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Anlasslose Chatkontrolle der EU: Knickt die Bundesregierung ein?

Die Bundesregierung trägt anscheinend die „Chat-Kontrolle“ der EU mit, über die Kindesmissbrauch aufgedeckt werden soll. Kritiker sprechen von anlassloser Massenüberwachung.

Von Raimund Schesswendter
3 Min.
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Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei Messengerdiensten ist der Politik immer wieder ein Dorn im Auge. (Foto: Rahul Ramachandram/ Shutterstock)

Der erwartete Widerstand der Bundesregierung gegen die „neue anlasslose Massenüberwachung“, wie netzpolitik.org es nennt, über die die EU aktuell berät, bleibt aus. Die Rede ist von der Chatkontrolle, die die EU-Kommission „gegen Kinderpornografie“ einführen will.

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Innenministerin Nancy Faeser hatte sich zwar gegen die geplante Maßnahme ausgesprochen, bei den EU-Beratungen schwieg Deutschland jedoch. Faeser hatte angekündigt, dass die Pläne modifiziert werden sollen.

Die Piraten-Partei spricht nun von einem „Hochverrat an unserer Privatsphäre und Sicherheit“.

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Das Ende privater Kommunikation

Die Regeln sollen für quasi alle Unternehmen gelten, die Internetdienste anbieten, und sie zwingen, Chats zu durchkämmen. Ziel ist es, gegen das sogenannte Grooming vorzugehen – also das Anwerben von Kindern für Missbrauchsdarstellungen.

Dabei sollen die Scans noch vor etwaigen Verschlüsselungsmechaniken stattfinden. Netzpolitik schreibt: „Die Technologie ist dazu geeignet, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung obsolet zu machen und würde in der derzeit geplanten Form ein Ende privater Kommunikation bedeuten.“

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Im Gegensatz zu Deutschland hat Finnland Kritik bezüglich der Maßnahme hören lassen. Das skandinavische Land äußerte Bedenken bezüglich der Verhältnismäßigkeit und der Position der europäischen Datenschutzbehörden (PDF-Download). Sie warnen vor einer „de facto allgemeinen und wahllosen automatisierten Erfassung“ von Textnachrichten.

Der Vorschlag lasse außerdem viel Raum für Missbrauch der Novelle. Zudem sei das Instrument nicht geeignet, die Verbreitung einzudämmen. Auf der anderen Seite falle seine „Eingriffstiefe“ sehr hoch aus.

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Maßnahmen, um Verschlüsselung zurückzudrängen

Ebenfalls von den Europäischen Datenschutzbeauftragten kommt Kritik an dem Umgang mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Wenn Anbieter gezwungen werden, Nachrichten vor der Verschlüsselung zu erfassen, wird die obsolet. Das kann dazu führen, dass die Anbieter wieder auf diese Technologie verzichten.

Dazu kommt: „Verschlüsselte Kommunikation spielt bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen kaum eine Rolle“, so der Bundesvorstand des Kinderschutzbundes, Joachim Türk, in der Zeit.

Wer gezielt Straftaten im Sinne habe, könne auch die Daten vorher verschlüsseln und damit die Chatkontrolle ins Leere laufen lassen. Fraglich sei auch, ob mehr Hinweise angesichts der begrenzten Ressourcen von Strafverfolgungsbehörden überhaupt sinnvoll seien.

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Zum Vergleich: Das National Center for Missing and Exploited Children versteht sich als US-Zentrale für Bildauswertung in solchen Fällen. Von den 85 Millionen Bildern, die es gemeldet bekommen hat, gab es 4.250 weiter. Das sind gerade einmal 0,005 Prozent.

Deutschland hat keine „abgestimmte Position“

Die Verhandlungen im Ministerrat scheinen laut den Protokollen den Entwurf nicht grundsätzlich diskutiert zu haben. Es ging eher um Detailfragen. Die kritische Frage nach dem Schutz der Privatsphäre hat man in den technischen Bereich geschoben.

An dieser Stelle gibt das Gremium zu, dass „mehrere Mitgliedstaaten immer noch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf den Schutz des Rechts auf Privatsphäre und anderer Grundrechte haben.“

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Deutschland hat noch keine Position verlautbaren lassen, da die Bundesregierung noch keine abgestimmte Position zum Thema hat. Dabei hat sogar Digitalminister Wissing bereits Widerstand angekündigt. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte ebenfalls kritisiert, dass die Richtlinie gegen eine Reihe von Grundrechten verstößt.

Neben dem massiven Eingriff in die Privatsphäre vor allem von Jugendlichen, die in dem Entwurf als Kinder gelten, ist auch der Schutzzweck umstritten. Denn die massenhafte – und ineffiziente – Sammlung von Bildern und Chats helfe Betroffenen wenig bis gar nicht. Vielmehr geschehe der meiste Missbrauch im direkten Umfeld. Ein Aufstocken von Sozialarbeiter- und Jugendamtsstellen würde wohl mehr bringen, sagen Fachleute.

So forderte der Geschäftsführer des Deutschen Kindervereins, Rainer Rettinger, eine Verdopplung der Fachkräfte im Jugendamt. Andere Stellen weisen auf Personalnotstand in Schulen und in Kitas hin. Deren Unterfinanzierung führe dazu, dass man die effektiven Hilfsangebote, die man habe, aus Personalmangel nicht umsetzen könne.

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Kommentare (3)

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Silvio Pfeil

Das ist doch alles gar kein Problem, der Gesetzestreue Bürger hat doch ohnehin niemals etwas vor der Obrigkeit zu verbergen !

Hel

Was soll denn bitte
„Das National Center for Missing and Exploited Children versteht sich als US-Zentrale für Bildauswertung in solchen Fällen. Von den 85 Millionen Bildern, die es gemeldet bekommen hat, gab es 4.250 weiter.“ heissen?
Wohin denn weiter?

Hel

… und dann wiederholt sich das demnächst:

“Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich nicht protestiert;
ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie die Juden holten,
habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Jude.

Als sie mich holten,
gab es keinen mehr, der protestierte.”

― Martin Niemöller

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