Außerirdisches Leben: Nach welchen Stoffen Wissenschaftler auf erdnahen Planeten suchen

Gibt es auf anderen Planeten Leben? Mitte April berichteten britische und US-Forscher über mögliche Anzeichen dafür. Wie sie im Fachjournal „The Astrophysical Journal Letters“ schreiben, gibt es auf dem 120 Lichtjahre entfernten Planeten „K2-18b“ mit einer 99,7-prozentigen Wahrscheinlichkeit Dimethylsulfid und Dimethyldisulfid.
K2-18b: Beste Temperaturen für flüssiges Wasser
Das sei ein revolutionärer Moment, sagte Erstautor Nikku Madhusudhan von der Universität Cambridge auf einer Pressekonferenz, schreibt die New York Times. „Es ist das erste Mal, dass die Menschheit potenzielle Biosignaturen auf einem bewohnbaren Planeten gesehen hat“, schwärmte der Wissenschaftler weiter.
Die beiden Gase sind mögliche Biosignaturen, weil sie in der Erdatmosphäre nur deshalb vorkommen, weil winzige Meeresalgen sie freisetzen. Das Prädikat bewohnbar wiederum beruht darauf, dass „K2-18b“ in der sogenannten bewohnbaren Zone um einen roten Zwergstern namens K2-18 kreist, in der geeignete Temperaturen für flüssiges Wasser herrschen – einer Hauptvoraussetzung für Leben. Ob die Verbindungen tatsächlich von Lebewesen erzeugt wurden, müssen künftige Weltraummissionen zeigen.
Gibt es außerirdisches Leben ohne Wasser?
Näher an der Erde haben Forscher auch andere lebensförderliche Verbindungen im Blick. Zum Beispiel die mit Wolken aus konzentrierter Schwefelsäure durchsetzte Kohlenstoffdioxid-Atmosphäre der Venus. Schwefelsäure sorgt beim Anfassen für starke Verätzungen, weil sie dem Gewebe Wasser entzieht. Das ist aber nur für uns überwiegend aus Wasser bestehenden Lebensformen ein Problem.
Für Astrobiologen wie Janusz Petkowski von der Technischen Universität Breslau und Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist konzentrierte Schwefelsäure faszinierend, weil ihre Forschung darauf hinweist, dass organische Moleküle darin nicht zu Schaden kommen. Damit komme die ölig anmutende Flüssigkeit als Lösungsmittel für außerirdisches Leben infrage – ganz so, wie Wasser für das irdische Leben ist.
Lösungsmittel klingt erstmal nach Chemie-Labor. Gemeint sind in diesem Fall flüssige Orte, in denen Moleküle sich lösen und miteinander reagieren. In unseren wassergefüllten und auf Kohlenstoffverbindungen basierenden Zellen können dabei, wenn genügend Energie vorhanden ist, auch größere, komplexere Verbindungen bis hin zu Erbgutmolekülen wie DNA und RNA entstehen. Als polare Flüssigkeit löst Wasser andere polare Verbindungen wie Kohlenhydrate, Alkohole und Säuren gut. Es löst auch Salze gut, weil seine H+– und OH—-Ionen die Salz-Ionen voneinander trennen. Nicht zuletzt kann Wasser auch Gase etwas lösen und hilft damit bei der Atmung.
Aminosäuren in konzentrierter Schwefelsäure
Weil Wasser „auf so vielen Himmelskörpern flüssig vorkommt“, steht es bei der Suche nach außerirdischem Leben oft im Mittelpunkt, sagt Dirk Schulze-Makuch von der Technischen Universität Berlin. Doch es gibt vielleicht Alternativen. Wie Petkowski, Seager und Kollegen letztes Jahr im Fachjournal „Astrobiology“ darlegten, nehmen jene 20 biogenen Aminosäuren, die als Eiweißbausteine für das irdische Leben unerlässlich sind, auch in 81- und 98-prozentiger konzentrierter Schwefelsäure keinen Schaden. Die Forschenden hatten damit den hohen Konzentrationsbereich der venusischen Schwefelsäuretröpfchen simuliert. Elf Aminosäuren blieben bei beiden Konzentrationen komplett stabil, während neun mit der Schwefelsäure reagierten und neue Verbindungen formten.
