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Analyse

Boeing in der Vertrauenskrise: Kann der Flugzeugriese sich erholen?

Turbulente Zeiten für Boeing: Der US-Flugzeughersteller hat in den vergangenen Monaten und Jahren eine Vielzahl an Skandalen durchgemacht. Doch bis das Vertrauen wieder hergestellt ist, wird es noch ein langer Weg.

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Eine Boeing 747 von Korean Air landet in London-Heathrow. (Foto: Abdul N Quraishi - Abs / Shutterstock)

Es ist wohl in diesen Tagen für das Unternehmen Boeing eine besonders gute Nachricht, wenn bekannt wird, dass der US-Flugzeughersteller einen 2,56 Milliarden US-Dollar schweren Auftrag von der US-Luftwaffe erhalten hat. Das Luftfahrtunternehmen soll zwei Prototypen des Überwachungsflugzeugs E-7A AEW&C Wedgetail entwickeln. Dass die US-Luftwaffe sich zu Boeing bekennt, hat wohl auch Symbolcharakter, ist eine Art Statement für die Zukunft des Flugzeugherstellers, der in letzter Zeit auf vielen Ebenen Krisen zu bewältigen hatte.

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Ohne Zweifel ist Boeing derzeit nämlich ein Unternehmen, das – noch dazu in einer hochgradig nervösen Branche im Hinblick auf technische Fehler – alles andere als einen guten Lauf hat. Da sind zunächst zwei Abstürze vor fünf Jahren, die sich auf Boeing 737 Max bezogen und insgesamt 384 Todesopfer forderten. In diesem Zusammenhang soll das Unternehmen Gerichten falsche Unterlagen geliefert haben, um einem Gerichtsprozess zu entgehen. Unter anderem mit dem Versprechen, ein Compliance- und Ethikprogramm einzuführen, konnte Boeing damals eine strafrechtliche Verfolgung vermeiden. Zudem wurde auf Basis eines Vergleichs eine Strafe von 243,6 Millionen Dollar bezahlt. Dass Boeing gegen die Auflagen des damaligen Vergleichs verstoßen hat, hatte das Justizministerium im Mai 2024 befunden.

Doch dass sich Fluggäste in Foren darüber austauschen, ob sie einen Ferienflug umbuchen können oder sollten, wenn dieser mit einer Boeing durchgeführt wird, zeigt vor allem, wie nachhaltig und weitreichend das Image derzeit beschädigt ist. Kürzlich hat die US-Luftaufsichtsbehörde FAA zudem die Inspektion von insgesamt 2600 Boeing-737-Maschinen angeordnet. Man wolle wissen, ob die Sauerstoffmasken und die Sauerstoffgeneratoren korrekt verbaut sind und im Ernstfall korrekt arbeiten.

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Zwischen Fahrwerkpannen und fehlerhaften Kontrollen

Der wohl entscheidendste Vorfall ist da das Rumpfteil, das Anfang Januar 2024 kurz nach dem Start aus einer Boeing 737-9 Max herausbrach – und das die FAA dazu veranlasste, die Produktions- und Prüfprozesse von Boeing genauer zu untersuchen. Glücklicherweise keine menschlichen Opfer forderte auch eine Notlandung auf dem Rumpf, die eine Boeing 767 des Logistikdienstleisters Fedex im Frühjahr am Istanbuler Flughafen hinlegte. Hier hatte es Probleme am vordern Fahrwerk gegeben, die Boeing schlitterte mehrere Meter auf dem vorderen Teil des Rumpfes, bevor sie zum Stehen kam. Nur einen Tag später platzte bei einem Flieger, der mit 190 Passagier:innen von Köln nach Alanya flog, bei der Landung ein Reifen.

Weitere Probleme gab es mit dem „Dreamliner“, dem Langstreckenflieger 787. Hier ermittelte die FAA, weil Prüfberichte offenbar gefälscht worden sein sollen. So hätten Mitarbeitende die Kontrollen der Verbindung zwischen Rumpf und Tragflächen teiweise nicht durchgeführt, aber wohl in den Prüfprotokollen als durchgeführt eingetragen. Hinzu kommen einige weitere technische Vorfälle – von einem abgebrochenen Start wegen eines Triebwerksproblems in Texas bis zu einer verlorenen Triebwerksabdeckung in Denver.

