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30 Jahre Linux: Dominant und unsichtbar

Heute vor 30 Jahren erschien Version 0.01 von Linux. Seitdem scheint es überall zu sein und viele von uns kommen täglich damit in Berührung. Trotzdem scheint es keine Rolle zu spielen, weil überall Windows läuft. Wie kommt es zu diesem Paradox?

Von Enno Park
5 Min. Lesezeit
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Logo und Maskottchen von Linux ist der Pinguin.

Linux hat viele Geburtstage: Im April 1991 begann ein junger Informatik-Student namens Linus Torvalds an der Uni Helsinki sein kleines „Hobbyprojekt“ und als offizieller Startschuss wird ein Usenet-Post von August 1991 gefeiert, in dem er das Projekt erstmals beschrieb und um Feedback bat. Wenig später, am 17. September 1991, erschien die allererste Version 0.01, von der eine Kopie auf GitHub besichtigt werden kann.

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Weil Linux als Hobby- und Studienprojekt gedacht war, hätte Linus Torvalds sich niemals träumen lassen, welche atemberaubende Entwicklung das System in den folgenden 30 Jahren durchlaufen sollte. Die Anfänge hingegen waren klein und bescheiden. Linus Torvalds selbst ging nie davon aus, dass sein System mal etwas anderes als AT-Festplatten unterstützen oder gar auf andere Prozessor-Architekturen portiert werden würde. Die Version 0.11 war die erste, die sich selbst kompilieren konnte. Anfang 1992 kam mit dem X-Server eine graphische Oberfläche hinzu. Linux in der ersten Hälfte der 1990er Jahre war eigentlich kein Betriebssystem, um es zu benutzen, sondern um an der Entwicklung eines Betriebssystems teilzunehmen.

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Mitte der 1990er Jahre war eine Zeit der Unzufriedenheit und Experimente, was Betriebssysteme betrifft. Die Entwicklung freier Unix-Versionen ging wegen Patentstreitigkeiten zwischen AT&T und der Uni Berkeley schleppend voran. Kommerzielle Unix-Varianten waren fast nur im Bundle mit teuren Workstations oder Servern zu haben oder kosteten hohe Lizenzgebühren.

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Es war halt zur Hand

Windows 3.0 war eine furchtbar instabile Erweiterung von MS-DOS. System 7 von Apple war gut für End-User geeignet, aber teuer und nur mit sich selbst kompatibel. Ständig versuchten neue Player die Marktlücke zu füllen. Betriebssysteme wie OS/2 von IBM oder BeOS der kleinen Be Inc. kamen, wurden wohlwollend in der IT-Presse rezensiert, fanden ein paar Fans und verschwanden wieder, während Microsoft sich anschickte, mit Windows 95 und seinen Nachfolgern den PC-Markt zu dominieren, worüber viele Entwickler:innen und Admins nicht besonders glücklich waren.

Dass jedoch ausgerechnet Linux diese Unzufriedenheits-Lücke füllen würde, war Mitte der 1990er Jahre eigentlich nicht zu übersehen – und wurde trotzdem angesichts der Windows-Dominanz kaum wahrgenommen. Linux war da, kostete nichts und ließ sich auf billiger Hardware installieren. Kein IT-Unternehmen, das nicht wenigstens einen alten PC als Printserver irgendwo herumstehen hatte, kein Startup, das seine Dienste nicht pragmatisch auf Linux-Servern und Clustern umsetzte. Google, Facebook und die Wikipedia laufen auf Linux.

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Linux war zur Hand, um Rechnerfarmen aufzusetzen, die zu vertretbaren Kosten die digitalen Effekte in Filmen wie Titanic und Avatar renderten. Linux steckt bis heute in jedem Android-Telefon, auch wenn sich die von Google kontrollierte Umgebung, die auf diesem Kernel läuft, kaum als Linux-Distribution im herkömmlichen Sinne bezeichnen lässt. Nur auf Macs läuft kein Linux, auch wenn der Unix-kompatible Darwin-Unterbau oft für „sowas wie Linux“ gehalten wird. Immerhin ist er auch Open Source.

Open Source

Open Source ist auch das Zauberwort, das den entscheidenden Unterschied machte, nachdem viele Zutaten für den Erfolg von Linux zusammenkommen mussten. Open Source ist einladend, etwas Vorhandenes nicht neu erfinden oder teuer lizenzieren zu müssen, sondern es sogar frei anpassen zu dürfen. Auf diese Weise setzen sich Standards durch. Das haben auch die Großen in der IT-Branche verstanden. Google, Apple und seit einiger Zeit auch Windows nutzen Open Source, weil sie darüber Standards setzen können, die bereitwillig angenommen werden. Open Source könnte auch helfen, viele Probleme der Digitalisierung zu lösen.

