News
Börsenstart eines Giganten: Die Alibaba Group im Portrait

(Foto: Thomas LOMBARD Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.)
Spätestens zum heutigen Börsenstart schallt der Name Alibaba allerorts durch die Medien und irgendwie hat jeder schon einmal etwas von dem Unternehmen gehört. Aber was für ein Konzern genau ist da in China eigentlich herangewachsen? Die Frage einmal schnell während unseres morgendlichen Meetings in den Raum geworfen und schon regnet es Antworten: „Ein riesiges Kleinanzeigen-Portal“, „Da kann man doch erst ab 500 Stück bestellen“, „B2B-E-Commerce“. Ja. Nein. Irgendwie nicht falsch, aber auch nicht richtig. Die Alibaba Group ist die Dachgesellschaft für viele verschiedene Unternehmen aus der Hand von Jack Ma, dem Lehrer, der zum Kopf eines der wahrscheinlich größten E-Commerce-Firmenkonglomerate wurde, das die Welt bis heute gesehen hat. Vorhang auf für das wahre Märchen der Alibaba Group.

Das chinesische Hauptquartier der Alibaba Group. (Foto: Thomas LOMBARD Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.)

Jack Ma im Jahr 2008. (Foto: World Economic Forum /Natalie Behring. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.)
1988 tritt ein Mann mit seinem Englischdiplom in der Hand aus dem Universitätsgebäude des Hangzhou Teacher’s Institute (heute: Hanghzou Normal University): Jack Ma, der zukünftige Internet-Entrepreneur. Sein Weg wird ihn über einen Lehrauftrag für Englisch und internationalen Handel zu ersten Schritten im Netz führen: Ma soll hier als Webdesigner sein erstes Geld verdient haben. Nach dem erfolgreichen Start von „Chinas Yellowpages“, einer Art Gelbe Seiten, wird Ma die Führung über ein staatliches Unternehmen anvertraut.
Im Jahr 1998 kommt Jack Ma einer Bitte des chinesischen Außenhandelsministeriums nach: Er soll einem ausländischen Gast die chinesische Mauer zeigen. Die Begegnung soll sich als schicksalhaft erweisen, denn der Gast aus den USA ist Jerry Yang. Der Yahoo-Mitgründer wird später in Mas Unternehmen investieren. Knapp zwei Jahre später gründet Ma das Unternehmen, mit dem der Aufstieg beginnt: Alibaba.com – eine B2B-Handelsplattform, die zwischen chinesischen Herstellern und Onlinehändlern aus der ganzen Welt vermittelt.
Die heutige Alibaba Group, nicht zu verwechseln mit deren Tochterunternehmen Alibaba.com, besteht aus mehreren Geschäftsbereichen. Da wären verschiedene Marktplätze, die sich an Hersteller, Großhändler, Händler und Endkunden innerhalb und außerhalb Chinas richten, ein Marktplatz in den USA, ein Payment-Dienst, ein Cloud-Computing-Dienst, eine Preissuchmaschine sowie Social-Network-, Navigations- und Messaging-Dienste. Auch kleinere M-Commerce-Unternehmungen mit mobilen Apps als hauptsächlichem Geschäftstreiber existieren, mit denen Alltägliches abgewickelt wird, wie das Bestellen von Essen oder einem Taxi.
Die verschiedenen Unternehmenszweige der Alibaba Group im Überblick:

Übersicht und Einordnung der gängigsten Unternehmen der Alibaba Group. (Grafik: Informerly)
Der Grundstein der Alibaba-Group: Alibaba.com, ein Großhandels- und Herstellermarktplatz. Hier können Onlinehändler mit Herstellern in Kontakt treten, kleine Samples mit ein oder zwei Probe-Produkten bestellen oder auch eigens kreierte Waren in ganzen Container-Ladungen produzieren lassen.

(Screenshot: Alibaba.com)
Bei diesem Marktplatz handelt es sich quasi um einen chinesischen Ableger von Alibaba.com. Hier können chinesische Händler Waren beim Großhandel oder bei einzelnen Herstellern erstehen.

