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Faked in China: Was tun Wechat, Alibaba und JD gegen Plagiate?

Gefälschte Waren aus China sind ein Problem für Unternehmen, auch auf dem ­chinesischen Markt. Wer dort aber mitmischen will, kommt um die ­Plattformen nicht herum. Was tun Wechat, Alibaba und Co. gegen Plagiate – und was können Hersteller tun?

Von Stephan Mayer
6 Min. Lesezeit
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Unterschiede sind auf den ersten Blick kaum zu erkennen – und doch trennt diese beiden Uhren eine Preisdifferenz von knapp 400 Euro. Oben die ­aktuelle Apple Watch Series 6, unten eine Kopie – erhältlich beim Versandhändler Aliexpress. (Abbildungen: Apple, Alibaba)

Der Handel auf großen Onlineplattformen bringt sie mit sich: die Gefahr, dass eigene Produkte kopiert, imitiert und gefälscht werden. Amazon kämpft mit diesem Problem, chinesische Handelsplattformen wie Alibaba sind jedoch ungleich stärker betroffen. Leidtragend sind dabei fast alle.

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Warenfälschungen schaden der Wirtschaft in Milliarden­höhe und kosten Arbeitsplätze. Zwischen 2014 und 2019 war jedes zehnte Unternehmen in Deutschland mindestens einmal Opfer von Produktfälschern. In diesem Zeitraum ist der deutschen Volkswirtschaft ein Schaden in Höhe von 54,5 Milliarden Euro entstanden. Produkt- und Markenpiraterie haben zu einem Verlust von rund 500.000 Arbeitsplätzen geführt.

Produktpiraterie ist als „gezielte Verletzung des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes, bei der geschützte Werke sowie Waren kopiert und anschließend vertrieben werden“ definiert. Fälschungen treten dabei branchenübergreifend auf – von Konsumgütern wie Kleidung oder Handtaschen bis hin zu Software, Medikamenten und Lebensmitteln. Und auch der Maschinenbauverband VDMA beklagt seit Jahren die ständig wachsende Zahl an Plagiaten – davon betroffen sind nicht nur Konzerne wie Siemens oder der Kugellagerhersteller SKF, sondern auch viele Klein- und Mittelständler. Besonders empört man sich dabei über die hohe Zahl an Fälschungen bei Alibaba.

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Passend dazu: Von Tencent bis Tiktok – China Inside

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Plagiate sind gleich auf mehrere Arten gefährlich: Gefälschte Produkte können bei Zollkontrollen ohne Anspruch auf Ersatz beschlagnahmt werden, gefälschte Lebensmittel und Medikamente gesundheitliche Schäden verursachen. Und gefälschte Maschinen oder Maschinenteile minderwertiger Qualität können im Extremfall ein ganzes Unternehmen lahmlegen.

Besonders China steht seit Jahren im Fokus, was die Nach­ahmung bekannter deutscher Marken und Produkte betrifft. ­Dabei geht es keineswegs nur um die reine Herstellung gefälschter Waren, sondern auch um deren Vertrieb. Das betrifft auch Hersteller, die sich in einer Grauzone zwischen Legalität und Illega­lität bewegen, indem sie kopierte Produkte anderer Hersteller unter eigenem Markennamen anbieten.

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Die Betreiber der großen chinesischen E-Commerce-Plattformen Wechat, Alibaba und JD.com versuchen seit Jahren, mit besonderen Vorkehrungen die Verbreitung von Fälschungen zu verhindern und so das Vertrauen der Konsumenten zu gewinnen. Gerade 2019 und 2020 wurden verstärkt Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der gefälschten Produkte zu minimieren.

Auf Wechat Produkte als „Original“ deklarieren

Wer als klein- oder mittelständisches Unternehmen in China auf sich aufmerksam machen will, ist fast zwangsläufig auf einen ­offiziellen Wechat-Account angewiesen. Mit mehr als ­einer ­Milliarde aktiven Nutzern, davon 90 Prozent aus China, ist Wechat das mit Abstand bedeutendste soziale Netzwerk im Reich der Mitte.

