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Job-Ghosting – warum manche Kandidat:innen einfach verschwinden

Bewerbungsgespräch und dann wie vom Erdboden verschluckt: Woran liegt es, wenn Kandidat:innen plötzlich mitten im Bewerbungsprozess untertauchen, und was können Unternehmen gegen Job-Ghosting tun?

Von Hanns-Bertin Aderhold
4 Min. Lesezeit
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Job-Ghosting: Dass Kandidat:innen im Bewerbungsprozess untertauchen, ist keine Seltenheit. (Foto: Shutterstock)

Bewerber:innen reagieren plötzlich nicht mehr auf E-Mails, tauchen gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch oder sogar dem ersten Arbeitstag auf: Das Phänomen Job-Ghosting erleben immer mehr Arbeitgeber:innen – und natürlich auch Arbeitnehmer:innen, wie man fairerweise sagen muss. Aber müssen Unternehmen sich einfach damit abfinden, oder können sie nicht doch etwas tun, um Ghosting zu verhindern?

Ghosting: Vom Dating-Trend in den Arbeitsmarkt

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Der Begriff Ghosting kommt ursprünglich aus der Welt des (Online-)Datings und bedeutet, dass sich das Gegenüber nicht mehr meldet und auf keinerlei Kontaktversuche reagiert. Die Folgen sind die gleichen, ob beim Dating oder der Mitarbeitersuche: Verwirrung (er wollte doch das Date/den Job?), Frust aufgrund der verschwendeten Zeit und eine Suche, die nun wieder von vorne losgeht.

Es gibt inzwischen zig Anekdoten zum Job-Ghosting. Kennen wir nicht alle eine Person, die bereits Jobs geghostet hat, oder können uns sogar an die eigene Nase fassen? Aber was sagt die Studienlage? Für Deutschland fehlen noch belastbare Daten hierzu, aber Daten aus den USA lassen eine deutliche Zunahme erkennen. Einer Umfrage zufolge haben dort 2020 28 Prozent der befragten Bewerber:innen ihre potenziellen Arbeitgeber:innen geghostet. 2018 belief sich dieser Anteil noch auf 18 Prozent. Von den befragten Unternehmen haben drei Viertel (76 Prozent) Ghosting bereits selbst erlebt. Der Trend hierzulande dürfte in eine ähnliche Richtung gehen.

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Ist Job-Ghosting ein hausgemachtes Problem?

Woher kommt diese Entwicklung? Zum einen bekommen Unternehmen jetzt eine Dosis ihrer eigenen Medizin – wie oft haben sie es in der Vergangenheit vergessen, Interessent:innen und Bewerber:innen Rückmeldung zu geben? Zum anderen befinden wir uns inzwischen in einem Angebotsmarkt. Das heißt, Arbeitnehmer:innen müssen nicht mehr den erstbesten Job annehmen, sondern haben die Wahl. Viele Unternehmen sind hier aber nicht up to date und nutzen weiterhin Instrumente des Nachfragemarktes, auf dem sie sich die besten Talente aus einem großen Pool aussuchen konnten.

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Bildlich gesprochen sieht diese Strategie so aus, dass Recruiter:innen ein Netz in Form einer Stellenanzeige auswerfen und abwarten, was passiert. Sind die Meere leergefischt, verfängt sich weniger im Netz – so weit, so logisch. Das haben auch die HR-Abteilungen erkannt und gehen zunehmend direkt auf Talente zu. Active Sourcing und Headhunting benötigen natürlich Ressourcen – umso ungünstiger ist es, wenn diese in Kandidat:innen investiert werden, die im Prozess plötzlich abspringen. Vermutlich deshalb verlassen sich einige Unternehmen immer noch ausschließlich auf ihre alten Methoden und tragen so unwillkürlich zum Phänomen Job-Ghosting bei.

Job-Ghosting: Zeit für einen Paradigmenwechsel im Recruiting

Qualifikationen, Abschlüsse, Zeugnisse, Noten – das scheinen noch immer die relevantesten Kriterien bei der Suche nach Mitarbeiter:innen zu sein. So werden als erste Maßnahme Stellenanzeigen geschrieben und anschließend suchen Recruiter in Karriereportalen. Bei Anzeigen kommt oft noch das Problem hinzu, dass Bewerber:innen im besten Fall alles können sollten – die eierlegende Wollmilchsau wird gesucht. Das kann im schlimmsten Fall abschrecken.

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Alternativ bewerben sich Arbeitssuchende auf eine ganze Reihe von vage formulierten Anzeigen und steigen erst einmal in den Bewerbungsprozess ein, um Näheres zu erfahren. Einige nehmen vielleicht sogar ein Angebot zweiter Wahl an, nur um dann abzuspringen, wenn das Wunschunternehmen doch noch zusagt. Das ist rechtlich mehr als fragwürdig, aber kommt vor.