Wer beispielsweise Big Blue Button fürs Conferencing anstelle von Zoom einsetzt, muss sich zwar immer noch um Datenschutz bemühen, ist aber nicht mehr genötigt, die Daten einem US-Konzern anzuvertrauen. Wer auf der Basis von Linux und Libre-Office Standard-Software für den Einsatz in Büro und Verwaltung entwickelt, macht sich davon unabhängig, regelmäßig Lizenzgebühren an Microsoft zahlen zu müssen, und hält nebenbei auch noch die US-Geheimdienste von den eigenen Daten fern. Open Source hilft, die Souveränität über die eigene Infrastruktur zu behalten und sollte deshalb ein politisches Projekt sein. Im Anschub mag das teuer sein, aber ist die Software erst einmal für eine Verwaltung entwickelt, kann sie mit geringem Aufwand auch von allen anderen Verwaltungen verwendet werden.

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20XX wird das Jahr von Linux auf dem Desktop

Es gibt in der Linux-Welt einen Witz, dass das jeweils kommende Jahr das Jahr von „Linux auf dem Desktop“ wird. Das wird so bald nicht geschehen. Denn was aus politischen Gründen für Firmen und Behörden wichtig ist – in jeder Hinsicht die Kontrolle zu haben – ist für Privatanwender:innen gar nicht besonders attraktiv. Denn alles kontrollieren zu wollen hieße, an jedem Rädchen drehen zu können und zu sollen. Das führt dazu, sich ständig entscheiden zu müssen. Welche Distribution? Welche grafische Oberfläche? Welche Einstellung hier? Welche Einstellung dort? Diese Entscheidungsfreiheit ist grandios für Nerds und Expert:innen, aber ein Stressfaktor für die ganz normalen Anwender:innen, die einfach wollen, dass ihr Gerät funktioniert, ohne sich Gedanken machen zu müssen. Gedanken, für die sie auch keine Zeit haben, weil sie anderes zu tun haben. Allein die Tatsache, dass es verschiedene Linux-Distributionen gibt und sie erst einmal verstehen müssen, worin die Unterschiede bestehen, erstickt bei den meisten schon das Interesse, bevor es überhaupt losgeht.

Genau so ein Hemmschuh ist die Situation für Anbieter von Publikumssoftware. Die können nicht einfach ihr Grafikprogramm oder ihren Ego-Shooter „für Linux“ entwickeln, sondern müssen auf eine Reihe von Distributionen mit diversen Versionsständen Rücksicht nehmen. Der Test- und Anpassungsaufwand steht dann oft in keinem Verhältnis zum geringen Marktanteil. Unter diesen Umständen wird sich nichts daran ändern, dass Linux die IT-Welt dominiert, aber auf dem Desktop keine Rolle spielt. Das macht es für Menschen außerhalb der IT-Welt quasi unsichtbar: Wenn überall nur Windows-Rechner und ein paar Macs zu sehen sind, halten Politiker:innen und Entscheider:innen die regelmäßigen Lizenzgebühren an Microsoft weiterhin für ein Naturgesetz. Und wenn sie doch mal nach Linux fragen, heißt es: Brauchen Sie nicht, das wird ja gleich mit Windows mitgeliefert …

Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist nicht in Sicht. Das kann man alles bedauern – oder sich einfach trotzdem daran erfreuen, wie gut und reibungslos aktuelle Linux-Distributionen auch auf ganz normalen Privat-PCs für Standard-Aufgaben laufen.

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Kantenhuber

LInux wird solange kein massenkompatibles System, solange sich die Linuxer in ihrer überbordenden Lust nach Fraktionierung weiter machen. Das führt zu nichts, jedenfalls nicht auf dem Desktop/Mobil. Kompatiblität und eine hohe Integration aller möglichen Gerätegenerationen ist die klare Perspektive.

Android auf Basis Linux hat ja schon bewiesen, wie man ein massenkompatibles, aber vor allem benutzerfähiges System baut. Chrome OS funktioniert im Prinzip ebenfalls auf diese Weise und Harmony OS geht gerade los. Jetzt muss es darum gehen, dass vor allem dieser enge Käfig der proprietären Anbieter wegfliegt, mit denen die Hersteller versuchen, ihre Nutzer auf einer ausschließlich von ihnen dominierten Plattform zu halten.

Außerdem ist es kontraproduktiv, dass Linuxer im Grunde versuchen, WIN zu ersetzen, aber kaum etwas von der Komplexität weg nehmen, eher das Gegenteil. Am Ende wird das System überleben, das sowohl eine hohe Benutzerfähigkeit, als auch hohe Perfomance mit gutem Handling, einfacher Administration, hoher Sicherheit und gefordertem Datenschutz liefert.

Antworten
Jürgen Weinzierl

Gibt’s doch längst? Wenn die Leute endlich mal über ihren Schatten springen und begreifen lernen, dass Distros wie Ubuntu oder – wers lieber mit KDE mag – Mint inzwischen wirklich zu benutzerfreundlichen Betriebssystemen herangewachsen sind. Mich nervt das permanente Grummeln gegen Canonical / Shuttleworth inzwischen extrem. Kaum jemand in der kompletten PC Welt hat mehr getan, um Linux zu dem zu machen, was es heute längst ist:
Dem besten OS für jedes Bedürfnis.

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