Doch Firmen, die sich zu Marketingzwecken große Mühe ­geben, originelle Inhalte für Wechat zu generieren, sehen sich häufig mit dem Problem konfrontiert, dass Wettbewerber ­Content kopieren und dazu verwenden, die eigenen Produkte zu bewerben. Theoretisch ist es möglich, kopierte Inhalte beim Kundendienst von Wechat zu melden, der sich dann das Recht nimmt, die Fälscher zu verwarnen und notfalls zu sperren. Beim ersten Urheberrechtsverstoß droht dem Verursacher eine Sperre von sieben Tagen, beim zweiten Verstoß eine Sperre von 15 Tagen und bei fortwährenden Regelverstößen eine dauerhafte Abschaltung des Accounts.

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Bei Lepin handelt es sich um einen Lego-Klon aus dem chinesischen Shenzhen. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit war es Lego Ende 2020 schließlich gelungen, die Firma erfolgreich zu verklagen. (Abbildung: Lepin)

Seit über fünf Jahren bietet Wechat zudem für Unternehmen eine Funktion, um veröffentlichte Inhalte als „original“ zu deklarieren. Sobald Inhalte von anderen Firmen kopiert werden, werden dem ­Account-Betreiber automatisch die Fälschungen ­angezeigt und er kann mithilfe des Wechat-Betreibers Tencent gegen den Urheberrechtsverletzer vorgehen. In der Praxis kämpfen Unternehmen jedoch immer noch damit, die Urheber von ­Plagiaten dingfest zu machen.

Cloud-Computing soll bei Alibaba die Compliance verbessern

Alibaba wiederum arbeitet seit 2019 mit dem Centre Testing ­International (CTI), der größten chinaweiten Zertifizierungs- und Teststelle, zusammen, um Nahrungsmittel und Produkte aus der traditionellen chinesischen Medizin auf bestimmte verbotene Stoffe hin zu testen und – falls nötig – aus dem Verkehr zu ziehen. Durch striktere Standards bei der Lebensmittelsicherheit will Alibaba klare ­Compliance-Regeln für Einzelhändler schaffen und damit auch Verbraucher besser schützen. Besonders standen dabei wiederholt die Appetitzügler Sibutramin und Ephedrin im Fokus der Ermittler. Sie können zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.

Um die Produktsicherheit zu erhöhen und Fälschungen aufzuspüren, setzt Alibaba auch auf künstliche Intelligenz und den Einsatz seiner Cloud-Computing-Plattform Tianchi. Der Konzern wird dabei von verschiedenen Technologieunternehmen wie zum Beispiel dem Schweizer Konzern Bühler Holding unterstützt. Um Verstöße gegen Lebensmittelbestimmungen schneller zu unterbinden, nutzt das Schweizer Unternehmen Safefood.ai – eine Platt­form, die Informationen aus vielen Tausend unterschied­lichen Quellen sammelt und auswertet.

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Auf JD schlagen Algorithmen Alarm

Auch bei JD (Jindong) – neben Alibaba und Pinduoduo ­Chinas wichtigste E-Commerce-Plattform – nimmt man das Thema Pro­dukt­fälschungen ernst. Anlässlich des chinesischen Singles Day am 11. November 2020 wurde das Antiplagiatsprogramm Huobaochui (wörtlich „Hammer zum Schutz von Schätzen“) gelauncht. Dabei wurden 320 Marken registriert, die in China pro Jahr jeweils um die 100 Millionen Euro umsetzen.

Mithilfe von Algorithmen benachrichtigt das Programm ­Unternehmen, wenn gefälschte Produkte von Drittanbietern verkauft werden oder Werbeanzeigen von gefälschten Produkten auftauchen. Nachdem bestätigt wurde, dass ein Händler gefälschte Produkte verkauft oder das geistige Eigentum einer Marke verletzt wird, wird der Händler, der die gefälschte Ware vertreibt, entsprechend bestraft. Zuvor mussten Unternehmen dafür einen Antrag bei JD einreichen und warten, bis die Plattform die Gültig­keit der Beschwerde überprüft hatte. Das Huobaochui-System verbessert die Effizienz im Kampf gegen Plagiate erheblich.