(Screenshot: 1688.com)
Auf dem Endkunden-Marktplatz Tmall.com können Marken und Retailer Shops eröffnen und direkt an die chinesischen Endkunden vertreiben. Der Betrieb eines Tmall-Shops gilt mittlerweile als brauchbare Alternative zum Betrieb eines eigenen Shops in China, westliche Marken wie Calvin Klein sind dort zur Genüge vertreten.

(Screenshot: Tmall.com)
Ursprünglich für den Small-Business-Bereich von Alibaba.com gestartet, um unter anderem den Bedenken der großen Bestellmengen entgegenzuwirken, ist Aliexpress mittlerweile ein weltweit geöffneter Marktplatz für Endkunden geworden. Hier kann jedermann mal eben eine Handytasche, neue Schuhe oder Ähnliches bestellen.

(Screenshot: Aliexpress)
Die Plattform Juhusuan ist eine Groupon-ähnliche E-Commerce-Seite, die mit täglich wechselnden Sonderangeboten und einer Group-Shopping-Funktion lockt: Je mehr Kunden ein Produkt bestellen, desto tiefer sinkt der Preis.

(Screenshot: Juhusuan)
Taobao ist der Marktplatz, der eBay erfolgreich aus China vertrieben hat. Hier können innerhalb von China Privatpersonen Dinge an Privatpersonen versteigern, wie man es auch von eBay her gewohnt ist. Social-Shopping-Aspekte sind bei Taobao schon auf dem Vormarsch, die Micro-Blogging-Plattform Weibo besitzt mittlerweile eine Taobao-Integration.

(Screenshot: Taobao)
Eine Preissuchmaschine, die in China den Platz von Google einnimmt. Die Suchmaschinenstrategie von Alibaba ist sowieso etwas Besonderes: Die Spider der großen Suchmaschinen werden von Alibaba aus den Marktplätzen ausgeschlossen – eine strategische Entscheidung, die bei Suchmaschinenbetreibern zusätzlichen Umsätze verhindern und die Einkäufer direkt auf die eigenen Seiten bringen soll.

(Screenshot: etao)
Ah ja, Alibaba gibt es also nur in China. Nein, seit Kurzem ist der chinesische Konzern auch mit einem B2C-Marktplatz in den Vereinigten Staaten unterwegs. Etwa 1000 handverlesene Händler sollen zum Start bei 11main.com vertreten sein, vermeldet das Wall Street Journal. Laut 11Main betreibt man eine kritische Auslese, die Händler müssen Mindestqualitätsstandards erfüllen, um gelistet zu werden. Hier unternimmt Alibaba offensichtlich erste ernsthafte Versuche, in den US-Markt einzutreten.

(Screenshot: 11main.com)
Alipay ist mittlerweile für den Löwenanteil am E-Payment in China verantwortlich. Viele mobile Aktivitäten von Alibaba dienen der Verbreitung von Alipay, so auch die momentan stark quersubventionierte Taxi-App. Alipay hat sich aber im Laufe der Zeit weiter entwickelt: Mit dem Bereich Alifinance vergibt Alibaba in China mittlerweile Kredite und virtuelle Kreditkarten an Endkunden und betreibt ein Wallet – ein Vorstoß in Richtung Bank-Dienstleistungen. Kredite an Händler vergibt Alibaba schon seit Längerem im kleinen Rahmen.

(Screenshot: Alipay)
Eine Logistik-Plattform: Hier finden Händler, Endkunden und Logistik-Dienstleister zusammen. Wer auch immer etwas über einen der Alibaba-Marktplätze verkauft, findet hier das richtige Angebot und den richtigen Anbieter, um seine Sendungen an den richtigen Ort zu bringen.
Cloud- und Storage-Services, vergleichbar mit Amazon-Web-Services: das ist der Fokus von Aliyun. Auch wenn die meisten Nutzer noch in China sitzen, ist der langfristige Fokus von Alibaba mit Aliyun in Richtung internationales Geschäft ausgerichtet.