„Wenn Schwefelsäure sehr konzentriert ist, sind viele organische Stoffe darin tatsächlich stabil“, sagt Dirk Schulze-Makuch von der Technischen Universität Berlin. „Schwefelsäure hat als Lösungsmittel aber nicht so viele Vorteile wie Wasser, also H₂O, oder selbst Schwefelwasserstoff, also H2S, weil es so eine extrem hohe Viskosität hat und eine Biochemie in Schwefelsäure doch sehr viel anders aussehen müsste“, ergänzt der Astrobiologe.
Venus-Sonde soll nach organischen Molekülen suchen
Seager und Petkowski wollen als nächstes im Rahmen des privaten Raumfahrtprojekts „Venus Life Finder Mission“ eine Sonde vor Ort nach organischen Molekülen suchen lassen. Dazu gehört auch das einfacher als Aminosäuren gebaute Phosphan, das aus einem Phosphor- und drei Wasserstoff-Atomen besteht. Auch die für 2030 geplante Davinci-Mission der US-Raumfahrtbehörde Nasa will die Venus-Atmosphäre mit einer Sonde genauer unter die Lupe nehmen
Auf der Erde existiert Phosphan meist künstlich hergestellt, etwas lebensfeindlich zum Beispiel in Rattengift. Es wurde aber auch natürlich in der Nähe von Mikroorganismen gefunden. Deshalb horchten Weltraumforschende auf, als 2020 Forschende um Jane Greaves von der Cardiff University meldeten, dass sie mithilfe zweier Großteleskope winzige Mengen Phospan-Gas in der Venus-Atmosphäre gefunden hatten. Das Team schloss aus, dass andere natürliche Phänomene dahinterstehen, denn sie hätten selbst diese kleine Menge nicht zustande gebracht.
Während die Pressemitteilung aus Cardiff nahelegt, dass Phosphan ein Abbauprodukt von Mikroorganismen auf der Erde sei, sehen andere Forschende das noch nicht als gesichert an. Sie halten es eher für ein Zerfallsprodukt von Biomasse. Zudem könne es auch ohne das Zutun von Lebewesen entstehen, wenn eisenreiche Verbindungen in einer sauren Umgebung auf Phosphor treffen. Das wäre auch in der Venus-Atmosphäre denkbar.
Eiskalte Lösungsmittel für außerirdisches Leben?
Weltraumforschern zufolge kommen aber auch noch ganz andere Lösungsmittel infrage. Auf dem Saturn-Mond Titan gibt es zum Beispiel große, -180 Grad kalte Seen aus flüssigem Methan und Ethan. In diesem Kohlenwasserstoff könnten sogenannte Polysilane stabil sein, also Ketten aus Silizium und Wasserstoff, ähnlich wie auf der Erde Kohlenstoff und Wasserstoff Ketten bilden. Silizium ist das siebthäufigste Element im Universum, theoretisch gäbe es also genug für Lebensformen, die darauf basieren.
Weil aber Methan nur bei sehr niedrigen Temperaturen, nämlich zwischen -180 und -160 Grad, flüssig ist, wären chemische Reaktionen darin sehr langsam. Dazu ist flüssiges Methan unpolar und damit laut Schulze-Makuch kein ideales Lösungsmittel für organische Verbindungen. Trotzdem sei es interessant, weil es abseits der Erde der einzige bekannte Himmelskörper mit einer großen Flüssigkeitsmenge auf seiner Oberfläche ist.
Wie sieht es auf dem Saturn-Mond Titan aus?
Angesichts der Unpolarität müssten Zellen auf Titan andere Zellmembranen haben als die Lipidmembran (Liposomen) von irdischen Zellen, die außen wie innen polar sind und so in Wasser sowie wassergefüllt existieren können. Basierend auf Elementen, die auf Titan verfügbar sind, haben US-Forschende von der Cornell University „Azotosomen“ genannte flexible Stickstoffverbindungen als Membranmaterial vorgeschlagen, die sich mit ihren unpolaren Enden zum unpolaren Methan ausrichten können.
Ebenfalls spannend findet der Astrobiologe der TU Berlin das unterirdische Ammoniak-Vorkommen (NH3) auf Titan. Ammoniak ist polar und wäre damit ein gutes Lösungsmittel, wenngleich es auch nur bei sehr niedrigen Temperaturen von -78 bis -33 Grad flüssig ist. „Aminosäuren könnten darin auch gut funktionieren, da diese auch Anknüpfungspunkte für NH3 haben“, sagt Schulze-Makuch. Ansonsten sei die Frage nach möglichen Lebensbausteinen in Ammoniak bisher „sehr spekulativ“. Zumindest über die Methan-Seen soll die für 2028 geplante Nasa-Mission „Dragonfly“ mehr herausfinden.