Adidas, Nike und Tissot bei Shein? Warum sich Marken nur schwer dagegen wehren können
Schon vor einigen Monaten hatten Marketingexpert:innen davor gewarnt, dass Marken bald gegen ihren Willen bei den chinesischen Billigportalen wie Shein und Temu erscheinen könnten – in einem Markenumfeld, das vielen Markeninhaber:innen als wenig hochwertig erscheinen dürfte. Dieser Tage war es dann so weit: Beim Modehändler Shein finden sich Klassiker der Sportartikelmarke Adidas, darunter die als „Adiletten“ bekannten Badeschuhe sowie der Sneaker Adidas Samba. Letztere sind zum jetzigen Zeitpunkt ausverkauft, die Badeschuhe gibt’s noch.
Laut Preisauszeichnung sind die besagten Modelle aktuell aufgrund der wohl hohen Klickrate – überall wird darüber berichtet und viele schauen sich die Angebote an – gar nicht viel günstiger als bei anderen Anbieter:innen im Sonderangebot, wohl aber deutlich günstiger, wenn man die zahlreichen spontanen Rabatte, die per Pop-up eingeblendet werden, einrechnet.
Markeninhaber Adidas ist davon natürlich wenig begeistert und erklärt gegenüber Medienvertreter:innen, man verkaufe dort selbst keine Produkte und gestatte den Vertragshändler:innen auch ihrerseits nicht den Verkauf auf solchen Plattformen. Auch Puma, deren Produkte ebenfalls auf einigen europäischen Shein-Marktplätzen zu finden sind, ist von der Situation nicht angetan. Die Wirtschaftswoche zitiert eine Sprecherin, die erklärt, man habe bereits Schritte gegen unzulässige Angebote wie Fälschungen oder nicht autorisierte Parallelimporte vorgenommen. Eindeutig ist aber vor allem auch die Drohung gegen den Marktplatz: „Sollten Marktplätze oder Plattformen nicht kooperieren und unzulässige Angebote freiwillig entfernen, behalten wir uns das Recht vor, weitere rechtliche Schritte einzuleiten.“
Doch woher die Schuhe kommen und ob es sich überhaupt um echte Stücke oder lediglich Plagiate handelt, ist unklar. Eine Shein-Sprecherin erklärt zu dem Sachverhalt, man respektiere die Markenrechte und es handele sich bei den besagten Angeboten um Originale. Die Begründung: Alle Lieferanten und Verkäufer, die mit Shein zusammenarbeiten, müssten die Unternehmensrichtlinien respektieren und bestätigen, dass die angebotenen Produkte authentisch sind und keine Rechte Dritter verletzen.
Die Anbieter:innen rechtlich belangen können die Hersteller leider nur sehr schwer, denn bis hier entsprechende Maßnahmen ergriffen sind, sind die Angebote längst verschwunden und die Waren verkauft. Noch dazu ist die Durchsetzung aufgrund der schweren Erreichbarkeit der chinesischen Plattformen zum jetzigen Zeitpunkt schwieriger als etwa beim Amazon Marketplace, erklärt ein Handelsexperte. In der Vergangenheit war es zudem aus kartellrechtlichen Gründen für viele Marken schwierig, die Händler:innen selbst daran zu hindern, über bestimmte Plattformen zu verkaufen.
Déja-Vu-Erlebnis im E-Commerce
Neu ist der Kampf der Unternehmen gegen solche Plattformen aber nicht – gerade Modemarken vom bodenständigen Adidas und Nike bis hin zum hochpreisigen und exklusiven Prada, Gucci und Co. führen diesen seit Jahren. Sie führen ihn auf Shopping-Plattformen von Amazon Marketplace bis Ebay, aber auch mit zahlreichen Fakeshops oder kleineren Portalen.
Oftmals handelt es sich um echte Ware, die über etwas unklare bis nicht erwünschte Kanäle importiert wurde, in vielen Fällen aber auch um Plagiate, die teilweise so gut gemacht sind, dass sie selbst Händler:innen und Expert:innen erst auf den zweiten Blick als solche erkennen. Als hilfreich hat sich hier in der Vergangenheit die Zusammenarbeit mit den Plattformen wie Amazon und Ebay gezeigt, die zwischenzeitlich selbst einiges dafür tun, dass insbesondere Plagiate nicht den Weg dorthin finden. Darin sind sie mal mehr, mal weniger erfolgreich, Amazon etwa berichtet regelmäßig über entsprechende juristische oder polizeiliche Maßnahmen weltweit.
Aktuell ist Adidas zwar auf dem deutschen Shein-Shop eine der ersten großen Marken, die dort (unfreiwillig) auftaucht, in der Schweiz gibt es aber, wie eine Stichprobe zeigt, ähnlich wie im spanischen oder britischen Shein-Shop, schon eine Reihe weiterer Marken, die dort präsent sind und es mit ziemlicher Sicherheit nicht sein wollen. Das reicht von Tissot-Uhren über Ray-Ban-Sonnenbrillen bis hin zu Produkten von Guess und Nike – die Liste ließe sich je nach Angebot des Tages beliebig erweitern. Auch in Dänemark, Kroatien und Bulgarien lassen sich entsprechende auffällige Angebote bekannter Marken finden, wenn man etwas genauer danach sucht.
Auch Kund:innen können Probleme bekommen
Ist das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Markenartiklern und Händler:innen, die über chinesische Plattformen verkaufen, also eröffnet? Es scheint so – und es dürfte daher auch nur eine Frage der Zeit sein, bis Kund:innen Diskussionen mit den Zollbehörden bekommen, wenn sie wissentlich oder unwissentlich solche Waren kaufen. In der Regel werden die Waren, sofern der Zoll sie als Plagiat einstuft, einbehalten und es gibt keine weiteren rechtlichen Schritte gegen die Kund:innen in Deutschland, wenn es sich nicht um Handelsware, sondern nur um Einzelstücke für den Endverbrauch handelt. Die Diskussionen müssen Kund:innen dann allerdings gegebenenfalls mit den Verkäufer:innen führen, um ihr Geld zurück zu erhalten, da sie ja keine Ware erhalten haben.