(Screenshot: Aliyun)
Der Messaging-Dienst weist eine mit Whatsapp vergleichbare Leistungsfähigkeit und Verbreitung auf: Textnachrichten, Bilder, Video- und Ton-Nachrichten können chinesische Nutzer mit dem Dienst versenden. Neben dem eigenen Dienst besitzt Alibaba noch Anteile an Chinas Marktführer Sina Weibo. Laiwang ist mittlerweie neben dem Konkurrenten WeChat etwas ins Hintertreffen geraten.
Bereits 2007 ist Alibaba.com, die B2B-Tochter der Alibaba Group, in Hongkong an die Börse gegangen. Das Zwischenspiel endete damit, dass Alibaba die im Sinkflug befindlichen Aktien wieder zurückkaufte. Dieses Mal hat die gesamte Alibaba Group den Börsengang gewagt – und es könnte sogar der bisher größte Börsengang überhaupt werden. Nach dem hohen Ausgabepreis von 68 US-Dollar stieg der Kurs zwischenzeitlich auf fast 100 US-Dollar pro Aktie – mit der jetzigen Bewertung von 167,6 Milliarden US-Dollar hat die Alibaba Group damit beispielsweise Amazon und Ebay schon überholt. Groß-Aktionär Yahoo, der bis heute Morgen noch 22,5 Prozent der Anteile an der Alibaba Group hielt, hat sich allein mit einem Teilverkauf seiner Aktien heute acht Milliarden US-Dollar verschafft – noch immer hält der Konzern um Marissa Mayer 16 Prozent der Alibaba-Aktien.
Trotz des fulminanten Börsenstarts hält sich eine gewisse Skepsis gegenüber dem neuen E-Commerce-Player. Sowohl die interne Machtstruktur als auch der Einfluss der chinesischen Regierung werden etwa von Spiegel Online kritisiert:
Zweifel herrschen vor allem an Alibabas Führungsstruktur, die die Macht in der Hand von 27 „Partnern“ bündelt. „Insider haben die Kontrolle“, warnte Harvard-Professor Lucian Bebchuk in der „New York Times“. „Investoren müssen fürchten, dass ein Großteil des Wertes, den Alibaba schafft, nicht mit ihnen geteilt wird.“
Spiegel Online | 19.09.2014
Auch der erste Börsengang ruft beim Focus böse Erinnerungen wach, von 90 Prozent Kursverlust und einer klammheimlichen Ausgliederung des Payment-Dienstes Alipay ist die Rede. Eine Ausgliederung, die der Großaktionär Yahoo wohl zähneknirschend in einem nachträglich abgeschlossenen Kompromiss akzeptierte.
Erst nach monatelangen zähen Verhandlungen rang sich Jack Ma dazu durch, Yahoo mit Verwertungsrechten an Alipay im Nachhinein wieder ruhigzustellen. Der Kompromiss hinterließ allerdings einen schalen Nachgeschmack und das Vertrauen der Anleger war dahin. 2011 wurde Alibaba.com deshalb sang- und klanglos wieder von der Börse genommen. Die Aktionäre der ersten Stunde bekamen dabei von Jack Ma und seinen chinesischen Partnern gerade mal ihren Einstandskurs zurück.
Focus Online | 18.09.2014
Eins ist sicher: Mit dem Börsengang ist Alibaba endgültig auch in den westlichen Märkten auf den Plan getreten. Und spätestens nach unserem Überblick sollte jedem klar sein, dass die Alibaba Group wesentlich mehr als nur eine chinesische Großhandelsplattform oder das chinesische Amazon ist.
Es ist ein wenig wie der kleine, pfiffige Holzhändler aus dem orientalischen Märchen: am Ende eventuell für eine dicke Überraschung gut.
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien
Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.
Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.
Dein t3n-Team