berlin.

Eine Kategorie, die ich für die Zukunft besonders spannend finde, sind klassische Einzelhändler, physische Läden. Da haben wir eine Kooperation mit Gaxsys, einem Dienstleister, der eine Art Auftragsabwicklungssoftware für klassische Einzelhändler bereitstellt. Im Moment arbeiten wir im Pilotprojekt mit über 40 Händlern hierüber zusammen. Für die sind wir ein zusätzlicher Vertriebskanal, für den Kunden eine Chance auf schnelle Lieferung. Und für uns wird das Sortiment dadurch tiefer, was wiederum auch dem Kunden nutzt.

t3n.de: Händler haben oft die Befürchtung, dass die Kundenloyalität auf Plattformen mehr der Plattform als dem Händler gilt. Kann Zalando die Befürchtung entkräften?

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Zunächst einmal denke ich, dass die Kunden die größte Loyalität der Herstellermarke und nicht dem Händler entgegenbringen. Wir sehen, dass es für viele Kunden zweitrangig ist, woher sie eine Ware erhalten, sofern sie die Ware zu den Konditionen und mit dem gewohnten Serviceniveau bekommen. Letztendlich ist es für die Händler ein zusätzlicher Absatzkanal und bei weitem nicht der einzige. Der stationäre Handel hat ja gerade bei Mode weiterhin seine Berechtigung.

Für Markenpartner, die ein eigenes Online-Geschäft führen, um ihren eigenen Namen und Webshop zu promoten, geht die Rechnung aber ebenfalls auf. Denn sie können einen Markenauftritt bei uns gestalten, einen Brand-Shop betreiben und ihren USP hervorheben.
t3n.de Es gibt viele, die der Meinung sind, auf einer Plattform könne man eine Marke nicht vernünftig präsentieren. Was denken Sie?

In der Tat ist die Kontrolle über den Vertrieb und den Kontakt mit den Kunden essenziell. Wir geben daher unseren Partnern all das an die Hand, was dazu dient, den Markenauftritt zu gestalten. Die Brand-Shops können sie so mit ihren eigenen Produkten customizen, wie sie das wollen. Typischerweise können die Betreiber einer Marke ihre Markengeschichte viel besser erzählen, als wir das könnten. Deswegen sind sie auch froh, dass sie ihren Auftritt und ihr Sortiment selber managen.

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Außerdem haben wir mit Zalando Media Solutions eine digitale Lösung geschaffen, mit der wir den Marken maßgeschneiderte Werbung anbieten – übrigens auch, wenn sie nicht Teil des Partnerprogramms sind. Das heißt, sie können sich die Zielgruppensegmente, an die Botschaften ausgespielt werden sollen, anhand eines Affinitäts-Scorings aussuchen und ihre Werbung sowohl über Zalando selber als auch über Social Media und andere Drittseiten ausspielen.

t3n.de: Wäre es für Zalando besser, langfristig gar nicht mehr als Händler aufzutreten, um Händler-Konkurrenzängsten entgegenzutreten?

Wir glauben, dass diese scharfe Trennung zwischen Online und Offline nicht mehr zeitgemäß ist. Jeder Händler muss sein Geschäftsmodell überdenken – übrigens nicht nur die stationären Händler, sondern auch die Online-only-Händler, wie wir einer waren. Wir haben das getan und uns als Plattform aufgestellt – ein Spotify der Mode. Anstatt Online und Offline als zwei verschiedene Welten zu sehen, prüfen wir eher, wie wir die beiden Welten so verbinden, dass für den Kunden dabei ein Mehrwert entsteht.

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Ein Beispiel: Wäre es nicht toll, wenn wir mit der Mode das hinbekommen, was mit Spotify in puncto Musik schon gelungen ist? Anstatt in die Stadt zu gehen und nach Dingen zu suchen, die ich gerne hätte, kann ich per App nach Möglichkeiten suchen, mich inspirieren lassen. Ich kann aber auch genau wissen, was ich haben möchte – einen bestimmten Sneaker zum Beispiel. Dann muss mir die App sagen können, wo ich in welchem Zeitraum das Gewünschte bekomme – entweder bei Zalando mit Lieferdatum in ein bis zwei Tagen oder bei einem Geschäft vor Ort. Da kann ich’s dann gleich per Klick kaufen und dort abholen.

t3n.de: Ein Key-Feature von Spotify sind Empfehlungen. Wollen Sie hier noch intensiver den Kunden beraten?

Je breiter man sich vom Sortiment her aufstellt, desto breitere Kundengruppen spricht man an und umso schwieriger wird es, mit einer einzigen Botschaft für alle relevant zu sein. Personalisierung ist fester Bestandteil der meisten Plattformmodelle – ansonsten präsentieren wir Millionen von Modellen und Waren, die für 99 Prozent der Leute nicht relevant sind.

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Dabei gibt es drei Ansätze: zum einen per Algorithmus, weil man mit Big Data wirklich viel lösen kann. Der zweite ist der proaktive Ansatz: Viele Kunden, vor allem die guten und umsatzstarken, möchten mehr interagieren können, um wirklich Input für die Personalisierung zu geben. Insofern ist es wichtig, dass man als Kunde den Algorithmus „füttern“ und verbessern kann.

Der dritte Aspekt ist tatsächlich der menschliche: Der große Nachteil von Algorithmen ist, dass sie Trends, die es eigentlich noch nicht gibt, auch nicht abbilden können. Das aber ist bei Mode eminent wichtig. Die Erkenntnisgewinn und die Qualität der Daten, die das Fachwissen eines Trendscouts oder ein Telefonat mit einem Stylisten vermitteln können, ist höher als das, was der Algorithmus aus bestehenden Informationen wie Kauf- oder Suchverhalten schließen kann. Deswegen ist diese menschliche Komponente für uns in der Tat wichtig.

t3n.de: Wo sehen Sie den Plattformgedanken in drei bis fünf Jahren?

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Ich hoffe, wir haben in drei bis fünf Jahren die Mehrheit der Anbieter und Modemarken, die für unsere Kunden relevant sind, angeschlossen. Ich glaube, wir müssen das Einkaufen schneller, personalisierter und einfacher machen, noch mehr Kundenservice bieten und Freiheit bei der Wahl der Bezahlwege. Wir müssen noch besser wissen, was in Stylingfragen bei Passform und Größenbestimmung wichtig für den Kunden ist – da gibt es noch zahlreiche Baustellen, an denen wir Verbesserungen umsetzen können.

 

Hier findest du den passenden Vortrag zum Thema auf der Internet World, Medienpartner von t3nVortrag: „Fashion meets Tech: Wie Zalando durch Vernetzung Mehrwert schafft“

Termin: Dienstag, 7. März 2017, von 12:00-12:45 Uhr

Location: Trend Arena, Internet World 2017, Messegelände München

Tickets nach Vorabregistrierung kostenfrei unter http://tickets.internetworld-messe.de/

 

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