
Nie war es so einfach wie heute, in Geldanlageprodukte zu investieren (Foto: insta_photos / Shutterstock)
Nie war es so einfach wie heute, in Geldanlageprodukte zu investieren. Die in den letzten Jahren entstandenen Fintechs haben dazu beigetragen, dass der Einstieg leichter und niederschwelliger als je zuvor ist. Doch was macht das mit den Kunden und ihrem Risikoverständnis. Zunächst einmal ist da die Zinssituation mit einem aktuellen Zinsniveau, das schon seit Jahren weder das Tagesgeld noch das Festgeld zu einer attraktiven Sparform macht. Kund:innen können schon froh sein, wenn ihre Bank sie nicht zur Kasse bittet und mit den inzwischen zum Begriff gewordenen Strafzinsen belegt. Verkehrte Welt, die so vor einigen Jahren undenkbar schien.
Wahrscheinlich tun die Banken, die Minuszinsen ausweisen, mehr dafür, dass sich Menschen mit ihrer Geldanlage befassen als alle Finanzerklärer zusammen. Doch was ist die Alternative? Ihr Heil suchen viele Kund:innen entweder im Tagesgeld, das nahezu zinslos bleibt und noch dazu – der Inflationsrate sei Dank – dazu führt, dass man am Jahresende weniger Kapitalwert vorfindet als zu Neujahr.
Immerhin haben ETF, Fonds, die mehr oder weniger automatisiert in die Werte eines Aktienindex investieren, viel dafür getan, dass Verbraucher:innen ein günstiges Anlagevehikel finden, das es zumindest wahrscheinlich macht, dass sie nach fünf, acht oder zehn Jahren nicht weniger bis deutlich mehr zurückbekommen als sie eingezahlt haben.
1 Prozent Cashback für die Altersvorsorge? Eher Kleinvieh
Und damit es so richtig schön eingängig ist, kann man in jene ETF-Depots bereits im Supermarkt investieren. So bietet beispielsweise Quirion, ein Robo-Advisor der etablierten Quirin-Bank, die seit 2006 mit einer Mischung aus Anlagemodellen und Honorarberatung vermögendere Kund:innen berät, Geldanlage-Gutscheine an, mit denen die Großeltern sinnvoll Geld schenken oder die Jüngeren das Thema Altersvorsorge für sich entdecken können. An der Edeka-Kasse zwischen Zalando-Gutscheinen und Handy-Aufladekarten hängen die Quirion-Karten mit einem Wert von 25, 50 und 100 Euro, die die Nutzer:in dann auf ein entsprechendes Quirion-Depot einzahlen kann.
Und dann sind da noch Kartenanbieter wie Vantik, die einen Teil ihres Karten-Cashbacks den Kund:innen zurückgeben. Ein Prozent – und damit beim normalen Einkauf ein Betrag, der der Rede kaum wert ist. Doch Kleinvieh macht zumindest dann auch Mist, wenn Verbraucher:innen die Gelegenheit nutzen und zusätzlich sparen. Der schon sprichwörtliche, berühmte Latte-Faktor kann da helfen. Die Idee dahinter: Wer sich tagtäglich auf dem Weg zur Arbeit seinen Latte Macchiato to go für 3 oder 4 Euro versagt, spart über die Monate oder gar Jahre ein kleines Vermögen – erst recht mit vernünftiger Verzinsung am Kapitalmarkt. Immerhin schafft das Fintech Vantik mit seiner Cashback-Idee gleich zweierlei: Die Kund:innen zahlen mit der Debit-Mastercard und sie beschäftigen sich mit dem Thema Sparen und Geld. Doch ein Renten-Turbo ist das alleine noch nicht, zumal die Kosten von gut einem Prozent pro Jahr, die der Kunde fürs Management zahlen muss, im Vergleich zu anderen einfachen ETF-Portfolios reichlich hoch sind.
Neobroker mit Gamification-Ansatz
Auch diejenigen, die über Neobroker wie Trade Republic oder Scalable Capital oder über Fintechs wie Vivid quasi auf der Entertainment-Schiene an das Aktienthema herangeführt werden, kaufen Aktien oder Fractional Shares, also Teile von Aktien. Sie tun das ganz einfach über eine App – und können quasi täglich mitansehen, wie sich der Wert verändert. Alles reichlich Gamification-orientiert und durch entsprechende Blogs und Social-Media-Auftritte von Money-Influencern unterstützt. Jeder kann reich werden – und wenn er oder sie sich im Rahmen der Fire-Bewegung („Financial Independent – Retire early“) ein wenig anstrengt, sogar mit spätestens 40 zur Ruhe setzen oder nur noch das beruflich machen, wozu man Lust hat.
Dabei wird aber leider in vielen Fällen selektiv in Einzelwerte investiert, gerne Unternehmen mit klangvollen Namen – die Top 10 der bei den Anleger-Apps gefragtesten Aktien lesen sich wie das Who is Who der Digitalszene. Von Tesla bis Apple, von Microsoft bis Alphabet. Einen Blick in Geschäftsberichte dürften die wenigsten geworfen haben oder sich darüber Gedanken machen, dass gerade jene großzügig bewerteten Aktien bei einer Kehrtwende der Märkte die ersten sein werden, die mit schmerzhaften Einbrüchen zu kämpfen haben.
Ohne Finanzbildung ein Spiel mit dem Feuer
Immerhin: Seitdem sich vor etwa 20 Jahren mit der Dotcom-Krise viele Deutsche am Aktienmarkt die Finger verbrannt haben, gibt es jetzt erstmals wieder in Deutschland so etwas wie eine breitere Bereitschaft, in Geldanlageprodukte jenseits des Tages- und Festgeldes zu investieren. Und doch wäre es sinnvoller, wenn die Kund:innen nicht nur eine Art Finanzführerschein oder etwas schulische Finanzbildung vorweisen müssten, sondern auch tatsächlich überprüft würde, dass ihnen bewusst ist, was sie da tun. Denn sonst kommt spätestens mit dem nächsten Abschwung an den Märkten ein böses Erwachen – mit der Folge, dass wie schon vor zwei Jahrzehnten Kleinanleger:innen, die noch kurz zuvor an den Stammtischen der Republik über Aktien und Geschäftsmodelle fachsimpelten, einmal mehr zum ungünstigen Zeitpunkt verkaufen.
Davon einmal abgesehen sollten die Verbraucher:innen in der schönen bunten Welt der Fintechs mehr denn je nachrechnen. Denn auch wenn viele Banken ihre Kund:innen über Jahrzehnte mit großzügigen Provisionen, die oftmals kaum einsehbar waren, abkassiert haben, haben auch die Fintechs nichts zu verschenken. Denn auch wenn diese deutlich schlankere Organisations- und Kostenstrukturen haben als die meisten etablierten Banken, müssen auch sie angesichts des aktuellen Zinsniveaus Geld verdienen.