Meine Straße war eine Woche lang autofrei und das Fazit ist eindeutig
Eine Woche lang habe ich in einer besseren Welt gewohnt: Die Menschen waren freundlicher, haben sich gegenseitig geholfen, die Luft war besser und ich bin mir sicher, auch das Wetter hat sich extra Mühe gegeben.
Ein Experiment zur europäischen Mobilitätswoche
Und das kam so: Im Rahmen der europäischen Mobilitätswoche hat die Stadt Hannover sich zu einem Experiment entschlossen – in zwei Stadtteilen wurden insgesamt fünf Straßen gesperrt und autofrei gemacht. Kein Parken, die Durchfahrt nur für Lieferverkehr, Rettungs- und Pflegedienste erlaubt. Stattdessen: mehr Sitzgelegenheiten, Bäume und Spielgeräte für Kinder und Erwachsene.
Dazu steht jeder Tag unter einem Motto mit entsprechenden Angeboten, aber auch der Einladung an die Anwohner:innen, sich einzubringen. Fahrradwäsche, Pflanzentauschbörse, Flohmarkt, Tanzkurse, Upcycling-Projekte und ganz viel Raum, den sich die Menschen zu eigen machen dürfen und sollen.
Das funktioniert. Ich lebe in einer der betroffenen Straßen – und mir graut schon davor, wenn bald wieder alles beim Alten sein wird. Wenn ich vom Balkon aus wieder parkende Autos sehe anstelle von Kindern, die auf einem Trampolin hüpfen, oder meinen Nachbar:innen, die spontan das Abendessen auf die Straße verlegt haben und dort picknicken.
Auch andere Städte verfolgen ähnliche Projekte. Zu den großen Vorbildern gehört natürlich Barcelona mit seinen Superblocks, bei denen mehrere Häuserblocks zu verkehrsberuhigten Zonen zusammengeschlossen und durch Begrünung und Flächenentsiegelung aufgewertet werden – der Mensch soll im Mittelpunkt stehen, nicht das Auto. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo treibt die Verkehrswende in der Millionenstadt voran und widmet zahlreiche Straßen zugunsten von Fahrrad- und Fußverkehr um. Und auch Hannover hat erst kürzlich einen Plan für eine fast autofreie Innenstadt bis 2030 vorgestellt.
Und was bringt die Zukunft?
Was ich großartig finde, treibt andere auf die Palme: In der Facebook-Gruppe meines Stadtteils gibt es vier, fünf sehr laute Stimmen, die das Projekt bereits am zweiten Tag für gescheitert erklärt haben. Die sich lustig machen über die, die auf der Straße sitzen und schnacken. Die in der autofreien Woche den ersten Schritt hin zu einer Diktatur sehen, an deren Ende man weder Autos besitzen noch Fleisch essen darf.
Die Wahrheit – oder Realität – wird wie immer irgendwo dazwischen liegen. Ich weiß natürlich, dass meine Straße auch als autofreie Straße keine Insel der Glückseligen sein wird, in der immer die Sonne scheint und alle permanent jauchzend über den Asphalt springen. Dass einiges von dem, was dort gerade für Begeisterung sorgt, kaum wahrgenommen werden wird, wenn es zum Alltag geworden ist. Dass es auch in autofreien Straßen Vandalismus, Rassismus, Sexismus und Streit gibt.
Aber dass wir alle – selbst die leidenschaftlichen Autofahrer:innen – davon profitieren, wenn unsere Städte wieder mehr als Lebensräume für Menschen und weniger als Abstellplätze gesehen werden, das glaube ich eben auch.