Amazon verdient mehr Geld mit Händlern als je zuvor
Amazon hat seine Quartalszahlen vorgestellt und wieder richten sich die Augen auf Amazon Web Services (AWS). Dabei stagniert das Wachstum des Dienstes, der Marktplatz und die daraus resultierenden Umsätze und Erträge wachsen hingegen ungebremst. Es ist beachtlich, wie viel Geld die Marktplatzhändler und Marken in Amazons Kassen spülen.
Marktplatz wächst stärker als Retail-Bereich
Der Umsatz im Retail-Bereich ist von 26,392 Milliarden US-Dollar im dritten Quartal 2017 auf 29,061 Milliarden Dollar angestiegen – das entspricht einem Wachstum von zehn Prozent. Die stationären Läden, die zum größten Teil aus Whole-Foods-Supermärkten bestehen, liefern noch keine vergleichbaren Werte, denn Whole Foods gehörte noch nicht das gesamte Quartal zu Amazon. Erst das vierte Quartal wird hier erste Ergebnisse zeigen.
Der Marktplatzbereich wird in der Bilanz nicht separat ausgewiesen. Einen Anhaltspunkt für das Wachstum des Marktplatzes liefert der Punkt Seller Services, der von 7,928 Milliarden Dollar auf 10,395 Milliarden angewachsen ist. Das entspricht einem Wachstum von 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal.
Der überwiegende Teil dieser Einnahmen stammt aus den Marktplatz-Gebühren, den Verkaufsprovisionen. Da aber noch weitere Gebühren aus dem Händlergeschäft – beispielsweise die monatlichen Gebühren für verschiedene Dienste – im Bilanzposten Seller Services enthalten sind, kann das Marktplatzwachstum nicht mit dem Wachstum dieses Bilanzpostens gleichgesetzt werden. Dennoch ist davon auszugehen, dass das Marktplatzwachstum angesichts eines Gebührenwachstums von 31 Prozent deutlich höher ausfällt als das Retailwachstum von zehn Prozent.
Amazon Marketing verdoppelt seinen Umsatz
Noch im Vorjahresquartal hat Amazon im Bilanzposten Other, der überwiegend aus Werbeeinnahmen besteht, 1,123 Milliarden Dollar Umsatz aufgeführt. Nach einem Jahr hat sich dieser Wert mehr als verdoppelt auf 2,495 Milliarden Dollar. Das Wachstum dieses Unternehmensbereichs übersteigt alle anderen Segmente deutlich: 122 Prozent Wachstum vermeldet Amazon. Die Werbeeinnahmen stammen aus zwei Quellen: aus den Taschen der Marktplatzhändler und aus den Taschen der sogenannten Vendoren, also Marken, die direkt an Amazon verkaufen und trotzdem ihre Waren auf dem Marktplatz bewerben.
Ein Ende ist nicht in Sicht: Wie Jason Del Rey von Recode berichtet, wurde Amazon-CFO Brian Olsavsky gefragt, ob die Websites des Unternehmens hinsichtlich der Werbeanzeigen vollständig gesättigt seien. Die verklausulierte Antwort lautete unter dem Strich: „Nein, da ist noch jede Menge Platz.“
Del Rey eröffnet die berechtigte Frage, ob Amazons Effizienz unter der Werbeflut leiden würde. Das wiederum würde letztlich dem heiligen Kundenerlebnis schaden, schließlich hätten Recode-Recherchen ergeben, dass schon acht Prozent der Seitenaufrufe bei Amazon durch Amazons Werbeanzeigen erzeugt wurden. Ob Kunden tatsächlich Anstoß an der zunehmenden Anzahl der Anzeigen nehmen, ist aber unklar. Im Moment scheint es nicht danach auszusehen, jedenfalls nicht, solange Amazons Algorithmen es schaffen, relevante Suchergebnisse zu produzieren. Die Beziehung zwischen Amazon und seinen Kunden ist eine besondere, das Vertrauen ist hoch.
Amazon Web Services stagniert
Amazon Web Services ist nach wie vor für einen großen Teil des Umsatzes verantwortlich, von 4,584 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum stieg der Umsatz im dritten Quartal auf 6,679 Milliarden. Immerhin 46 Prozent Wachstum – im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren und Quartalen, stagniert das Wachstum aber kontinuierlich. Die Cash-Cow ermüdet langsam, wenig beunruhigend für Amazon, hat sich doch der Marktplatz als neuer Umsatztreiber mittlerweile etabliert.
Amazon-Strategie setzt immer stärker auf den Marktplatz als Treiber
Die Gebühreneinnahmen aus dem Marktplatz entsprechen mittlerweile mehr als einem Drittel des Warenumsatzes im Retailbereich des Amazon-Onlineshops. Werbeeinnahmen und Gebührenerlöse ergeben zusammengezählt 44,35 Prozent des Retailumsatzes. Nicht zu vernachlässigen ist die Tatsache, dass es sich bei den Retail-Warenumsätzen eben um Umsätze handelt, die Gebühren hingegen größtenteils als Erlöse betrachtet werden können.
Der Händleranteil an den verkauften Artikeln liegt seit dem zweiten Quartal bei mittlerweile 53 Prozent, einem Höchstwert. 53 Prozent aller bei Amazon verkaufter Artikel wurden von Marktplatzhändlern verkauft. Die fleißig Anzeigen schalten, Gebühren zahlen und durch mehr und mehr Produkte mehr und mehr Traffic bei Amazon erzeugen.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Gebühren und Werbeeinnahmen aus dem Marktplatz schon 44,35 Prozent des kompletten Retailumsatzes ausmachen, stellt sich die Frage, wie viel Umsatz die Händler bei Amazon wirklich machen. Die immer stärker auftretenden Amazon-Marken sind grundsätzlich eher im Niedrigpreissegment angesiedelt. Das bringt Ertrag, aber weniger Umsatz als hochpreisige Artikel. Angesichts der Verhältnisse kann mittlerweile der Schluss gezogen werden, dass Händler deutlich mehr als 53 Prozent des gesamten Warenumsatzes auf dem Marktplatz erzeugt haben dürften.
Amazons Umsätze hängen jetzt immer stärker vom Marktplatz und damit vom Händler ab.
Passend zum Thema
- Amazon erzeugt 2017 rund 53 Prozent der deutschen E-Commerce-Umsätze
- Amazon Jahreszahlen 2017: Wachstumstreiber ist der Handel, nicht AWS
- Amazon-Paradox: Rekordzahlen enttäuschen die Anleger