Technologie-Regulierung: Wer baut den Käfig, der Orwells Visionen einsperrt?

Amazon will Gesetzesvorlagen zur Regulierung von Technologien erarbeiten. Das bringt die Frage auf: Wer soll Orwells Käfig bauen? (Foto: Amazon)
Amazon hat neue, faszinierende Alexa-Geräte vorgestellt. Langsam kann Alexa den Kunden in jedem Winkel seines Lebens begleiten, vom Nachtlicht im Kinderzimmer über die Mikrowelle bis hin zur Brille auf der Nase. Dass das Thema Überwachung gerade dank der voranschreitenden Verbreitung von Sprachassistenten immer mehr in den Fokus der öffentlichen und politischen Debatte rückt, ist Amazon bewusst, deshalb hat das Unternehmen begonnen, diese Themen aktiver zu behandeln. Weite Teile des Amazon-Events zur Vorstellung der neuen Echo-Devices waren dem Datenschutz und Funktionen gewidmet, die den Kunden mehr Kontrolle über übermittelte Daten ermöglichen. Zeitgleich hat Jeff Bezos überraschend persönlich auf dem Event einen von Amazon formulierten Gesetzesvorschlag angekündigt, der Amazons umstrittene Gesichtserkennungstechnologie regulieren soll. Amazon prescht vor und versucht aktiv die Regulierung von Überwachungstechnologien anzustoßen. Da stellt sich die Frage: Wollen wir das? Wer soll den Käfig bauen, der Orwells Szenario in Zaum hält?
Technologie an sich ist nicht gut oder böse
Technologien können auf unterschiedliche Weise eingesetzt werden. Das Dynamit hat den Berg- und Straßenbau enorm vorangebracht, es gäbe ohne Alfred Nobels Erfindung keinen Panama-Kanal und keinen Gotthard-Tunnel. Dynamit fand aber auch seinen Einsatz im Krieg. Ein anderes Beispiel: Der theoretische Physiker Robert Oppenheimer gilt als Vater der Atombombe; er äußerte sich nach dem Krieg kritisch zu Atomwaffen und prophezeite, dass die Menschheit die Namen Los Alamos und Hiroshima verfluchen würde. Aber Oppenheimers Forschungsgebiet brachte nicht nur Tod und Zerstörung hervor. Die Leistungen und die Erkenntnisse aus der theoretischen Physik helfen uns dabei, die Welt und das Universum zu verstehen und bereichern den Alltag bis heute. Erkenntnisse aus der Quantenmechanik brachten uns den Laser in der Industrie und im CD-Player, Einsteins Relativitätstheorie spiegelt sich beispielsweise in modernen GPS-Navigationssystemen wider.
Es ist, wie es Shakespeare in Hamlet ausdrückte: „Denn an sich ist nichts weder gut noch schlimm; das Denken macht es erst dazu.“
Technologien, die zur totalen Überwachung geeignet sind, müssen reguliert werden
Die Möglichkeiten, neue Technologien zu missbrauchen, müssen erkannt und reguliert werden. Wie die Beispiele der Vergangenheit zeigen, erliegt die Politik oft der Versuchung, Technologien für Zwecke einzusetzen, die von nachfolgenden Generation verflucht werden.
Technologien wie Sprachassistenten oder Gesichtserkennung sind an sich nicht mehr oder weniger anfällig für den Missbrauch als Überwachungstechnologie oder jede andere moderne Technologie. NSA und GHCQ haben gezeigt, dass weder das Netz noch die altbackenen Telefonnetze davor sicher sind. Dass Sprachassistenten ständiger Gegenstand einer Überwachungsdiskussion sind, ist psychologisch bedingt: Zum einen stehen sie deutlich sichtbar in unseren Wohnungen und zum anderen besteht ihr Zweck schlicht darin, uns zuzuhören – oder anders ausgedrückt: uns zu überwachen. Viele verstehen hier vielleicht zum ersten Mal, dass da „jemand zuhört“, eben weil da jemand zuhört.