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Dazu muss man wissen, dass die Fertigung von Flugzeugen, weniger unvorhersehbar ist als der Bereich  Maintenance, Repair und Operations. Hier gibt es bindende Verpflichtungen und Vorgehensweisen, die meist in Zusammenarbeit zwischen den Herstellern (teilweise auch denen der Baugruppen und Komponenten) und der jeweiligen Luftaufsichtsbehörde festgelegt werden. In vielen Fällen ist hierbei eine nationale Behörde federführend – und die anderen übernehmen der Zertifizierungs- und Validierungsregelungen auf Datenbasis. Anders als die Fertigung, in der die Prozesse naturgemäß immer gleich ablaufen, ist die Befundung im Maintenance-Umfeld wenig vorhersehbar.

Warum starben entscheidende Whistleblower?

Was die Geschichte um Boeing zuletzt zum Stoff für einen Krimi werden ließ, waren aber auch zwei Todesfälle, die Whistleblower betrafen, die auf die Probleme im Hause aufmerksam gemacht hatten. Ein ehemaliger Qualitätsmanager, der bis zum März in Gerichtsprozessen ausgesagt hatte, wurde mit einer Schusswunde im Schläfenbereich tot aufgefunden – die Polizei kam zum Schluss, es könne sich um einen Selbstmord gehandelt haben. Auch ein Qualitätsprüfer, der laut Medienberichten ein „schwerwiegendes und grobes Fehlverhalten des leitenden Qualitätsmanagers der 737-Produktionslinie“ angeprangert hatte, kämpfte laut der Seattle Times zwei Wochen gegen eine plötzliche, aggressive Infektion, bevor er verstarb.

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In der vergangenen Woche kam noch eine Geschichte im Zusammenhang mit der Weltraumkapsel „Starliner“ hinzu, für die ebenfalls Boeing verantwortlich zeichnet. Die beiden Astronaut:innen Barry Wilmore und Sunita Williams sollten eigentlich nur für eine Woche auf der ISS bleiben, doch die beiden sind mittlerweile seit fast zwei Monaten auf der Raumstation. Die Rede ist von Heliumlecks und Triebwerksausfällen – und davon, dass die sichere Rückkehr zur Erde erst im Februar nächsten Jahres mit der Dragon-Crew von Space X erfolgen könnte.

Langer Weg: Boeing muss das Vertrauen zurückgewinnen

So oder so bleiben die Nachrichten für Boeing schlecht bis problematisch – und das nicht nur aufgrund ihrer Vielzahl. Denn zum einen handelt es sich bei der Luftfahrtbranche um einen Bereich, in dem Verbraucher:innen aus gutem Grund jede Unregelmäßigkeit misstrauisch betrachten, zum anderen hat die große Zahl an Vorfällen die Menschen sensibilisiert.

Es dürfte noch einige Zeit dauern, bis Boeings Bekenntnisse zur „Qualitätsoffensive“ und „Nulltoleranz bei Fehlern“ verfangen werden – und zu den Milliarden, die die Turbulenzen das Unternehmen und seine Investor:innen bereits gekostet hat, werden etliche weitere hinzukommen. Gerade die Tatsache, dass inzwischen selbst Menschen, die nichts mit der Branche zu tun haben, sich fragen, wie sicher es ist, eine Boeing-Maschine zu besteigen, zeigen, wie gravierend dieser Vertrauensverlust zu bewerten ist.

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Klar scheint aber auch, das belegt nicht nur das jüngste Bekenntnis der Luftwaffe, dass Boeing gerade aus Sicht der US-Wirtschaft „too big to fail“ ist und alles dafür getan werden wird, dass die zahlreichen Skandale Boeing nicht ins Aus manövrieren. Doch sowohl die US-amerikanische FAA als auch etliche andere internationale Luftfahrtbehörden werden genau hinschauen (müssen), wenn es um Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit Boeing geht.

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Julia Nikolaeva

Welches Vertrauen zurückgewinnen? So wie es klingt, muss das Unternehmen weg vom Fenster, und zwar so schnell wie möglich, damit es keine Gefahr mehr für Menschen darstellt.

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