Rückfragen im Vorstellungsgespräch: So fühlt ihr dem Arbeitgeber auf den Zahn
Vorstellungsgespräche sind eine gute Gelegenheit, um dem Bewerber auf den Zahn zu fühlen. Wie ist die Person gestrickt – eher ruhig oder lebhaft? Was interessiert sie am meisten an der ausgeschriebenen Stelle? Warum kann sie sich eine Anstellung im Unternehmen vorstellen? Auf der anderen Seite sollten aber auch Bewerber die Chance nutzen herauszufinden, wie der potentielle Arbeitgeber tickt. Neben möglichen Fragen zu den konkreten Aufgaben oder dem Gehalt, lohnt es sich vor allem auch Informationen zur tatsächlichen Unternehmenskultur und zum Führungsverhalten zu sammeln.
Die Hamburger Karriere-Coach Karin Zintz-Volbracht hat sich mit uns über das Thema „Vorstellungsgespräch“ unterhalten: Welche Fragen sollten Bewerber stellen, um eine Fehlentscheidung bei der Auswahl des Arbeitgebers zu vermeiden? Und wie sollten sie im Gespräch vorgehen?
Karriere-Coach Karin Zintz-Volbracht verrät, worauf es im Vorstellungsgespräch ankommt
t3n.de: Karin, was glaubst du? Verhält sich der durchschnittliche Bewerber in Vorstellungsgesprächen eher defensiv oder stellt er aktiv tiefergehende Fragen?
Karin Zintz-Volbracht: Ich erlebe keinen „Durchschnitt“ bei den Menschen, mit denen ich arbeite. Da gibt es eher zwei verschiedene Grundmuster, je nach Ausgangslage: Da sind auf der einen Seite Bewerber, die sich im Bewerbungsprozess fast als Bittsteller sehen und unbedingt irgendeinen oder einen ganz bestimmten Job haben möchten. Oder aber Bewerber, die entweder ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein haben, auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragt sind oder schon richtig schlechte Erfahrungen mit der Unternehmens- oder Führungskultur eines Arbeitgebers gemacht haben.
Wie verhalten die sich im Gespräch?
Die Bittsteller legen das Augenmerk natürlich darauf, wie sie sich bestmöglich verkaufen und einen guten Eindruck bei Personalern und Chefs hinterlassen können. Da geht es darum, wie sie auf Fragen ihres Gegenübers antworten, die Nerven behalten und ein gut vorbereitetes Storytelling parat haben, wenn sie freundlich gebeten werden: „Nun, erzählen Sie doch mal was von sich.“
Die Selbstbewussten sagen: „Ich möchte zwar den Job, aber nicht um jeden Preis. Ich leiste es mir, wählerisch zu sein, denn eine schlechte Firma mache ich nicht noch einmal mit.“ Die sind mutiger und haben gute Fragen im Köcher, um herauszufinden, ob der Arbeitgeber wirklich gut zu ihnen passt. Da geht es spätestens in der engeren Auswahl darum, auch mal dem Unternehmen auf den Zahn zu fühlen.
Welche Fragen sollten Bewerber stellen, wenn sie Fehlentscheidungen bei der Auswahl des Arbeitgebers vermeiden wollen?
Am besten überlegt man sich vorher, was einem im Arbeitsumfeld besonders wichtig ist. Was wünsche ich mir von einem Unternehmen? Was sind absolute No-Gos? Daraus ergeben sich für jeden Bewerber unterschiedliche Beurteilungskriterien und Fragen. Was eigentlich jeder machen kann, ist so etwas wie: „Nun haben Sie mich ja schon ganz schön gelöchert. Darf ich Sie auch etwas fragen: ‘Warum arbeiten Sie selbst hier?‘ oder ‘Wie würden Sie die Kultur und Stimmung in der Firma beschreiben?‘“
Klingt nach Fragen, die wohl kaum negativ beantwortet werden dürften.
Die Antworten darauf sind natürlich immer ganz individuell und können ein Aufhänger für weitere Fragen sein: „Wie unterstützen Sie das Lernen und die persönliche Entwicklung der Kollegen?“, „Wie wird bei Ihnen mit Fehlern umgegangen?“, „Wie werden hier Entscheidungen getroffen?“, „Was macht bei Ihnen gute Führung aus?“ oder „Was wären denn aus Ihrer Sicht gute Gründe dafür, dass sie sich von einem Mitarbeiter trennen?“ Die Antworten geben sehr schnell ein Bild von der tatsächlich gelebten Kultur in einem Unternehmen. Ob das dann passt oder nicht, muss jeder Bewerber selbst entscheiden.
Wie werden derartige Fragen vom potentiellen Arbeitgeber wahrgenommen?
Auch da gibt es keinen Durchschnittswert und mit der „New Work“-Diskussion verändert sich ja gerade auch einiges ziemlich rasant. Viele der auf den ersten Blick provozierend wirkenden Fragen sind in Netzwerken wie Stoos oder Intrinsify-Me entstanden. Wenn ein Unternehmen eine wertschätzende Kultur hat und sich mit den Themen Vertrauen, Transparenz, Eigenverantwortung und Beteiligung wirklich beschäftigt, empfinden die Führungskräfte solche Fragen als sinnvoll oder inspirierend. Und wenn das nicht so ist, bekommen wählerische Bewerber schnell eine Entscheidungshilfe. Manchmal ist es besser, mit guten Gründen die Finger von einem Job zu lassen, als danach jeden Tag mit schlechter Laune zur Arbeit zu fahren.
Worauf sollten Bewerber besonders achten, wenn sie den Spieß umdrehen und den Arbeitgeber eingängig interviewen?
Zum Glück verlaufen ja nicht alle Job-Interviews so, dass sich da jemand aufgespießt fühlt. Achten sollten Bewerber darauf, dass sie freundlich bleiben und nicht aggressiv auftreten. Ein Lächeln und eine Bemerkung wie „Darf ich noch etwas fragen, weil mir das Thema einfach am Herzen liegt“, macht die Situation lockerer. Gut funktioniert auch eine Anmoderation wie „Ich hab ja viel Gutes über Ihre Firma gehört und gelesen. Nun bin ich ganz neugierig. Darf ich vielleicht ein paar spezielle Fragen stellen?“ Im besten Fall ergibt sich ein echtes Gespräch über gemeinsame Werte. Und dann heißt es natürlich: Zugreifen!
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