Wer sich Sportartikel von Li-Ning kauft, fühlt sich beim Logo zwangsläufig an Nike erinnert. Ebenso wie Lepin erzielt Li-Ning seinen Gewinn fast ausschließlich in China. (Abbildung: Li-Ning)

Der Smartphone-Hersteller Xiaomi ist eines der Unternehmen, die bereits von Huobaochui profitieren konnten. Dessen Marke ­Youpin fand nicht nur in China, sondern auch im südostasiatischen Raum eine wachsende Zahl von Käufern. Folglich fanden sich in den vergangenen Jahren immer mehr Nachahmer, was zu zahlreichen Fälschungen führte. Huobaochui half Xiaomi dabei, diese Plagiate aufzuspüren und von JD zu entfernen.

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Digitale Pässe als Kopierschutz

Noch wesentlich stärker als bei Lebensmitteln und Medikamenten kommt das Problem von Produktfälschungen bei Luxus­artikeln zum Tragen. Um dafür zu sorgen, dass Plagiate schnell aufgespürt werden können, setzt der Schweizer Uhrenhersteller Breitling auf eine Partnerschaft mit dem französischen Hightech-Unternehmen Arianee.

Ihr Ziel ist ab 2021 die Entwicklung sogenannter digitaler Pässe, mit denen Breitling künftig seine Uhren ausstatten will. Die digitalen Zertifikate verwenden eine blockchain-basierte ­Lösung, die verhindern soll, dass Betrüger Informationen hacken und ändern können. Das digitale Sicherungssystem soll auch eine höhere Transparenz innerhalb der Lieferkette ermöglichen – was es widerum Fälschern erschweren soll, Plagiate in Umlauf zu bringen.

Sind die Hersteller selbst Schuld?

Um große Mengen an Produkten zu attraktiven Preisen zu bekommen, sehen sich viele KMU dazu gezwungen, direkt auf chinesischen Plattformen, insbesondere auf Alibaba, Produkte einzukaufen. Viel hat sich dort getan, damit Plagiate aus dem Verkehr gezogen werden. Und dennoch sind Fälschungen immer noch ein gravierendes ­Problem – nicht zuletzt spiegelt sich das in der Aussage von Alibaba-­Gründer Jack Ma wider, der eine Mitschuld bei den Originalherstellern sieht.

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Um höhere Gewinne zu erzielen, hätten Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten ihre Produktion nach China verlagert und dennoch ihre Preise nicht gesenkt. Produktfälscher seien im Laufe der Jahre immer besser geworden, sodass deren Produkte nicht nur günstiger, sondern teilweise sogar hochwertiger als die Originale seien. Das Statement von Ma zog 2016 viel Kritik auf sich: „Es ist unangebracht für eine Person in Jack Mas Position, so etwas zu sagen“, sagte Cao Lei, Leiter des chinesischen Forschungszentrums für Internethandel, zu den Äußerungen.

Ebenfalls interessant: Der Kampf ums Bargeld wird digital: Chancen und Risiken von E-Euro, E-Yuan und Co

Fazit

Wer in China die Produkte seiner eigenen Firma vertreiben will, sollte sich zunächst um entsprechende Lizenzen und die Regis­trierung seiner Marken bemühen. Aber selbst diejenigen Unter­nehmen, die über Markenrechte in China verfügen, haben in der Praxis oft Probleme, Fälschungen aus den chinesischen ­E-Commerce-Seiten entfernen zu lassen – trotz der Verein­fachungen, die Wechat, Alibaba, Pinduoduo und JD mittlerweile auf den Weg gebracht haben.

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Ohne das Hinzuziehen qualifizierter Hilfe ist die ­Löschung gefälschter Produkte aus chinesischen Plattformen bisher kaum möglich. Wer gefälschte Produkte von sich auf den ­E-Commerce-Plattformen entdeckt, sollte zunächst die Plattformbetreiber kontaktieren oder eine Agentur beauftragen, die über entsprechend gute Kontakte verfügt. Dabei muss zunächst einmal geklärt werden, ob es sich tatsächlich um ein gefälschtes Produkt handelt oder nur um eines, das über einen nicht legalen Vertriebsweg angeboten wird, etwa indem es von Chinesen illegal importiert und dann in China vertrieben wird.

Unternehmen, die besonders teure Marken vertreiben, sollten sich unbedingt um Echtheitszertifikate bemühen, um sicherzustellen, dass Konsumenten in China Fälschungen leichter erkennen ­können.

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