Zusammenfassend kann man sagen, Kandidat:innen steigen während des Bewerbungsprozesses aus und „ghosten“, weil sie es sich auf Grund des Überangebots erlauben können. Erfolgt das Active Sourcing nach einem Gießkannenprinzip („Wir schreiben einfach mal alle an!“), wird das zu ähnlichen Effekten führen. Netz und Gießkanne sind also keine effizienten Werkzeuge für Recruiter:innen mehr. In Zukunft müssen sie filigraner vorgehen.

Alternative internes Recruiting

In großen Unternehmen und Konzernen bietet es sich angesichts des Fachkräftemangels an, auch intern nach geeigneten Kandidat:innen für Vakanzen zu suchen. Das spart zum einen Zeit und Kosten, zum anderen kennen sich Unternehmen und Bewerber:innen bereits. Die Mitarbeiter:innen können so besser einschätzen, was auf sie in der neuen Rolle zukommt. Unternehmen profitieren zusätzlich durch den geringeren Aufwand bei der Einarbeitung in die neue Position. Außerdem unterstützen Mobilitätsangebote im Unternehmen und neue Karrierechancen die Zufriedenheit von Mitarbeitenden. Gute Mitarbeiter:innen zu halten, ist heute schließlich mindestens so wichtig, wie neue zu gewinnen.

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Einer der entscheidendsten Vorteile von internem Recruiting dürfte sein, dass man sich sicher sein kann, dass Kandidat:innen aus der bestehenden Belegschaft nach einer Zusage die neue Stelle auch wirklich antreten. Was trivial klingt, ist in Zeiten von Job-Ghosting ein echter Vorteil – auch monetär: Man geht davon aus, dass die externe Besetzung einer Position Kosten bis zur Höhe eines halben Jahresgehalts verursacht.

Kurz zusammengefasst: 4 Tipps gegen Job-Ghosting

Was sollte man nun tun, um Job-Ghosting möglichst zu vermeiden?

  1. Präzise bleiben: Vor einer Ausschreibung benötigte Skills definieren und Anzeigen formulieren, die bewusst eine begrenzte, aber relevante Zielgruppe ansprechen. Die bisherigen Prozesse in den meisten Unternehmen sind ineffizient und intransparent.
  2. Menschen statt Lebensläufe einstellen: Betreiben Unternehmen Active Sourcing, sollten sie dabei nicht nur auf die „harten“ Qualifikationen von Talenten achten. Neben (Soft) Skills spielt auch der Cultural Fit eine entscheidende Rolle.
  3. Interne Talente fördern und rekrutieren: Vielleicht arbeiten die passenden Kandidat:innen für einen Job bereits an anderer Stelle im Unternehmen? Diese Mitarbeiter:innen sollten aktiv gefördert werden, um das meiste aus ihrem Potenzial zu machen. Dann besteht keine Ghosting-Gefahr und die Onboarding-Kosten sinken.
  4. Paradox of Choice: Zu viele Möglichkeiten machen unschlüssig und demotivieren/paralysieren. Bewerber sind sich unschlüssig, haben Angst sich festzulegen (Angst vor der falschen Wahl und Fomo) und ziehen Kommunikation unnötig und ohne Ziel in die Länge bis es nicht mehr geht, also ein „Warmhalten“ wie im Dating! Bewerber:innen treffen lieber keine Entscheidung und ghosten aus Angst, enttäuscht zu werden.
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Isabella

Been there, done that – once.
Beim Bewerbungsgespräch bei einem relativ großen Elektronikhändler fiel die HR-Tante dem Head of dauernd ins Wort und kritisierte ihn offen („das war ja mal eine tolle Überleitung …“) und keiner der beiden konnte so richtig erklären, was der Inhalt des Jobs sein wird. Dafür bot man aber ein Gehalt „nach Leistung“ ohne die Erfolgs-Kriterien nennen zu können, nach denen gemessen wird.
Die Sache war für mich abgehakt und dann kam plötzlich die Einladung zum zweiten Gespräch – mit vorzubereitender sehr umfangreicher Aufgabe, Zeit bis zum Termin ein Tag. Ich war gerade jobmäßig im Ausland und habe mit dieser Begründung abgesagt. Daraufhin bekam ich eine andere Aufgabe, noch umfangreicher und zur Strafe in Englisch, weil ich mich erfrecht hatte, keine Zeit zu haben. Ich habe einfach keine Lust mit solchen Leuten meine Zeit zu verschwenden und war fortan nicht mehr erreichbar für diese seltsame Partie.

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