
Unsympathische Führungskräfte, ein Job, der plötzlich ganz anders als in der Ausschreibung klingt oder Rahmenbedingungen, die einfach nicht zum eigenen Leben passen – es gibt Bewerbungsgespräche, da merkt man schnell, dass daraus kein Match entsteht.
Für Bewerber:innen stellt sich dann die Frage: Lieber schnell einen Schlussstrich ziehen, um beiden Parteien Zeit zu sparen, oder der Form halber bis zum Ende Interesse vortäuschen?
Schlechtes Bewerbungsgespräch: Should I stay or should I go now?
Aus der Sicht von Karrierecoach Bernd Slaghuis sind beide Überlegungen berechtigt. Er berät unter anderem Angestellte, die eine berufliche Veränderung wollen, und schreibt in einer Kolumne für den Spiegel : „Ich lese oft, es sei nicht wertschätzend einem Arbeitgeber gegenüber, ein Bewerbungsgespräch abzubrechen – schließlich nehme sich die andere Seite Zeit. Doch ist es nicht gerade ein Zeichen von Wertschätzung, diese Zeit nicht unnötig in Anspruch zu nehmen, wenn es ohne Zweifel eindeutig ist, dass Sie nicht zusammenfinden werden?“
Aber auch wenn Slaghuis die Idee versteht, ein schlecht laufendes Bewerbungsgespräch abzubrechen, rät er seinen Klient:innen, den Termin im eigenen Interesse auszusitzen. Seine Argumentation: Wer das Gespräch regulär zu Ende bringt, kann dabei weiter Informationen sammeln, um die eigene Entscheidung später noch einmal zu verifizieren.
Klingt egoistisch – ein Unternehmen aus Slaghuis‘ Sicht würde aber auch nicht anders handeln. „Nutzen Sie das weitere Gespräch bewusst, um die störenden Faktoren oder das eigene schlechte Bauchgefühl wahrzunehmen und zu hinterfragen“.
Absage im Bewerbungsprozess: „’Ghosting‘ ist asozial“
Die gesammelten Eindrücke dürfen dann auch erst einmal in aller Ruhe verdaut werden. „Treffen Sie frühestens am nächsten Tag Ihre Entscheidung, ob Sie die Bewerbung zurückziehen oder den weiteren Prozess abwarten möchten“. Gespräche mit Freunden und Familie können helfen, das Erlebte einzuordnen und sich Klarheit zu verschaffen.
Bleibt am Ende der Entschluss bestehen, dass es keine gemeinsame Zukunft mit dem Arbeitgeber gibt, geht es an die Absage. Die braucht keine großartigen Begründungen oder Rechtfertigungen, eine kurze Nachricht per Mail, dass der Bewerbungsprozess an dieser Stelle beendet ist, sollte aber drin sein. Denn, so Slaghuis: „ ‚Ghosting‘ ist asozial“.