Amazon-Händler nicht auf Augenhöhe: Deshalb könnte die EU das Kartellverfahren gegen Amazon eröffnen

Eigentlich ist es ein reichlich alter Vorwurf, der immer wieder aufs Neue diskutiert wird: Amazon soll die Daten von Drittanbietern genutzt haben und nutzen, um ihnen auf der eigenen Plattform Konkurrenz zu machen, heißt es. Laut Medienberichten könnten Wettbewerbshüter der Europäischen Union jetzt das Verfahren gegen das Unternehmen eröffnen. In der Tat ist Amazons Doppelrolle schon häufiger in die Kritik geraten: Denn einerseits stellt Amazon mit dem Marketplace die Plattform für den Handel, andererseits ist Amazon auf vielerlei Wegen über Eigenmarken, aber auch als Vertrieb für eine Vielzahl an Produkt selbst Handelsteilnehmer.
Und die Händler schauen unterdessen tatenlos zu – weil Amazon angesichts der Marktmacht zumindest als Vertriebskanal mit Marketingcharakter relevant ist und weil das Unternehmen inzwischen eine Marktmacht erreicht hat, die es erfordert, auch hier Präsenz zu zeigen. Rund zwei von drei Erstrecherchen zu einem Kaufwunsch starten bei Amazon, haben Untersuchungen ergeben. Somit ist Amazon auch und gerade in Deutschland, einem der wichtigsten Märkte für das Unternehmen, zwischenzeitlich zu dem Startpunkt einer Recherche geworden, der in den meisten anderen Fällen Google darstellt.
Das Sammeln von Verkaufsdaten wird daher bereits seit langer Zeit ebenso infrage gestellt wie die Nutzung dieser Daten für eigene Verkaufstätigkeiten. Auch hat Amazon als Betreiber des Werbenetzwerks auf der eigenen Seite die Möglichkeit, Werbung für eigens vertriebene Produkte gezielt gegen Mitbewerber einzusetzen – eine Strategie, die bereits in den vergangenen Jahren mehrfach angeprangert wurde.
EU hat auch Amazon-Händler befragt
Das Prüfungsverfahren hatte die Europäische Union ja bereits im letzten Jahr eingeleitet, wobei EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager damals auch ausschließlich auf das Thema der Nutzung der Daten hin argumentierte. Die EU hatte dem Vernehmen nach Amazon-Händler befragt, mit dem Ziel, sich ein Bild davon zu machen, wie Amazon das „Amazon’s Choice“-Label einsetzt, mit dem der Onlineriese eine Empfehlung zum Kauf ausspricht, die angesichts der oftmals riesigen, den Kunden schier erschlagenden Auswahl die Entscheidung zum Kauf vereinfacht.
Möglich wäre aber offenbar, Händlern zumindest die kumulierte Nutzung der Daten ebenfalls zu ermöglichen, was Amazon zwar immer noch in eine bessere Situation bringen würde, aber nicht mehr eine solch eklatante Benachteiligung darstellen dürfte. Kritisiert wurde in der Vergangenheit außerdem, dass Amazon gezielt Produkte von Dritthändlern und Private Labels unter einem der eigenen Labels auf den Markt gebracht habe.
Kalifornien prüft ebenfalls Geschäftsverhalten von Amazon
Ärger droht Amazon aber auch noch aus einer ganz anderen Ecke: Laut dem Wall Street Journal nehmen auch die US-Bundesstaaten Kalifornien und Washington den Amazon-Handel ins Visier. Auch hier geht es um den Sachverhalt, dass Amazon einerseits seinen Marketplace Händlern als Handelsplattform zur Verfügung stellt, andererseits aber eben auch selbst auf der Website als Handelspartner auftritt. Zu klären wäre in diesem Zusammenhang, inwieweit eine Trennung der Daten ohne eine Aufspaltung der Amazon-Geschäftszweige überhaupt möglich wäre.
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