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Anfragen verzehnfacht: Bitcoin-Abhängige stürmen erste Krypto-Suchtklinik

Castle Craig ist die wohl erste Suchtklinik für Bitcoin-Süchtige. (Foto: Castle Craig Rehab Clinic)
Ob Krypto-Investitionen oder das regelmäßige Handeln mit Bitcoin, Ethereum und anderen Kryptowährungen ähnlich süchtig machen können wie Glücksspiel oder Day-Trading ist unter Expert:innen nicht ganz unumstritten. Therapeut Anthony Marini von der Suchtklinik Castle Craig in Schottland, die als weltweit erste Einrichtung gilt, die Krypto-Abhängige behandelt, hat da eine klare Meinung. Marini nimmt für sich in Anspruch, der erste gewesen zu sein, der eine Ähnlichkeit zwischen Krypto-Trading und Glücksspiel hergestellt hat.
Das Muster dahinter: Zuerst führt die Reise der späteren Krypto-Süchtigen sie von einzelnen Trades mit häufigen Gewinnen zu dem Verlangen, das dabei dank Dopamin-Ausschüttung erlangte Glücksgefühl öfter zu erleben. Anschließend kommt es dann häufig zu längeren Zeiträumen mit hohen Verlusten. Der damit einhergehende Gesichtsverlust kann dann zu Isolation und Rückzug führen. Am Ende stehen dann oft illegale Handlungen oder sogar Selbstmordversuche, wie Marini gegenüber Decrypt erläutert.
Seit 2017 behandelt der Therapeut in Castle Craig Krypto-Abhängige. Marini sieht das größte Problem in der Mehrfachabhängigkeit. Krypto-Sucht sei oft begleitet von Drogen- oder Alkoholmissbrauch. Oft werde erst bei der Behandlung klar, dass die wegen Drogen- oder Alkoholsucht in die Entzugsklinik gegangenen Personen auch abhängig von Kryptowährungen seien. Die meisten Krypto-Süchtigen, so Marini, würden ständig am Smartphone oder am Computer hängen und die Kurse checken. Werde ihnen das Smartphone weggenommen, reagierten sie mit Angst, Schweißausbrüchen oder Panikattacken.
Entsprechend gehört zur Behandlung von Krypto-Sucht auch der Smartphone-Verzicht. Patient:innen dürfen in Castle Craig nur einmal pro Woche für zwei Stunden ihr Telefon nutzen. Marini zufolge würden in der Klinik auch Menschen behandelt, die – zum Beispiel im Drogenrausch – ihren Zugang zu ihren Bitcoin-Vermögen verloren haben. Das Wissen um den möglichen Reichtum und darum, dass sie aufgrund des fehlenden Zugangsschlüssels dort nicht herankämen, bringt einige zu Verzweiflung und Selbstmordversuchen. Sie fühlten sich dumm und unfähig, so Marini.
Als der Bitcoin-Kurs zuletzt erst kräftig anstieg – und Investor:innen neu in die Krypto-Welt lockte – und anschließend einbrach, was manche um ihre Investitionen brachte, ist die Nachfrage nach Therapieplätzen in der Krypto-Klinik gestiegen. Marini zufolge sollen sich aktuell zehnmal so viele Menschen wie im Vorjahr um eine Aufnahme bemühen. Der Therapeut empfiehlt allen, die glauben, sie seien kryptosüchtig, sich nach Klinken umzuschauen, die Spielsüchtige behandelten.
Nicht alle Fachkolleg:innen beurteilen das Thema so wie Marini. Der in Thailand lebende Suchttherapeut Dylan Kerr etwa meint, dass die Abhängigkeit von Kryptowährungen auf der einen Seite zwar vielleicht mit der Spielsucht verwandt sein könne. Auf der anderen Seite gebe es aber auch viele Unterschiede. Das Problem, so Kerr, sei, dass viele Therapeut:innen nicht sehr vertraut mit der Krypto-Kultur seien.
Für Kerr liegen die Unterschiede zur Spielsucht etwa in der durchgehenden Verfügbarkeit des Kryptohandels und der hohen Volatilität. Auch stünden die Betroffenen unter einem hohen Druck seitens der sozialen Medien. Ein Betroffener sagte Decrypt, dass Social Media seine schlechten Entscheidungen befeuert habe. Er habe das Gefühl gehabt, dass er die Chance seines Lebens verpasse, wenn er nicht schnell viel Geld in den Kryptomarkt pumpe.
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