Alle sechs am Wirecard-Untersuchungsausschuss im Bundestag beteiligten Fraktionen sind sich einig, dass ihre Untersuchungsarbeit wichtige Zusammenhänge aufgedeckt habe. Nach ihrer Auffassung zeigt der Fall Wirecard nicht bloß ein Unternehmen, das mit hoher krimineller Energie betrieben wurde. Vielmehr müsse der Skandal unter Berücksichtigung aller Umstände als Kollektivversagen der Behörden, Aufsichtsorgane und Prüfer, sogar der Bundesregierung, und daher als echtes Systemversagen charakterisiert werden.
Wirecard: Alle Fraktionen im Tenor einig, im Detail mit anderen Schwerpunkten
Naturgemäß sehen die unterschiedlichen Fraktionen jeweils unterschiedliche Akteure als maßgeblich an. Weitestgehend einig sind sich die Finanzpolitiker Fabio De Masi (Linke), Danyal Bayaz (Grüne) und Florian Toncar (FDP).
Linken-Fraktionsvize De Masi sieht ein „kollektives Organversagen“. Staatliche Institutionen hätten eine hohe Bereitschaft gezeigt, „dieser kriminellen Bande auf den Leim zu gehen, weil sie eben Wirecard repräsentiert hat“.
Bayaz bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel. Danach habe es neben einer „Bande mit hoher krimineller Fantasie und Energie“ und einem „Kollektivversagen“ bei Institutionen, Behörden und Aufsichtsorganen auch ein Heer an Beratern und Lobbyisten gegeben, „die Klinken putzen waren, um das Bild dieses Technologiestars“ zu zeichnen. Einer dieser hochrangigen Fürsprecher war der CSU-Politiker Karl Theodor zu Guttenberg.
Wirecard-Fall keine „Naturkatastrophe“
FDP-Politiker Toncar macht deutlich, dass der Wirecard-Fall keine „Naturkatastrophe“ gewesen sei. Niemand könne behaupten, dass „kein Mensch Fehler gemacht hat“. Vielmehr habe sich den Abgeordneten in den Befragungen eine „Kultur der Nicht-Verantwortung“ offenbart.
Jens Zimmermann von der SPD ist es ein Rätsel, dass anerkannte Wirtschaftsprüfer dem Unternehmen in Sachen bilanzieller Kreativität nicht auf die Spur gekommen waren. Jahr für Jahr hätten sie „mit ihrem Stempel auf den Bilanzen den Glauben an das Erfolgsmärchen Wirecard weiter gestärkt“.
Sein Kollege Matthias Hauer von der CDU sieht vor allem Fehler bei der Finanzaufsicht Bafin und dem Bundesfinanzministerium. Dort erkennt er „eine eklatante Kultur des Wegsehens – bei Bilanzkontrolle, Finanzaufsicht, Geldwäscheaufsicht und Mitarbeitergeschäften“.
Der Ausschussvorsitzende und AFD-Politiker Kay Gottschalk bekräftigt seine „Forderung, dass Finanzminister Scholz auch die Verantwortung übernehmen und zurücktreten muss“. Es wäre die folgenschwerste Personalie in einem Skandal, der schon etlichen Personen, darunter Bafin-Chef Felix Hufeld und EY-Deutschlandchef Hubert Barth, dessen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Wirecard-Bilanzen immer wieder testiert hatte, den Job gekostet hat. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) muss im April vor dem Ausschuss erscheinen, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Tag später.
Der Wirecard-Skandal in Kürze
Der Wirecard-Untersuchungsausschuss bemüht sich seit nunmehr fünf Monaten darum, herauszufinden, wie es zu dem mutmaßlichen Milliardenbetrug bei dem ehemaligen Dax-Unternehmen kommen und wieso der so lange unbemerkt bleiben konnte. Zu klären ist, ob man das scheinbar aufstrebende Fintech mit Samthandschuhen angefasst haben könnte. Zuletzt soll eine Perspektive her, die aufzeigt, was sich politisch und in der Folge rechtlich ändern muss, um eine Wiederholung eines solchen Skandals bestmöglich zu verhindern.
Wirecard hatte sich als Dienstleister für bargeldlose Zahlungen in der Schnittstelle zwischen Händlern und Kreditkartenfirmen positioniert und die eigentliche Abwicklung der Transaktionen übernommen. Im Sommer 2021 musste das Unternehmen nach langen rechtlichen Querelen und Sonderprüfungen ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro einräumen. In der Bilanz geführte Barvermögen in Asien erwiesen sich als schlicht nicht vorhanden. Wirecard hatte daraufhin Insolvenz angemeldet.